Der SCB ist nach einem 60-Minuten-Drama Leader – und bleibt es bis im März
Zug gegen Bern. Das Gipfeltreffen. Die intensiven Partien zwischen dem EV Zug und dem SC Bern gehören inzwischen zum Besten, was es im europäischen Klubhockey zu sehen gibt.
Die Zuger haben gegen den SCB im letzten Frühjahr den Playoff-Final in sechs Partien (2:4) verloren. Nun haben wir am Samstag dieses Finale sozusagen im Zeitraffer in einem Drama über 60 Minuten noch einmal erlebt.
Das Finale hatte Zug zum Auftakt mit zwei Niederlagen einen Schock beschert (0:5, 2:4). Der Sieg in Bern brachte die Hoffnung zurück (2:1 n.V) und der zweite Sieg löste Begeisterung aus (3:2 n.V). Aber dann entschied der SCB die Finalserie unerbittlich mit zwei klaren Siegen (6:1, 5:1).
Nach diesem Drehbuch ist auch die Partie am Samstag gelaufen. Der grosse SCB geht 2:0 in Führung. Mit einer gewaltigen Energie- und Willensleistung kehrt Zug zurück, entwickelt eine Dynamik und eine Wucht, die auf helvetischem Eis nur selten zu sehen sind und geht noch im ersten Drittel in Führung (3:2). Begeisterung in Zug. Die Arena bebt. Aber am Ende ist der SCB zu clever und zu ausgeglichen und gewinnt das Spiel auf unerbittliche Art und Weise 6:3.
Publikum gegen Schiedsrichter
Drei Szenen haben das leidenschaftliche Publikum gegen die Schiedsrichter aufgebracht:
- Nach 13 Sekunden checkt Robin Grossmann SCB-Stürmer Mark Arcobello in die Bande und kassiert fünf Minuten plus Restausschluss. Der SCB nützt diese grosse Strafe zu einer 2:0-Führung.
Die TV-Bilder zeigen, dass der Restausschluss gemäss Regel 119 (Bandencheck) vertretbar ist: Ein Spieler, der einen Gegenspieler durch einen Check gegen die Bande verletzt oder ihn rücksichtslos gefährdet, erhält entweder eine Grosse Strafe und eine automatische Spieldauer-Disziplinarstrafe oder eine Matchstrafe.
Mark Arcobello ist nur leicht verletzt worden und spielte weiter. Gemäss SCB-Sportchef Alex Chatelain musste er nach dem Spiel eine Wunde nähen lassen. Die Verletzung ist bei der Strafe unerheblich – es geht um die Gefährdung. Die war gegeben. Und der Vorwurf, der gefoulte Spieler habe halt nicht gewusst, wie den Check «nehmen» und sich im Bereich der Bande ungeschickt verhalten (wird oft gegen Schweizer vorgebracht) dürfte durch Mark Arcobellos Biographie entkräftet sein: Er hat in mehr als 400 Partien im nordamerikanischen Profihockey richtiges Verhalten im Schatten der Bande gelernt. Mit dem Restausschluss sollte diese Angelegenheit eigentlich bestraft und geregelt sein. Eine Sperre gegen Robin Grossmann ist nicht angezeigt.
- In der 47. Minute ist Zug im Boxplay beschäftigt (Dominik Schlumpf sitzt auf der Strafbank). Bei einem Konter schlägt Victor Stalberg gegen Leonardo Genoni nach, wird rausgeschickt und mit drei gegen fünf kassiert Zug den Ausgleich. Ein strenger Entscheid. Aber die Schiedsrichter haben nun mal Anweisung, die Goalies zu schützen.
- Eine Minute und acht Sekunden später (48.) rammt Mark Arcobello Zugs stabilsten Verteidiger Johan Morant um und Simon Moser trifft zum 3:4. Hier wäre eine Strafe (Behinderung) gegen den SCB-Stürmer vertretbar gewesen – und dann wäre das 3:4 nicht gefallen.
Die Schiedsrichter hatten also etwas mit dem Ausgang des Spiels zu tun. Aber sie sind von aller Schuld an Zugs Niederlage freizusprechen. Ja, sie brachten eine dramatische, zeitweise intensive und schwierig zu leitenden Partie gut über die Runden. Entscheidend waren letztlich die gleichen drei Punkte, die auch im Finale ausschlaggebende Bedeutung hatten.
Finale reloaded
Auch so gesehen haben wir noch einmal das Finale erlebt.
- Zugs Schlüsselspieler (zum Beispiel Rafael Diaz) machten zu viele Fehler oder vermochten nicht ihr bestes Hockey zu spielen (wie Lino Martschini). So war es im Finale. So war es am Samstag.
- Tobias Stephan war ein guter, aber kein grosser Goalie. Zwei der letzten vier Tore hätte ein grosser Torhüter verhindert. Eine Fangquote von 80,77 Prozent reicht gegen den SCB nie zum Sieg. So war es im Finale. So war es am Samstag.
- Der SCB ist nach wie vor die ausgeglichener besetzte Mannschaft. So war es im Finale. So war es am Samstag.
«Zu viele Fehler»
Zugs Trainer Harold Kreis suchte keine Ausreden. «Wir hatten im zweiten Drittel genügend Chancen um die Partie zu entscheiden und leisteten uns im letzten Drittel zu viele Fehler.» Ihm gefiel die Reaktion der Mannschaft auf den 0:2-Rückstand. Und in der Tat gilt: Eine gewöhnliche Mannschaft fällt in dieser Situation auseinander. Eine grosse Mannschaft reagiert und wächst über sich hinaus. Zug hat eine grosse Mannschaft. Lino Martschini kam unabhängig von seinem Trainer zur gleichen Analyse. «Wir haben viel investiert und sind nach dem frühen Rückstand wieder ins Spiel zurückgekehrt. Aber wir haben uns zu viele Strafen und zu viele Fehler geleistet.»
Der SCB ist nur mit intensivem, mit Härte und Provokationen gespicktem «Energiehockey» zu besiegen. Keine Schweizer Mannschaft ist dazu in der Lage, solches Hockey drei Drittel lang durchzustehen. Der Meister verliert nur noch, wenn er nicht bei der Sache ist (wie beim 4:5 n.P gegen Lugano nach einem 4:1 im letzten Drittel) oder der Puck einfach den Weg des Gegners geht (wie beim 1:2 in Genf bei 47:20 Torschüssen).
Aber diese Mannschaft ist so gut ausbalanciert, so ausgeglichen besetzt, so gut organisiert und so tempo- und rumpelfest, dass alles andere als ein Durchmarsch zum Qualifikationssieg eine Sensation wäre – wenn Leonardo Genoni gesund bleibt. Mit ihm hat der SCB, wenn es wirklich darauf ankommt, den besseren Torhüter. Wie am Samstag in Zug.
Die nächste Niederlage gibt’s wahrscheinlich erst am 14. Oktober in Langnau. Weil der Meister, dann bis zur Arroganz selbstsicher, die nach wie vor letztplatzierten «Chäsigen» unterschätzen wird. Aber mehr als ein leichtes, kaum wahrnehmbares, kurzes Rütteln auf der Fahrt zum Qualifikationssieg sind solche Niederlagen nicht.