Am Ende muss Remo Freuler die Vorarbeit nur noch verwerten. Und das tut der Mittelfeldspieler mit einem wuchtigen und zielsicheren Schuss ins rechte Eck vom serbischen Tor. 3:2 für die Schweiz! Kurz nach der Pause hat die Nati wieder alles im Griff. Dem Tor war ein hervorragender Spielzug vorangegangen. Breel Embolo profitierte dabei von einem Fehler von Serbiens Verteidiger Strahinja Pavlović, dem ehemaligen Spieler des FC Basel. Der Schweizer Stürmer schnappte sich den Ball und behauptete sich im Strafraum, bevor er zu Xherdan Shaqiri zurücklegte. Was folgte, war ein Traum.
Der 31-jährige Offensiv-Allrounder lupfte den Ball über einen Verteidiger, wo Ruben Vargas mit der Hacke zu Freuler weiterleitete. Das Ende ist bereits bekannt. Der Jubel war gross, obwohl in der 48. Minute noch niemand wusste, dass dieser Treffer die Entscheidung bringen sollte. Den Schweizer Sieg und damit den Einzug in den Achtelfinal besiegeln würde.
Denn nach dem Tor schaltete das Team von Murat Yakin vor allem in die Defensive, liess kaum noch Chancen zu. Und wenn Serbien doch mal gefährlich wurde, standen da Manuel Akanji, Fabian Schär oder auch einmal Goalie Gregor Kobel. Nach und nach verloren die Angriffe der Serben an Wucht, gingen die gefährlichsten Spieler wie Dušan Tadić, Dušan Vlahović oder Sergej Milinković-Savić vom Feld. Die zweite Halbzeit stand damit im Kontrast zu den 45 Minuten vor der Pause.
Dort waren die Serben nämlich lange gefährlicher. Zwar hätte die Schweiz beinahe einen Traumstart erlebt, als Embolo nach wenigen Sekunden allein vor Goalie Vanja Milinković-Savić auftauchte, aber an dem 25-Jährigen scheiterte. Dann kamen die Serben etwas besser ins Spiel und sorgten mit einem Pfostenschuss von Andrija Zivković für eine Schrecksekunde bei den Schweizern. Dann lag der Ball plötzlich im Tor – aber auf serbischer Seite. Nach einem schnellen Gegenstoss über Ricardo Rodriguez kam der Ball zu Djibril Sow, der den frei stehenden Shaqiri sah. Der nominelle Flügelspieler, der von den serbischen Fans zuvor bei jedem Ballkontakt ausgebuht worden war, liess sich die Chance nicht nehmen. Sein noch abgefälschter Schuss zappelte kurz darauf im Netz der Serben.
Doch im Anschluss drehte der Wind wieder. Tadić, der sich als nomineller Zehner immer wieder auf dem linken Flügel zeigte und von dort in die Mitte dribbelte, flankte in der 26. Minute punktgenau auf den Kopf von Aleksandar Mitrović, der Kobel im Schweizer Tor keine Chance liess. Und weil Shaqiri keine zehn Minuten später einen fürchterlichen Fehlpass spielte, war die Schweiz plötzlich in Rückstand und gemäss Blitztabelle ausgeschieden.
Es war wieder Tadić, der den Ball eroberte und dann in Richtung Strafraum trieb, wo er Vlahović anspielte. Freuler versuchte noch zu klären, leitete den Pass aber eher weiter, als dass er ihn wegspedieren konnte. Beim Schuss des Juventus-Stürmers hatte Kobel wieder kaum eine Chance. In dieser Phase gelang den Schweizern wenig, doch die Reaktion folgte noch vor der Pause.
Wieder war es Sow, der den Ball in der Mitte kontrollierte und seinen besser postierten Mitspieler fand. Dieses Mal war es Silvan Widmer, der auf der rechten Angriffsseite viel Platz hatte und unbedrängt vors Tor zu Embolo spielen konnte. Der 25-jährige Stürmer verwandelte wie schon gegen Kamerun sicher. So ging die Schweiz mit einem Vorteil gegenüber Serbien in die Pause und alles war gerichtet für einen erfolgreichen zweiten Abschnitt. Am Ende hätte nur noch ein weiterer Treffer zum Gruppensieg gefehlt. Dann hätte der Achtelfinalgegner nicht Portugal, sondern Südkorea geheissen.
Die Freude über den Sieg wird auch durch eine hitzige Schlussphase, in der es noch zur Rudelbildung kommt, weil Nikola Milenković den Schweizer Captain Granit Xhaka im Strafraum schupft, nicht getrübt. Beide sahen dafür die Gelbe Karte. Es war ein allgemein hart geführtes Spiel, an dessen Ende elf Spieler (vier Schweizer, sieben Serben) verwarnt wurden. Für die Schweizer hat dies aber keine Folgen für den Achtelfinal vom Dienstag. Denn weder Xhaka noch Widmer, Vargas oder Schär waren vorbestraft.
Serbien - Schweiz 2:3 (2:2)
Stadium 974, Doha. 41'378 Zuschauer. SR Rapallini (ARG).
Tore: 20. Shaqiri (Sow) 0:1. 26. Mitrovic (Tadic) 1:1. 35. Vlahovic 2:1. 44. Embolo (Widmer) 2:2. 48. Freuler (Vargas) 2:3.
Serbien: Vanja Milinkovic-Savic; Milenkovic, Veljkovic (55. Gudelj), Pavlovic; Zivkovic (78. Radonjic), Sergej Milinkovic-Savic (67. Maksimovic), Lukic, Kostic; Tadic (78. Djuricic); Vlahovic (55. Jovic), Mitrovic.
Schweiz: Kobel; Widmer, Akanji, Schär, Rodriguez; Freuler, Xhaka; Shaqiri (68. Zakaria), Sow (68. Fernandes), Vargas (83. Fassnacht); Embolo (96. Okafor).
Bemerkungen: Serbien komplett. Schweiz ohne Sommer, Elvedi und Köhn (alle krank). 11. Pfostenschuss Zivkovic.
Verwarnungen: 15. Widmer. 34. Vargas. 46. Sergej Milinkovic-Savic. 56. Pavlovic. 67. Rajkovic (nicht auf dem Feld). 81. Gudelj. 82. Mitrovic. 95. Milenkovic. 95. Xhaka. 99. Schär.
Im Parallelspiel setzten sich die Kameruner etwas überraschend gegen Brasilien durch. Vincent Aboubakar erzielte in der 92. Minute den einzigen Treffer des Spiels, und sah kurz darauf die Gelb-Rote Karte, weil er sich beim Torjubel seines Trikots entledigt hatte. Der Platzverweis bleibt aber ebenso wenig ohne Folgen, wie der Sieg der Afrikaner. Kamerun hätte nämlich auf eine Niederlage der Schweizer hoffen müssen, damit es noch zum Weiterkommen gereicht hätte.
Brasilien, das einen Grossteil seiner Stammkräfte geschont hat, bleibt aufgrund der besseren Tordifferenz vor der Schweiz und trifft im Achtelfinal am Montag auf Südkorea.
Kamerun - Brasilien 1:0 (0:0)
Lusail Iconic Stadium, Lusail. 85'986 Zuschauer. SR Elfath (USA).
Tor: 92. Aboubakar 1:0.
Kamerun: Epassy; Fai, Wooh, Ebosse, Tolo; Anguissa, Kunde (68. Ntcham); Mbeumo (64. Toko Ekambi), Choupo-Moting, Moumi Ngamaleu (86. Ngom Mbekeli); Aboubakar.
Brasilien: Ederson; Dani Alves, Bremer, Militão, Telles (55. Marquinhos); Antony (79. Raphinha), Fabinho, Fred (55. Bruno Guimarães), Rodrygo (55. Everton Ribeiro); Gabriel Jesus (64. Pedro), Martinelli.
Bemerkungen: Brasilien ohne Neymar, Alex Sandro und Danilo (alle verletzt). 93. Gelb-rote Karte gegen Aboubakar.
Verwarnungen: 6. Tolo, 7. Militão, 28. Kunde, 32. Fai, 85. Bruno Guimarães, 81. Aboubakar. (sda)