Olten ist «Hockeytown» im sportlichen Niemandsland zwischen Baregg und Grauholz. Keine andere Sportfirma entlang der Achse Bern–Zürich entfacht so viele Emotionen wie der EHC Olten.
Inzwischen hat Olten Kultstatus und erstaunliche Parallelen zu Ambri. So wie Ambris Seelenleben vom unerfüllten Meistertraum erfüllt wird, so treibt die Oltner die ewige Sehnsucht nach dem Aufstieg von Saison zu Saison.
Olten waren schon mal oben (erster Aufstieg 1985), sogar zwischendurch Tabellenführer in der NLA. Aber das ist lange, lange her. Im Frühjahr 1994 scheiterte Viktor Müller mit dem letzten Penalty im alles entscheidenden Abstiegsspiel gegen Biel an Kultgoalie Olivier Anken. Olten stieg ab und ist seither nie mehr zurückgekehrt. Viktor Müllers Sohn Marco ist heute in Ambri ein Schlüsselspieler.
Viele Krisen haben seither die Oltner erschüttert. Wie in Ambri stand zeitweise sogar die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel. Und so wie Ambri hat sich auch Olten in den letzten zwei Jahren erfolgreich erneuert. Und mehr denn je beseelt vom Aufstiegstraum.
Seit dem Abstieg ist es den Solothurnern sogar verwehrt geblieben, auch nur an die Türe zur höchsten Liga zu klopfen. Nie haben sie seither die Meisterschaft der zweithöchsten Spielklasse gewonnen und noch nie durften sie zur Liga-Qualifikation, dieser Mutter aller finalen Ausmarchungen, antreten. Dreimal haben sie den Final verloren, zuletzt vor einem Jahr gegen den späteren Aufsteiger Rapperswil-Jona.
Eine weitere Parallele zu Ambri: Ein Derby prägt die ganze Saison. Was Ambri gegen Lugano, das ist in der Deutschschweiz Olten gegen Langenthal. Eine tiefe, leidenschaftliche Feindschaft, die oft dazu beigetragen hat, dass die Konzentration auf das grosse Ziel Aufstieg nachgelassen hat. Weil es für einen wahren Oltner heisst: Wir besiegen Langenthal, also sind wir und alles andere ist egal.
Dieses ewige Scheitern im Aufstiegskampf hat auch mit einem gewissen «Lugano-Syndrom» zu tun. Milliardäre sind in Olten zwar keine engagiert und nicht zu viel, sondern zu wenig Geld prägt das Tagesgeschäft. Aber wie Lugano seit dem letzten Titel von 2006 so haben die Oltner bei der Rekrutierung lange Zeit zu sehr auf Namen geschaut. Einfacher gesagt: zu viele Schillerfalter und Solisten und zu wenig Teamplayer und taktische Sozialisten. Und wie Lugano fehlte bei der Rekrutierung des ausländischen Personals oft der Beistand der Hockeygötter.
So wie Ambri hat inzwischen auch Olten seine Identität gefunden. Der EHCO rockt. Bis zur letzten Runde gab es eine Chance auf den Qualifikationssieg. Nominell auf der Höhe von Kloten, La Chaux-de-Fonds, Langenthal und Ajoie. Der Aufstieg ist durchaus möglich.
Als Captain führt der eigenwillige Langnauer Lukas Haas, der einzige gelernte Bauer im Profihockey, das Team. Ein schlauer, aber manchmal launischer Stürmer, der das Spiel in der Mitte und auf den Aussenbahnen dominiert, der an einem guten Abend immer noch A-Niveau hat.
Und Simon Rytz (35) ist ein «Haudegen-Goalie». Nicht der talentierteste Schlussmann der Liga. Ajoies Dominic Nyffeler (nächste Saison spielt der Bruder von Melvin Nyffeler für Kloten), Langenthals Philip Wüthrich und Klotens Joren van Pottelberghe sind stilsicherer und talentierter. Aber wenn Rytz «heiss» ist, wenn er sich auf eine Mission begibt, dann ist er ein Torhüter, der sein Team zum Aufstieg zu hexen vermag. Sozusagen der «Jonas Hiller des armen Mannes».
Anders als Luca Cereda in Ambri ist Trainer Chris Bartolone nicht unbestritten. Der amerikanisch-italienische Doppelbürger ist nach der Entlassung von Bengt-Ake Gustafsson am 4. Februar 2018 vom Assistenten zum Chef befördert worden und hat die Mannschaft ins verlorene Finale gegen die Lakers geführt. Erreicht er nun mit den Oltnern nicht erneut mindestens den Final, dann wird einmal mehr eine leidenschaftliche Trainer-Debatte entbrennen. Solche Diskussionen gehören schliesslich zur Oltner Hockeykultur. Der Sieg gegen Visp im Viertelfinale ist Pflicht. Sollte Olten in Rücklage geraten, dann ist sogar eine Trainerentlassung während dieser Serie nicht ausgeschlossen.
Alle Wege führen nach Olten, dem Eisenbahnknotenpunkt Helvetiens. Viele der nicht ganz 20'000 Menschen, die hier leben, sind auf der Durchreise und wenn sie hier wohnen, bleiben sie nicht lange. Der Hockeyklub hat eine zentrale identitätsstiftende Bedeutung. Was den Oltnern seit Anbeginn der Zeiten und heute nach wie vor fehlt, ist eine charismatische Führungspersönlichkeit, sei es eine wie Marc Lüthi in Bern neben oder eine wie einst Arno Del Curto in Davos oder Kevin Schläpfer in Biel auf dem Eis. Oder besser noch einer auf und neben dem Eis wie Chris McSorley in Genf.
Gewinnen die Oltner die Swiss League, dann wird es in der Liga-Qualifikation für den Vertreter aus der höchsten Liga ungemütlich. Ob Davos oder Rapperswil-Jona ist einerlei. Olten ist wie kein anderes Team der Swiss League auf einer Mission – der Aufstiegsmission – und in keiner anderen Arena würde es in einer Liga-Qualifikation so hoch zu und hergehen wie im Kleinholz. Die spielerischen Vorteile der Lakers oder der Davoser würden in dieser Traumfabrik dahinschmelzen wie der Schnee in der Frühlingssonne.
Wenn es dem Trainer gelingt, in den nächsten Wochen die Kräfte zu bündeln, die Emotionen zu entfachen und dabei cool zu bleiben, dann ist Olten ein Aufstiegskandidat. Wenn ihm das nicht gelingt, muss er sich wohl einen neuen Job suchen und die Oltner machen sich erneut auf die Suche nach einem «Messias», der sie endlich, endlich ins gelobte Hockeyland zurückführt. Auf dass der ewige Traum vom Aufstieg endlich in Erfüllung gehen möge.