Sport
Eismeister Zaugg

Ray Emery: Eine Hommage an einen Goalie-Rockstar

Anaheim Ducks Corey Perry (10) flies over Ottawa Senators goaltender Ray Emery during the first period of Game 4 of the Stanley Cup hockey finals in Ottawa Monday, June 4, 2007. (AP PHOTO/Jim McIsaac, ...
Ray Emery in voller Aktion im Stanley-Cup-FinalBild: AP Pool NHL Images
Eismeister Zaugg

Ray Emery – der viel zu frühe Tod eines Rebellen und Weggefährten von Martin Gerber

Der introvertierte Emmentaler Martin Gerber und der acht Jahre jüngere «Rapper» Ray Emery waren einst das seltsamste Torhüter-Duo in der Geschichte der NHL. Jetzt lebt Ray Emery nicht mehr.
17.07.2018, 13:0017.07.2018, 13:20
Mehr «Sport»

Er fiel sofort auf, wenn er nach dem Training aus der Kabine kam. Optisch durch Frisur, Outfit und Gangart, die an einen Rapper mahnten. Meistens hörte er Musik über Kopfhörer und war er schon in einer anderen Welt. Er hatte das Charisma eines «Kriegers» im positiven Sinne, strahlte eine ungeheure Vitalität aus und war doch, wenn ich ihn ansprach, freundlich und sanft. Eine der faszinierendsten Persönlichkeiten, die ich je im Hockey getroffen haben.

Und das Timing war perfekt. Wenn ich mich mit ihm nach dem Training oder Spiel unterhalten hatte, war Martin Gerber noch lange nicht parat und stemmte im Kraftraum noch Gewichte. Ray Emery ging in der Regel als erster, Martin Gerber als letzter.

Der Rebell aus einer Stahlarbeiter Familie in Hamilton, der sozial rausten Stadt Kanadas und der stille, in sich gekehrte, zähe Asket aus Langnau, dem idyllischsten Dorf Europas – ein grösserer Gegensatz war nicht möglich. Etwa so wie eine Kombination aus Mike Tyson und Christian Stucki. Aber eines hatten beide gemeinsam: Den zähen Willen, den Sportler auszeichnet, die es aus bescheidenen Verhältnissen ganz nach oben an Dollar-Honigtöpfe des Sportbusiness bringen. Beide sind Dollar-Millionäre und Stanley Cup-Sieger geworden.

Ein ungleiches Duo: Ray Emery und Martin Gerber.
Ein ungleiches Duo: Ray Emery und Martin Gerber.Bild: keystone

Zwei Saisons – 2006/07 und 2007/08 teilten sich Martin Gerber und Ray Emery die Arbeit in Ottawa mit fast gleichen Statistiken und gleich vielen Spielen: 86 bestritt der Emmentaler in dieser Zeit, 89 der Kanadier. In Erinnerung aber bleibt Ray Emery durch die Stanley Cup-Playoffs.

Wer war besser? Ich denke, der Martin Gerber war besser und Ottawa hätte wahrscheinlich den Stanley Cup im Frühjahr 2007 geholt, wenn Cheftrainer Bryan Murray den Mut gehabt hätte, im Finale auf den Emmentaler zu setzen.

Ein Tribut-Video für Ray Emery.Video: YouTube/Legends never die

Aber Ray Emery hatte Ottawa ins Finale gebracht. Er war populär wie ein Popstar. Als er während des Stanley Cup-Finals von 2007 auf der Zufahrtsstrasse zum Stadion (das Stadion liegt in Ottawa ausserhalb der Stadt) mit seinem weissen Hummer einen harmlosen Unfall baute, brach der Verkehr stundenlang zusammen. Weil alle ein Autogramm wollten.

Er trug ein seltsames Tattoo «Anger is a gift». Was so viel bedeutet wie «Wut ist ein Geschenk.» Dieser Satz erklärt uns vielleicht seine Persönlichkeit. Er war nicht nur getrieben von Leidenschaft. Da war auch immer eine unheimliche, vielleicht auch zerstörerische Energie. Sein Ego war irgendwie zu gross für Ottawa, zu gross für eine Kabine, für eine Mannschaft.

Er polarisierte. Alle lachten, als er eine Wette gegen Captain Daniel Alfredsson gewann und für 500 Dollar eine lebende Kakerlake verspeiste. Aber er brachte alle gegen sich auf, wenn er nach der «All-Star-Pause» verspätet aus Las Vegas zurückkehrte oder den Teamcharter verpasste und mit einem Linienflug hinterherreiste.

Zeitweise trug er eine Goalie-Maske mit dem Portrait von Mike Tyson. Er provozierte Schlägereien im Training und die Gerüchte um wilde Partys und tätliche Auseinandersetzungen rissen nicht ab. Aber im Knast war er nie.

Ray Emery kämpft gegen Braden Holtby.Video: YouTube/GoalieMonkeyGaming2

Er stellte einmal fest, er müsse wohl damit leben, dass für den Rest seines Daseins 90 Prozent der Stories und Kolumnen über ihn seien negativ seien. Todd Elik war jedenfalls auch in seiner wildesten Zeit in der Schweiz vergleichsweise ein Sonntagsschüler.

Eine lange, ruhige Karriere war so nicht möglich. Nach einer Handgelenkverletzung war er nie mehr der charismatische Torhüter des Frühjahres 2007. Ottawa zahlte ihn aus einem laufenden Vertrag aus, er nahm einen Umweg über Russland und kehrte noch einmal in die NHL zurück (zweimal Philadelphia, Ottawa, Chicago). Als Nummer zwei von Chicago durfte er im Frühjahr 2013 doch noch den Stanley Cup in die Höhe stemmen. Seine letzten Partien spielte er in Deutschland in Mannheim. Im Frühjahr 2016 trat er zurück.

Er ist bei einem Schwimmunfall vom Boot eines Freundes aus am 15. Juli im Alter von 35 Jahren ums Leben gekommen. Die Umstände sind noch nicht aufgeklärt. Die Besten müssen viel zu früh gehen.

Nummer-1-Drafts der NHL und ihre WM-Einsätze

Unvergessene Eishockey-Geschichten
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
Bobby Orr entscheidet mit dem «Flying Goal» den Stanley-Cup-Final
von Ralf Meile
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
8
Ralph Krueger schreibt das wichtigste SMS der Schweizer Hockey-Geschichte 
von Klaus Zaugg
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
Deutschland verpasst die grosse Sensation, weil der Puck auf der Linie kleben bleibt
von Ralf Meile
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
1
NHL-Star Darryl Sittler stellt einen Rekord für die Ewigkeit auf
von Adrian Bürgler
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
04.01.1987: Als nach der grössten Prügelei aller Zeiten die Lichter ausgingen und ein Spiel die Eishockey-Welt veränderte
von Klaus Zaugg
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
1
16.01.1905: Nach 23 Tagen Anreise werden die Dawson City Nuggets im Stanley-Cup-Final mit 2:23 vermöbelt
von Ralf Meile
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
2
19.10.1996: Del Curto klärt seine Spieler auf: «Zum Schiri nüma ‹Fuck you› sägä, äs git zwei Minuta, hä!»
von Reto Fehr
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
24.02.2006: Neunmal das F-Wort in einer Minute – Greg Holst macht sich mit legendärem Ausraster-Interview unsterblich
von Syl Battistuzzi
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
14.05.2008: Philippe Furrer schiesst das kurioseste Eigentor der Schweizer Hockey-Geschichte
von Klaus Zaugg
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
3
10.10.1979: Ein gewisser Wayne Gretzky bestreitet sein erstes Spiel in der NHL – er wird sämtliche Rekorde pulverisieren
von Ralf Meile
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
2
18.02.2006: Die «Eisgenossen» spielen kanadischer als die Kanadier und rächen sich für eine uralte Schmach
von klaus zaugg
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
11.03.1979: NHL-Haudegen Randy Holt prügelt sich zu einem bis heute gültigen Rekord – 67 Strafminuten in einem einzigen Spiel
von Ralf Meile
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
08.04.1980: Sie wissen nicht, was sie tun, als sich zwei Schweden als erste Hockeyspieler einen Playoff-Bart wachsen lassen
von Ralf Meile
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
8
28.01.2009: Die Zürcher Löwen krönen sich zu Europas Eishockey-Königen
von Klaus Zaugg
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
24.03.1936: Im längsten Hockey-Spiel aller Zeiten fällt das goldene Tor erst im 9. Drittel – um 2.35 Uhr nachts
von Klaus Zaugg
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
28.12.1999: «La Montanara» erklingt in Berlin – Ambri krönt sich zum europäischen Champion
von Reto Fehr
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
3
31.03.2009: Nie haben wir uns mehr über ein Tor gegen die Schweizer Nati gefreut als bei Omarks Penalty-Trick
von Ralf Meile
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
22.09.2012: Rick Nash meldet sich mit einem Blitz-Hattrick in der Schweiz zurück
von Sandro Zappella
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
30.12.1981: Wayne Gretzky schafft den verrücktesten seiner Rekorde: 50 Tore in 39 NHL-Spielen
von Klaus Zaugg
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
26.12.1993: Dank Chomutow und Bykow träumt Aufsteiger Davos vom ersten Spengler-Cup-Titel seit 35 Jahren
von Philipp Reich
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
Amerikas College-Boys erlegen den russischen Bären
von peter blunschi

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
hanibal79
17.07.2018 20:53registriert März 2015
Wenn er sein Leben in seinem Sinn verwirklichen konnte, ist dies wohl mehr wert, als nach 90 langweiligen Jahren endlich einzuschlafen.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Tikkanen
17.07.2018 17:33registriert November 2014
...Chlöisu, deine Hommage an Razor ist eine wahre Perle👍🏻
Nur bei der Annahme wonach die Sens mit Tinu im Goal besiegt hätten bin ich anderer Meinung🤔Die Ducks haben damals alle Gegner platt gemacht, gegen das Duo Pronger-Scott Niedermayer in der Anaheim Defense war schlicht kein Kraut gewachsen und vorne haben Pahlsson und Rob Niedermayer die Sens Top Line Alfreddson, Spezza und Heatley zermürbt, quasi wie im unvergesslichen QF16 Tristan und Rüfi vs. Auston und seine Lotterlöwen...😎🍻
00
Melden
Zum Kommentar
2
Luxemburgerli vernaschen? Denkste! Die Nati kassiert eine ihrer bittersten Pleiten
10. September 2008: Vor dem Spiel gegen Luxemburg posiert Gökhan Inler im «Blick» lässig mit einer Handvoll Luxemburgerli. «Vernaschen» möchte er den Underdog aus dem Grossherzogtum. Doch es kommt ganz anders.
Vor dem zweiten Gruppenspiel der WM-Qualifikation 2010 für Südafrika geben sich die Schweizer optimistisch und selbstsicher. Kein Wunder, ist doch vier Tage nach dem 2:2 in Israel Fussballzwerg Luxemburg im Letzigrund zu Gast. Die Stimmung ist locker, man freut sich auf das Spiel.
Zur Story