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Was macht den erfolgreichen Hockey-Manager aus? Primär einmal die Fähigkeit, Soll und Haben im Gleichgewicht zu halten. In diesem Jahrhundert hat Marc Lüthi jedes SCB-Geschäftsjahr mit Gewinn abgeschlossen. Diese Geschäftstüchtigkeit bringt ihm wechselweise Ruhm und Kritik ein.
Wenn es beim SCB sportlich rockt, dann gibt es viel Lob für den Trainer und die Spieler. Für den Sportchef und Marc Lüthi bleiben ein paar Brosamen, die vom Tisch des Ruhmes fallen. Aber noch nie ist Marc Lüthi als der wahre Baumeister eines Titels gefeiert worden. Und bisher auch nicht als Architekt der Final-Sensation von 2016. Das ist eigentlich ungerecht.
Marc Lüthi wird nur dann prominent in die sportliche Analyse einbezogen, wenn es darum geht, sportlichen Misserfolg zu ergründen. Noch in jeder SCB-Krise ist der Trainerverschleiss thematisiert worden. Bei der Anstellung und der Entlassung eines Trainers hat Marc Lüthi das letzte Wort. Und so wird ihm regelmässig vorgerechnet, wie viel Bandenpersonal er schon «verbraucht» hat. Die Trainer während seiner Amtszeit (Aufzählung ohne Gewähr auf Vollständigkeit): Ueli Schwarz, Leo Schumacher, Pekka Rautakallio, Riccardo Fuhrer, Alan Haworth, Kent Ruhnke, Alpo Suhonen, John van Boxmeer, Larry Huras, Antti Törmänen, Lars Leuenberger, Guy Boucher und erneut Lars Leuenberger.
Die Analyse ist stets die gleiche: Marc Lüthi versteht einfach den Sport nicht. Dem autoritären Zahlenmenschen fehlt die Sensibilität für die besonderen Gesetze des Sportes. Bei so wenig Stabilität auf der Trainerposition ist der sportliche Erfolg nicht möglich. Gegen Trainerentlassungen zu sein, ist politisch korrekt.
Die kritische Haltung zu einer Trainerentlassung tönt im Augenblick jeweils klug, leuchtet ein und Kritik an einem charismatischen, grossen Manager wie Marc Lüthi macht sich sowieso für jeden Lohnschreiber gut. Und in Zeiten der Computer kann der schreibfaule Chronist seine Analysen gar abspeichern und alle paar Jahre bei der nächsten Amtsenthebung eines Trainers wieder hervorholen. Grundsätzlich sind dann nur die Namen zu ändern – und die Liste der gescheiterten SCB-Trainer wird um einen Namen verlängert.
Aber kann diese Analyse auch dem Urteil des SCB-Historikers standhalten? Also dem Urteil eines Chronisten, der sich in einem grösseren Zeitrahmen um eine fundierte Analyse bemüht? Ist überhaupt Kontinuität auf dem Trainerposten anzustreben? Oder ist es am Ende gar gut, Trainer regelmässig zu entlassen? Bei jeder Gelegenheit wird der HC Davos als Beispiel gefeiert. Dort steht Arno Del Curto seit dem Sommer 1996 in Lohn und Brot und hat schon sechs Titel geholt. Also lohnt es sich, den Trainer zu Ehren und sich gegen eine Entlassung zu wehren.
Wenn wir das Kommen und Gehen der SCB-Trainer etwas eingehender betrachten, dann kommen wir allerdings zu einem anderen Schluss: Marc Lüthi hat sehr wohl die Sensibilität für die ungeschriebenen Gesetze des Sportes. Er ist sogar der erfolgreichste «Trainerentlasser» der Welt. Und wir sehen auch: Der HC Davos taugt so wenig als Vorbild für andere Trainer wie General Henri Guisan als Massstab für alle unsere Armee-Chefs seit 1945. Weil Arno Del Curto so ein Jahrhundert-Trainer und eine Ausnahme-Erscheinung ist und bleibt wie Henri Guisan eine historische Jahrhundert-Figur.
Die SCB-Entlassungs-Erfolgsgeschichte beginnt im Laufe der Saison 2004. Marc Lüthi ist nicht bereit, den Vertrag mit Kent Ruhnke vorzeitig zu verlängern. Und so wird schon lange vor Saisonschluss beschlossen und verkündet, dass der Kanadier nach der Saison gehen muss. Die Kritik ist harsch. Wie kann man nur einem so berühmten Trainer einen Korb geben? Kent Ruhnke holt mit dem SCB den Titel und geht.
Aber Marc Lüthi hatte gespürt, dass die Zeit dieses charismatischen Trainers um ist. Es war Kent Ruhnkes «last Hurrah». Er hat noch ein letztes Mal in Basel Erfolg – und dann ist er nur noch eine Banden-Lachnummer. Inzwischen hat er den Trainerberuf aufgegeben und ist einer unserer besten Hockey-Analysten geworden.
Im Oktober 2011 feuert Marc Lüthi wie aus heiterem Himmel Trainer Larry Huras und befördert dessen Assistenten Antti Törmänen zum Cheftrainer. Wieder ist die Kritik gross. Es macht doch keinen Sinn, den Meistertrainer von 2010, den Mann, der auch die ZSC Lions und Lugano schon zu meisterlichem Ruhm geführt hat, ohne Not zu feuern! Und wie soll der antiautoritäre finnische Assistent je diese Mannschaft führen? Ein grosser Klub wie der SCB braucht einen grossen Trainer!
Im Frühjahr 2013 führt Antti Törmänen den SCB zum Titel und Larry Huras hat seit seinem SCB-Job das Charisma des Erfolgstrainers verloren. Wieder hatte Marc Lüthi das richtige Gespür für die Trainerentlassung.
Doch dieses «Feeling» verliert er während der Saison 2013/14. Meistertrainer Antti Törmänen wird entlassen und nach einem kurzen Intermezzo mit Lars Leuenberger durch den NHL-Bandengeneral Guy Boucher ersetzt.
Guy Boucher erweist sich als die schlimmste Fehlbesetzung auf der SCB-Trainerposition. Er versenkt den Titelverteidiger im Frühjahr 2014 in die Abstiegsrunde – erstmals verpasst ein Meister die Playoffs. 2014/15 folgt ein klägliches Ausscheiden im Halbfinale gegen Davos (0:4). Erst im November 2015 legt Marc Lüthi dem Kanadier das Handwerk. Der SCB steckt einmal mehr in der Krise – und schuld ist der SCB-General mit dem Hüst und Hot auf der Trainerposition. Er überlässt die Mannschaft bis Saisonende Lars Leuenberger.
Lars Leuenberger in der Krise als SCB-Cheftrainer? Funktioniert nicht. Wieder einmal heisst es: ein grosser Klub braucht einen grossen Trainer. Es kann doch nicht sein, einfach die Saison schon im November abzuschreiben und dem Assistenten die Mannschaft zu überlassen! Bloss weil das wenig kostet! Der SCB müsste doch alles daransetzen, die Saison mit einem charismatischen, einem grossen Trainer zu retten!
Marc Lüthi ignoriert die Kritik. Inzwischen hat Lars Leuenberger Geschichte geschrieben und den SCB nicht nur unter schwierigsten Bedingungen doch noch in die Playoffs gebracht. Er hat auch als erster Trainer den 8. der Qualifikation ins Finale geführt. Schon wieder hatte Marc Lüthi also das richtige Gespür für die Entlassung des Trainers.
Für nächste Saison hat der SCB-General mit Kari Jalonen und Ville Peltonen bereits ein neues Trainergespann verpflichtet. Was natürlich wieder Kritik provoziert: es ist doch unerhört, einen so erfolgreichen Trainer wie Lars Leuenberger einfach gehen zu lassen! Und es ist nachgerade stillos, noch während den laufenden Playoffs zu bestätigen, dass es für den kleinen Lars beim SCB keine Zukunft gibt!
Wir dürfen davon ausgehen, dass Marc Lüthi wieder das richtige Gespür hatte und Kari Jalonen den SCB 2017 oder 2018 mindestens ins Finale coachen wird. Und bei dem ganzen Trainerspektakel, das dem SCB ja auch noch viel Medienpräsenz beschert, haben die Berner in diesem Jahrhundert immerhin schon drei Titel geholt.
Ist die Trainerfrage am Ende zu wichtig um sie den Sportchefs zu überlassen? Beim SC Bern ist es so. Und die letzten Monate haben den Beweis geliefert, dass sich der Mut zur Trainerentlassung lohnt: Mit dem SCB und Lugano stehen die zwei Teams im Finale, die diese Saison den Trainer gefeuert haben.
PS: Auch bei Lugano funktioniert es erst, seit der Sportchef in der Trainerfrage nicht mehr das letzte Wort hat. Roland Habisreutinger hat erst Patrick Fischer kurz nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung gefeuert und dann wollte er partout nicht Doug Shedden als Fischers Nachfolger. Erst als Damien Brunner eindringlich für den Kanadier weibelte, wurde Doug Shedden über den Kopf und gegen den Willen des Sportchefs als neuer Trainer angestellt.