FC-Zürich-Trainer Ludovic Magnin ärgerte sich nach dem Klassiker, denn seinem Team wurde beim 1:1 gegen den FC Basel ein Tor aberkannt, das eigentlich hätte zählen müssen. Stephen Odey hämmerte den Ball in der 67. Minute ins Basler Tor. Jubel auf den Rängen, dann ein Aufschrei – Schiedsrichter Alain Bieri gibt das Tor nicht. Offside. Mit grösster Wahrscheinlichkeit ein Fehlentscheid.
«Die Szene zeigt, dass in der Schweiz der Video-Schiedsrichter kommen muss», sagte Magnin nach dem Spiel. Dann fügte er an: «Aber in der Schweiz dauert es ja immer fünf Jahre länger als anderswo.»
Er irrt. Läuft alles nach Plan, dann kommt der Video-Assistant-Referee (VAR) in der Super League schon nächste Saison. Bei Liga und Verband wird derzeit mit Hochdruck an der Reform gearbeitet. Schon an der WM beobachtete eine Arbeitsgruppe um Silvano Lombardo (Chef Spielbetrieb) und Schiedsrichter-Boss Cyril Zimmermann genau. Sie klärte ab, was es alles braucht an technischem Equipment, an Personal, an Trainingseinheiten. «Daraus entstand eine Kosten-Übersicht», sagt Liga-Sprecher Philippe Guggisberg.
Die sind beträchtlich. Schon vor der Einführung dürften Liga und Verband mit Kosten von einer Million Franken und mehr konfrontiert sein. Denn die Anforderungen des International Football Board (IFAB), den Gralshütern über das Regelwerk im Fussball, sind äusserst umfangreich. Gerade auch im Hinblick auf die Ausbildung der Video-Schiedsrichter. Jeder muss vor Einführung eine bestimmte Anzahl Stunden in dieser Funktion geübt haben.
Eigens zur Schulung der Video-Schiedsrichter werden SFV und SFL Testspiele organisieren müssen, bei denen aber ein komplettes Fernseh-Produktionsteam das Spiel aufzeichnen wird, und zwar mit genau jenen Kamerapositionen, die auch in der Meisterschaft gegeben sind.
Anfänglich wird man wohl mit Juniorenmannschaften testen, dann würden offizielle Testspiele zu Ausbildungszwecken genutzt. Zudem müssen solche Tests in allen Stadien stattfinden, in denen auch gespielt wird. In der Super League sind das derzeit neun Standorte (GC und FCZ teilen sich das Stadion).
Die Vorarbeiten der Arbeitsgruppe zu den Kosten der Einführung und des allfälligen Betriebs dienen als Basis für einen definitiven Entscheid. Läuft alles nach Plan, wird dieser im November an der Generalversammlung gefällt, wo die Klubs der beiden höchsten Ligen vertreten sind.
Wer nun das Gefühl hat, dass man bis dahin die Beine hochlegt, täuscht sich gewaltig. «Im Hintergrund treibt die Arbeitsgruppe das Projekt weiter voran. Wir möchten bei einem Ja zum Video-Schiedsrichter sofort mit den Tests starten können», erklärt Guggisberg.
Ob es dann zeitlich und personell reicht, dass man den Videobeweis schon auf kommende Saison hin einführen kann, ist auch dann noch nicht klar. Genauso wie es auch bezüglich der eingesetzten Schiedsrichter noch Fragezeichen gibt. Dürfen nur Super-League-Schiedsrichter im Videoraum sitzen?
Elf Refs dürfen in der Schweiz derzeit auf höchstem Niveau pfeifen. Wird gleichzeitig gespielt, wären zehn im Einsatz, fünf auf dem Platz, fünf im Videoraum. Und wenn dann im Videoraum auch noch ein Assistent zum Zug kommen soll, wie es in der Bundesliga der Fall ist, dann wären es 15. Die Fussball-Schweiz könnte also in einen Schiri-Engpass kommen, wenn nicht zusätzliche Synergien gefunden werden oder auch Challenge-League-Schiedsrichter eingesetzt werden könnten.
Die VAR-Einführung auf die kommende Saison ist ambitiös, aber nicht unrealistisch. Sie braucht allerdings noch die Zustimmung. Es scheint also deutlich schneller zu gehen, als Magnin befürchtete. Dass danach heftige Debatten über Schiedsrichter-Entscheide wegfallen, ist auszuschliessen. Das zeigen die Erfahrungen aus Deutschland, Spanien und Frankreich.
Natürlich wird der Schweizer Fussball von diesen Erfahrungen profitieren können, zugleich ist klar, dass man eigene Erfahrungen machen muss. Sowohl was die Tauglichkeit der Refs für diese Funktion anbelangt (nicht jeder kommt gleich gut mit der Technik zurecht), als auch das Gefühl dafür, wann man intervenieren muss. Geht der Zeitplan auf, wird Magnin nächste Saison nicht mehr über das Fehlen des VAR jammern. Diskussionen über VAR-Entscheide wird er mit Sicherheit trotzdem lostreten. (aargauerzeitung.ch)