Wenn die letzte Wahrheit oben auf der Resultatanzeige eine bittere ist (2:3 n. P.) und der Trainer trotzdem gute Laune zelebriert, dann lohnt es sich, die Dinge ein wenig genauer zu betrachten.
SCB-Trainer Jussi Tapola rühmt und lobpreist, als sei er ein alttestamentlicher Psalmendichter. Er habe Grund, auf seine Spieler stolz zu sein. Was eigentlich fast jeder Trainer zu sagen pflegt. Aber er geht bei seinem Lobgesang noch einen Schritt weiter: «Ich habe seit langer Zeit nicht mehr so gutes Hockey gesehen.» Nicht einmal in seiner finnischen Heimat? «Nein, auch in Finnland nicht. Vielleicht das letzte Mal bei einer Weltmeisterschaft in einem Spiel mit NHL-Stars. Die Fans, das ganze Land sollte stolz sein auf diese Liga.»
Hat er übertrieben? Nein, hat er nicht. Gerne geht vergessen, dass die National League die Liga des WM-Finalisten von 2013, 2018 und 2024 ist. Und dass die Klubs so wohlhabend sind bzw. von so wohlhabenden Frauen und Männern alimentiert werden, dass sie sich auf den Ausländerpositionen die Besten ausserhalb der NHL leisten können. Also wäre es eigentlich normal, wenn so ziemlich bei jeder Partie ein Hochamt des Eishockeys gefeiert würde wie am Samstag bei der Partie SCB gegen die ZSC Lions.
Aber das ist nicht der Fall. Weil es – stark vereinfacht gesagt – zwei taktische Wege zum Regenbogen des Ruhmes gibt. Entweder ich «ersticke» das gegnerische Spiel mit Schablonen- bzw. Anti-Spektakel-Hockey. Die gegnerische Zone wird dabei weitgehend «kampflos» geräumt und dafür gibt es in der neutralen und erst recht in der eigenen Zone keine freien Räume mehr. Kari Jalonen war in Bern der Hexenmeister dieser Taktik.
Die zweite Variante: Ich versuche, mit Energie und Tempo den Gegner zu frustrieren, indem ich ihm übers ganze Spielfeld keine Ruhe, keine Zeit und keinen Raum lasse. Das erfordert viel Laufarbeit und Energie, eine hohe Disziplin und Konzentration und wegen der latenten «Konter-Gefahr» eine gut strukturierte Abwehr. Geordnetes Spektakelhockey. Es gibt eine Szene, die dieses anspruchsvolle Hockey illustriert: Thierry Schild, kein Star, vielmehr dank seiner läuferischen Dynamik ein «fliegender Störarbeiter», gelingt es, weit vorgeschoben in der neutralen Zone, mit seiner hartnäckigen Störarbeit selbst Denis Malgin, einen der besten Einzelspieler der Liga, zu irritieren, holt sich die Scheibe, bekommt freie Bahn und trifft zum 2:1.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Das «Ersticken» des gegnerischen Spiels, dieses «Anti-Spektakel-Hockey», war einst unter Ralph Krueger eine Spezialität unseres Nationalteams und ist von den Finnen zu weltmeisterlichem Format weiterentwickelt worden.
Letzte Saison folgte Jussi Tapola den Spuren von Kari Jalonen. Es war eine Entwicklung, an deren Ende mit viel Glück und vor allem bei besserem ausländischem Personal der nächste Titel hätte stehen können. Im Spektakel-Spiel vom Samstag haben wir nun zum ersten Mal geordnetes Spektakelhockey gesehen.
Der euphorisierte Optimist sagt: Letzte Saison hat Jussi Tapola die unter überforderten Vorgängern aus dem Lot geratenen taktischen Dinge erst einmal geordnet. Und nun, da er sein System dem Team eingefuchst hat, kann er einen Schritt weiter gehen und die Schablone lockern. Gelingt es ihm, das geordnete Spektakelhockey zu perfektionieren, dann kann am Ende dieser neuen Entwicklung der nächste Titel stehen.
Der Realist aber mahnt: Die ZSC Lions sind eines der besten Teams Europas und pflegen ein geordnetes und meisterliches, phasenweise sogar ein wildes Spektakelhockey. Es ist für eine gut besetzte Mannschaft (wie der SCB eine hat) einfacher, mit den Zürchern zu tanzen als zu versuchen, ihr hoch entwickeltes Spiel zu «ersticken». Zumal die Motivation gegen einen so hochkarätigen Gegner immer maximal ist. Aber wer ganz nach oben kommen will, muss auch dazu in der Lage sein, sein Spektakel gegen einen Gegner durchzusetzen, der nicht «mittanzen» will, der halt nicht so berühmt ist und die Motivation daher nicht sehr gross ist. Das kann unter Umständen schwierig werden. Wie der SCB am Freitagabend gegen Kloten erfahren musste (1:2 n. P.).
Es ist den Bernern vortrefflich gelungen, die ZSC Lions zu ärgern und bisweilen zu frustrieren. Aber es sind ZSC Lions, die unter Marc Crawford dann, wenn der Puck nicht ihren Weg gehen will, nicht mit Arroganz oder Unlust, sondern mit Fleiss und Leidenschaft reagieren. Deshalb ist der Ausgleich dann doch noch gelungen und in der Penalty-Entscheidung haben sie ihre nach wie vor in der Liga unerreichte individuelle Klasse demonstriert. Nacheinander haben Sven Andrighetto, Vinzenz Rohrer und Denis Malgin ihre Penaltys zu einer 3:0-Führung versenkt.
Dabei kommt es zu einer Rarität: Dominik Kahun kann auf 3:1 verkürzen. Aber nach dem Video-Studium annullieren die guten Schiedsrichter den Treffer richtigerweise. Beim Penalty darf der Schütze zwar Bögen nach links oder rechts fahren. Aber nur in der Vorwärtsbewegung. Er darf dabei nie einen Bogen rückwärts machen. Was an der Stellung der Schlittschuhe klar erkenntlich ist. Jussi Tapola sagte, er habe dieses regeltechnische Kuriosum noch nie erlebt und auch für Dominik Kahun war es eine Premiere. Der Zyniker sagt: Der SCB hat so überraschend vorwärts gespielt, dass die Schiedsrichter eingegriffen haben, als auf einmal einer doch rückwärts spielte.
PS: Dominik Kahun war der beste SCB-Skorer der Saisonvorbereitung. Trotzdem musste er im Startspiel gegen Langnau (3:1) als überzähliger Ausländer auf die Tribüne. Mit diesem Entscheid hat er seinen Frieden gemacht. «Natürlich war ich überrascht und enttäuscht. Aber Jussi Tapola ist, wie er ist: Er bringt uns bei, dass die Mannschaft wichtiger ist als der Einzelspieler und Skorerpunkte. So gesehen ist sein Entscheid konsequent und richtig und er hat ein Zeichen gesetzt, das alle verstehen.» Der SCB-Trainer arbeitet nicht nur an der taktischen Weiterentwicklung. Er festigt auch seine Autorität. My Way or the Highway.
Wie wäre die gleiche Reihe mal mit einem anderen Verein? Zum Beispiel Lugano? (Bin nicht Lugano Fan.. will einfach mal was anderes lesen als immer die gleichen Leier).