Wer die Tabellenführung nach einer 0:3-Niederlage in Langnau abgeben muss (der SCB ist wieder Leader) und wer mit der zweitbesten Offensive der Liga exakt 10 Minuten Überzahlspiel nicht in ein Tor umzumünzen versteht, verdient Kritik.
Aber für einmal ist es schwierig, einen Ansatz zur Kritik oder gar Polemik zu finden. Was sich auch daran zeigt, dass der tüchtige Mitarbeiter des «Blick», dem es nach jedem Spiel obliegt, eine Pflaume zu verteilen, nach der Partie ratlos vor seinem Laptop sass. Es gab einfach keinen Zuger, der eine Pflaume verdient hätte. Okay, Dominik Schlumpf und Santeri Alatalo liefen ihren Gegenspielern Pascal Berger und Harri Pesonen beim 0:1 hinterher. Aber das ist noch kein Grund, deswegen zum Sündenbock für die Niederlage gestempelt zu werden.
Warum verliert ein starkes Zug 0:3? Weil Langnau ein perfektes Spiel gelungen ist. Eine heftige Reaktion auf die Larifari-Vorstellung am Mittwoch im Stade de Suisse gegen den SCB (1:4). Selbst der grantige Heinz Ehlers war zufrieden und sprach von einer «wirklich sehr, sehr guten Leistung» seiner Jungs. Dieses Lob ist etwa so zu werten wie wenn Zugs Trainer nach einem Sieg im Mittelkreis getanzt hätte.
Zugs fruchtlose Bemühungen personifizierte Topskorer Lino Martschini. Er stand bei zwei Minustreffern auf dem Eis und war der Architekt von mindestens 20 vielversprechenden, aber letztlich erfolglosen Angriffsversuchen. Er sagt: «Langnau war defensiv sehr stark. Aber mit direkten, präzisen Passfolgen wäre es eigentlich möglich gewesen im Powerplay zum Erfolg zu kommen.» Im Spiel habe «die Qualität» gefehlt. Er meinte damit die Präzision und die Intensität. «Wir haben zu wenig Abpraller provoziert und wenn der Puck mal abprallte, waren wir nicht zur Stelle.»
Eine solche Selbstkritik könnte als Konzentrationsschwäche (fehlende Qualität) und als ungenügendes Engagement (fehlende Intensität) ausgelegt werden. Aber das war es nicht. Zug scheiterte nicht an eigenen Schwächen, sondern an der Qualität des Gegners. Am perfekten «Heinz Ehlers-Eishockey». «Heinz Ehlers-Eishockey» ist, wenn jeder hundertprozentig bei der Sache ist und jeder seine Defensiv-Aufgabe zu hundert Prozent erfüllt. Dann fehlen selbst einem hochkarätigen Gegner Raum und Zeit um sein Spiel zu entfalten.
Fatal sollte sich für die Zuger die Schiedsrichterleistung erweisen. In der Regel kassiert eine Mannschaft, die weniger im Scheibenbesitz ist, mehr Strafen. Haken, Halten oder Behinderungen sind die logische Folge. Aber die Unparteiischen haben es übertrieben und die Aktionen der Langnauer zu oft zu streng beurteilt. Zum ersten Mal in dieser Saison musste das Stadionpersonal zwecks Reinigung des Eises mit Schaufel und Besen ausrücken. Solche Aktionen sind sehr, sehr selten. So wenig wie beim Schwingfest werden im Emmental beim Hockeymatch Gegenstände in die Arena geschmissen.
Aus diesem vermeintlichen Unrecht schöpften die Langnauer enorme «Trotzenergie». Als es gelungen war, bis zur zweiten Pause alle Zuger Powerplays heil zu überstehen (im zweiten Drittel spielte Zug während acht Minuten mit einem Feldspieler mehr), spürte jeder im Stadion: das ist die Entscheidung gegen Zug. Jetzt kann die Emmentaler nichts mehr erschüttern.
Interessanterweise war es das erste Spiel der SCL Tigers in dieser Saison ohne Chris DiDomenico. Der Kanadier wurde nach einer kraftlosen Darbietung im Derby (1:4 gegen den SCB) erstmals das «Opfer» des Rotationsprinzips unter den fünf ausländischen Stürmern, musste pausieren und sass knurrig in der VIP-Loge. Offenbar hatte er beim Spengler Cup mit Team Canada zu viel Energie verloren – zumal er während des Turniers einmal um 04.00 Uhr in der früh mit dem Auto von Davos nach Kloten bretterte, um dort eine aus Übersee einfliegende Freundin abzuholen.
Eine uralte Weisheit sagt, man solle ein siegreiches Team nie umstellen. Das gilt erst recht nach einem perfekten Spiel. Sportchef Marco Bayer hatte vor dem Spiel versichert, Chris DiDomenico werde in Ambri ins Team zurückkehren. «Wir erwarten, dass er in Ambri energiegeladen die Mannschaft mitreisst.» Ein Dilemma für Heinz Ehlers. Stellt er eine siegreiche Mannschaft um? «Kein Problem, ich habe schon mehrmals nach einem Sieg die Ausländer gewechselt.»
Es gibt auch vom EV Zug eine Meldung am Rande: Stürmer Fabian Haberstich, (21), im Sommer 2016 aus Langnau gekommen, bekommt keinen neuen Vertrag. Dies bestätigt Sportchef Reto Kläy. Haberstich sei zu wenig gut für einen Stammplatz in der ersten Mannschaft und beim Farmteam brauche man Platz für die eigenen Talente. Der kräftige Flügel (183 cm/93 kg) hat diese Saison in Zugs Farmteam fast einen Punkt pro Spiel gebucht.
Fabian Haberstich ist sozusagen die Langnauer Antwort auf Inti Pestoni. Ein Jahrzehnttalent. Als Junior auf einer Stufe mit dem gleichaltrigen Denis Malgin, der heute in der NHL stürmt. Aber im Training und im Spiel lange Zeit mit sich selbst zu gnädig. Nun ist sein Agent Sandro Bertaggia auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.