«Balkongeländer beim Barfi 10 Zentimeter zu tief» – diese Schlagzeile beschäftigt Basel. Sicherheitsvorschriften, Normen, Paragraphen sind in der Schweiz bedeutender als jeder Last-Minute-Treffer. Und deshalb die bange Frage: Kann auf dem Barfüsserplatz überhaupt eine Meisterfeier steigen?
Man stelle sich vor: Nach Jahren des Wartens wird der FC Basel endlich wieder, zum ersten Mal seit 2017, Schweizer Meister. Der Barfüsserplatz gerammelt voll, rote Pyros tauchen ihn in flackerndes Licht, eine Fussballstadt im Feiermodus. Und dann bleibt der Balkon leer – nicht wegen Regens, sondern wegen eines Reglements.
Immerhin: So weit kommt es nicht. Der Balkon des Restaurants Papa Joe's, auf dem die Mannschaft sich jeweils mit dem Pokal zeigt, wird rechtzeitig erhöht. Gemäss der Eidgenössischen Koordinationskommission für Arbeitssicherheit reichen die 90 Zentimeter Höhe nicht aus, 100 müssen es aus Sicherheitsgründen sein.
Während der Balkon notfallmässig auf Sicherheitsnorm gebracht wird, stellt sich eine ganz andere Frage: Was, wenn die Erhöhung – auf 102 Zentimeter – am Ende zu gut gemeint ist?
Xherdan Shaqiri, der Star der Mannschaft, überragt auf dem Platz alle – nur nicht das Geländer. Er misst 1,69 Meter, das ist die offizielle Angabe. Und so droht dem Offensivmotor ein selten grausames Schicksal: Er wird jubeln, tanzen, vielleicht sogar rappen – aber niemand sieht’s.
Die Ironie: Ausgerechnet der kleinste ganz Grosse der Vereinsgeschichte wird von einem Gesetz über Balkongeländer daran gehindert, gesehen zu werden. Ein tragikomisches Duell: Dribbelkönig Shaqiri kommt nicht gegen die hüftsteife Norm SIA 358 an. Frei nach Julius Cäsar: Ich kam, siegte und sah nichts.
Vielleicht reicht es, wenn XS auf die Zehenspitzen geht. Vielleicht wird er auf einen Harass steigen, den Pokal als Aussichtsturm nutzen oder sich einfach vom 1,93 m langen Finn van Breemen schultern lassen. Nur soll es der Verteidiger nicht machen wie Michael Jackson damals mit dem Baby am Hotelfenster.
Hauptsache, tout Bâle sieht Xherdan Shaqiri und Xherdan Shaqiri sieht all die vielen Fans. Denn was ist ein Meistertitel wert, wenn der Heilsbringer «fehlt»?
Am Wochenende könnte der FC Basel seinen 21. Meistertitel unter Dach und Fach bringen. Voraussetzung dafür ist ein Sieg am Samstag (20.30 Uhr) gegen den FC Lugano und dass Verfolger Servette am Sonntag (16.30 Uhr) gegen YB nicht gewinnt. Dann wäre Rot-Blau nicht mehr einzuholen.
Gewinnen beide Teams, kann in der Runde darauf alles entschieden werden. Wenn Basel am Mittwoch in Lausanne gewinnt, ist die Meisterschaft Tatsache.
Die Investition ins Geländer des Meisterbalkons könnte sich im Übrigen doppelt lohnen. Der FCB steht auch im Cupfinal, wo er am 1. Juni mit dem FC Biel auf einen Verein aus der dritthöchsten Liga trifft.
Das Double winkt also für Xherdan Shaqiri, der den Fans bei seiner Rückkehr im Sommer versprochen hatte, dass auf dem «Barfi» wieder gefeiert wird. Dass es gleich in der ersten Saison zurück in der Heimat doppelt klappen könnte, wagte wohl selbst der 125-fache Nationalspieler kaum zu träumen – geschweige denn, dass ihn dabei ein Geländer stoppen könnte.