Tomas Tatar ist einer von zwei Namen, die für die Korrektur des grössten Irrtums der neueren Klubgeschichte stehen: des Irrtums, es gehe auch ohne teure, charismatische ausländische Spieler. Geboren in der Hoffart nach zwei Titeln. Nun hat Manager Patrick Lengwiler die knarrenden, schweren Tore der Geldspeicher öffnen lassen und gekommen sind Tomas Tatar und Dominik Kubalik. Tomas Tatar, der Zauberer, ist Zugs elegantester Spieler seit Wes Walz («Tennessee Walz»).
Der legendäre Kanadier war einer der offensiven Leitwölfe des ersten Meisterteams von 1998 und zelebrierte in 3 Jahren in 160 Partien 193 Punkte. Tomas Tatar, der nächste Wes Walz? Vielleicht sogar mehr als das. Dominik Kubalik war letzte Saison in Ambri bester Torschütze der Liga. Mit weniger guten Spielkameraden als jetzt in Zug.
Keine Frage: Die Wechsel auf den Ausländerpositionen machen aus Zug wieder ein Spitzenteam. Tomas Tatar und Dominik Kubalik werden zusammen mit ihren wesensverwandten Spielkameraden Jan Kovar, David Sklenicka (auch der tschechische Verteidiger ist neu) und dem flamboyanten Daniel Vozelinek das Wetter machen und für offensiven Blitz und Donner sorgen. Aber das Glück der Zuger wird am Ende des Tages nicht nur an seinen ausländischen Spielern aus Tschechien und der Slowakei hängen. Nach wie vor kommt Leonardo Genoni eine Schlüsselrolle zu. Nur wenn er beschliesst, noch einmal Meister zu werden, dann wird Zug wieder ein Spitzenteam.
Auf einer Skala von 1 bis 10 Pucks.
Der neue Trainer Michael Liniger muss in grossen Schuhen stehen. Sein Vorgänger Dan Tangnes wird in Zug als charismatischster und erfolgreichster Trainer der Klub-Historie verehrt. Ihn mit einem ähnlichen Chef zu ersetzen, wäre unmöglich (es gibt keinen zweiten Dan Tangnes) und töricht gewesen: Jeder Versuch einer Kopie des Originals wäre zum Scheitern verurteilt.
Michael Liniger hat Dan Tangnes seit Sommer 2023 als Assistent gedient und kennt seine Arbeitsweise. Sein Rucksack ist gut gefüllt. Er war unter anderem als Spieler in der Abendröte des Ruhmes bis 2016 Leitwolf in Kloten, bringt die Erfahrung aus insgesamt fast 1000 Spielen in der höchsten und zweithöchsten Liga mit (Langnau, Ambri, Kloten, GC) und arbeitete vier Jahre als Cheftrainer im Farmteam der ZSC Lions. In der Art ein Pragmatiker wie Thierry Paterlini in Langnau, der unbeirrt seinen Weg geht. Und doch: Ist eine so hohe Bewertung für einen Zauberlehrling nicht der Vorschusslorbeeren zu viel? Nein. Michael Liniger hat beste Voraussetzungen: Er kann ein Spitzenteam übernehmen, das auf der Mission Rehabilitation ist, er ist die Wahl von Manager Patrick Lengwiler und Sportchef Reto Kläy, die ihn durch alle Böden hindurch stützen werden. Mehr Rückhalt geht nicht.
Auf den ersten Blick hat sich auf dieser Position nichts verändert: Leonardo Genoni und Tim Wolf sind bloss ein Jahr älter geworden. Aber auf einen zweiten Blick erkennen wir, dass doch etwas anders geworden ist: Leonardo Genoni konnte letzte Saison in der Qualifikation verletzungshalber nur 22 Spiele bestreiten und war nach seiner Rückkehr auch im Viertelfinal gegen Davos noch nicht der wahre Leonardo Genoni. Aber bei der WM haben sich alle Zweifel wie ein Morgennebel verflüchtigt: Er kassierte während der regulären Spielzeit im Viertelfinal, im Halbfinal und im Final keinen einzigen Treffer, wurde im Final von den Amerikanern erst in der Verlängerung bezwungen und wurde zum MVP und zum besten Torhüter der WM gewählt – der erste Goalie aus der Schweiz, dem diese Ehre zuteilgeworden ist. Wenn bei so viel Lob und Preis nicht die Maximalnote fällig ist, wann dann?
Zug war letzte Saison defensiv die Nummer 7 (136 Gegentreffer). Eigentlich kein Grund zur Sorge. Aber eine stabilere Verteidigung ist für die Rückkehr an die Spitze unerlässlich. Wechsel auf den Ausländerpositionen (Gabriel Carlsson und Niklas Hansson sind gegangen, David Sklenicka ist gekommen) bringen ein wenig Mehrwert. Doch in erster Linie hängt eine defensive Verbesserung von … Leonardo Genoni ab.
Die offensive Feuerkraft war letzte Saison nicht das Problem: Zug war offensiv mit 173 Treffern die Nummer 1 der Liga. Nun hat Sportchef Reto Kläy auf den Ausländerpositionen kräftig nachgerüstet und der Sturm kann wieder so kräftig wehen wie in den beiden Meisterjahren, als die Zuger 177 bzw. 197 Treffer zelebrierten. Der Pessimist warnt: Die offensiven Leitwölfe sind Graubärte geworden und die Motivation könnte beim Ritt ins Abendrot der Karriere ein wenig nachlassen: Jan Kovar ist 35, Tomas Tatar 34, Sven Senteler 33, Lino Martschini und Grégory Hofmann sind 32, Dominik Kubalik und Fabrice Herzog 30. Der Optimist sagt: Das Versagen der letzten zwei Jahre schmerzt und treibt die alternden Titanen zu einem letzten Hurra und Bestleistungen.
Fehleinschätzungen gehören zum Hockey-Business wie Puck und Zamboni. Entscheidend ist die Fähigkeit, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Das haben Manager Patrick Lengwiler und Sportchef Reto Kläy getan. Und sollte sich die Beförderung von Michael Liniger zum Cheftrainer als Fehleinschätzung erweisen, dann muss halt korrigiert werden. Politisch und wirtschaftlich ist Zug in einem der reichsten «Stadtstaaten» der Welt so gut vernetzt, dass Geld von allen Hockey-Sorgen die allerkleinste ist. Eine Maximalnote ist allerdings erst fällig, wenn es tatsächlich gelungen ist, die Fehler zu korrigieren. Time will tell.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
War es je so schwierig, Mannschaften einzuschätzen, wie vor der Saison 2025/26? Nein, wahrscheinlich nicht. Wir wissen zwar aus Erfahrung, dass es mindestens eine Überraschungs-Mannschaft und einen strauchelnden Titanen geben wird. Aber wer wird positiv überraschen? Langnau? Ambri? Ajoie? Und wer gerät in den Strudel einer Krise? Erneut der Servette? Aber vielleicht helfen ja unsere Noten bei der Einschätzung.
Statistiken sagen viel. Aber alle haben sie. Gibt es mehr als nur diese allgemein zugänglichen Zahlen? Ja. Eine Bewertung jedes einzelnen Spielers. Deshalb benoten wir jeden unserer Helden des rutschigen, eisigen Spielfeldes. Wir polemisieren damit sozusagen nach Noten. Aber leicht machen wir uns die Sache nicht. Unsere Noten basieren bei weitem nicht nur auf unserem unzulänglichen Urteilsvermögen. Wir folgen auch den Einschätzungen der wahren Kenner, der Trainer, Sportchefs, NHL-Scouts. Und ein Problem können wir nicht lösen: alle Beurteilungen basieren auf den Leistungen in der Vergangenheit. Was einer in Zukunft leisten wird, bleibt reine Spekulation.
Wenn wir wissen wollen, wie gut eine Mannschaft ist bzw. sein wird, können wir einfach den Notendurchschnitt ausrechnen. Oder? Aber so einfach ist es leider nicht. Ob aus hochkarätigen Spielern mit hohen Noten tatsächlich eine starke Mannschaft wird, ist nämlich höchst ungewiss. Es ist keineswegs sicher, dass eine Mannschaft tatsächlich so gut spielt, wie sie es aufgrund der Bewertung der einzelnen Spieler eigentlich müsste. Das zeigt auch, welche Gestaltungskraft gute Trainer haben. Sie können mehr aus einem Team herausholen, als unsere Noten vermuten lassen. Unsere Noten sagen letztlich noch nichts über die Mannschaft. Wer sich bei den Prognosen trotzdem auf diese Noten verlässt, ist selbst schuld.
Leonardo Genoni war während der ganzen Saison nie der wahre Leonardo Genoni. Nicht alle sechs Ausländerpositionen waren gut besetzt. Verletzungen führten dazu, dass nur Sven Senteler alle 52 Qualifikationspartien bestreiten sollte. Und trotzdem betrug der Rückstand auf Qualifikationssieger Lausanne am Ende nur neun Punkte. Unter normalen Umständen müsste es eigentlich möglich sein, diese neun Punkte nun wettzumachen. Platz 1 ist also keineswegs unrealistisch. Kommt dazu: Zugs Umfeld ist nur mit Spitzenleistungen zufrieden. Eigentlich die perfekte Ausgangslage für einen Sturm auf die Tabellenspitze: Ein Spitzenteam, das viel gutzumachen hat, ein Management, das die notwendigen sportlichen Korrekturen vorgenommen hat, ein neuer Trainer, der die Chance seines Lebens bekommt und Leonardo Genoni ist wieder Leonardo Genoni. Kurzum: Zug (und Leonardo Genoni) auf einer Mission.