Mittwochmittag war es endlich soweit: Joachim Löw hat sich erstmals seit dem WM-Vorrundenaus der Öffentlichkeit gestellt und seine Analyse, wie es zum schlechtesten Abschneiden einer deutschen Mannschaft in der WM-Geschichte kam, präsentiert.
Dazu gab der Nationaltrainer den Kader bekannt, der gegen Weltmeister Frankreich (6. September) und Peru (9. September) eine neue Ära einläuten soll.
Jogi Löw beruft für die Partie in der Nations League gegen Weltmeister Frankreich und das Freundschaftsspiel gegen Peru drei Debütanten in den DFB-Kader: Die beiden Verteidiger Thilo Kehrer (Paris Saint-Germain) und Nico Schulz (TSG Hoffenheim) sowie Mittelfeldakteur Kai Havertz (Bayer Leverkusen).
⚽ 🇩🇪 Das ist der Kader für die Länderspiele gegen Frankreich und Peru. #DFBPK #DieMannschaft #GERFRA #GERPER pic.twitter.com/bOdbV61WZx
— Die Mannschaft (@DFB_Team) August 29, 2018
Verzichten wird der Bundestrainer auf Sami Khedira: «Ich habe ein längeres Gespräch mit Sami geführt. Ich habe ihm erklärt, dass ich Platz für Neuerungen schaffen muss.» Imponiert hat Löw, dass Khedira ihm klar machte, dass «man aus der Nationalmannschaft nicht zurücktritt». Sollte Khedira in Zukunft mit Leistung überzeugen, stehe einer Rückkehr in die Nationalmannschaft nichts im Weg, so Löw.
Auch abseits des Kaders gibt es Personalentscheidungen: Jogi Löws bisheriger Assistent Thomas Schneider wechselt als Leiter in die Scoutingabteilung, Mannschaftsarzt Müller-Wohlfahrt steht dem DFB altersbedingt nicht mehr zur Verfügung.
Löw zeigte sich äusserst selbstkritisch. Als seinen «allergrössten Fehler» sah der Bundestrainer, dass er am «dominanten Ballbesitzfussball» festhielt. «Das war schon fast arrogant von mir», so Löw. Die Rahmenbedingungen für seine bevorzugte Spielart hätten bei der WM nicht gestimmt, er wollte sie aber nichtsdestotrotz weiter perfektionieren. «Ich habe gedacht: Wir müssen nur durch die Vorrunde kommen.»
Löw habe in seiner Analyse des «Debakels» erkannt, dass die Nationalmannschaft in Zukunft ihre Spielweise adaptieren und flexibler auftreten müsse. Teammanager Bierhoff stimmt Coach Löw in seiner Einschätzung zu: «Wir haben die WM als Selbstläufer gesehen. Wir sind zu selbstgefällig aufgetreten.»
Jogi Löw sprach von sich aus auch die Personalie Mesut Özil an: «Sein Berater hat mich am Sonntag angerufen und mir gesagt, dass er gleich den dritten Tweet absetzt und zurücktritt.» Mesut Özil habe den Bundestrainer aber nicht persönlich angerufen.
«Bis heute hat Mesut nicht mit mir gesprochen, obwohl ich mehrfach versucht habe, ihn zu erreichen. Mir ist es nicht gelungen, ihn ans Telefon zu bekommen. Er hat sich bewusst für diesen Weg entschieden.»
Auch Bierhoff hatte etwas zur Causa Özil zu sagen: «Er hat uns bereichert und dazu beigetragen, dass wir 2014 Weltmeister geworden sind.» Die Affäre um das Erdogan-Foto sei «unterschätzt und falsch eingeschätzt» worden.«Ich habe mich mit unglaublich vielen Menschen unterhalten seitdem, und habe es in meinen 30 Jahren im Profifussball nie erlebt, dass die Meinungen so weit auseinandergehen.»
Obwohl Löw drei Neue zu den kommenden Nationalspielen berufen hat, kann von Umbruch keine Rede sein. Der Bundestrainer hält weiter an Etablierten wie Neuer, Hummels und Kroos fest. Für ihn zähle die richtige Mischung aus Erfahrenen und jungen Hungrigen, so Löw.
«Kimmich, Süle, Goretzka, Draxler, Brandt, Werner und Sané sind Spieler, die länger in der Nationalmannschaft spielen werden», erklärt Löw. Diese Spieler würden in Führungsrollen reinwachsen und so weiteren jungen Spielern wie Serge Gnabry bei der Integration in die Nationalmannschaft helfen.
Sportlich will sich Löw Jürgen Klopps Liverpool als Beispiel nehmen: «Mit ihrer Ausgewogenheit und ihrer Flexibilität konnten sie an einem Tag Manchester City schlagen, die mit über 15 Punkten Vorsprung englischer Meister werden. Zu dieser Flexibilität müssen wir auch finden.» Diese Flexibilität habe der Mannschaft aufgrund seiner taktischen Ausrichtung in den WM-Partien gegen Mexiko und Südkorea gefehlt, so Löw.