England und die Penaltyschiessen – das ist keine Liebe. Eine Fussballweisheit, die wahr ist. Seit der WM 1990 haben die Engländer von zehn Entscheidungen vom Elfmeterpunkt aus nur drei gewonnen.
Und die Schweiz? Die hat leider tatsächlich eine noch schlechtere Bilanz.
Der glorreiche Triumph über Frankreich im EM-Achtelfinal 2021 war der einzige Schweizer Sieg nach Penaltyschiessen. Die anderen vier gingen allesamt verloren – eines davon gegen England.
5 Partien, 1 Sieg, Erfolgsquote 20 %
Bei der Niederlage in der Nations League trafen mit Steven Zuber, Granit Xhaka, Manuel Akanji und Fabian Schär vier Schweizer, die auch jetzt an der EM im Kader stehen. Sie alle kennen das Gefühl, den englischen Goalie Jordan Pickford aus elf Metern zu bezwingen. Dieser Pickford nahm übrigens selber Anlauf und traf gegen Yann Sommer ebenfalls. Als einziger Schweizer verschoss damals Josip Drmic.
Für die Engländer war es damals der zweite Sieg in einem Penaltyschiessen in Folge – und damit verbunden die Hoffnung, dass der Fluch, der über den «Three Lions» lag, gebrochen ist. Denn zwischen dem Sieg gegen Kolumbien im WM-Achtelfinal 2018 und jenem im EM-Viertelfinal 1996 gegen Spanien vergingen nicht nur 22 Jahre. Es wurden auch fünf Penaltyschiessen mit englischer Beteiligung ausgetragen, die samt und sonders verloren gingen.
10 Partien, 3 Siege, Erfolgsquote 30 %
Der heutige Nationaltrainer Gareth Southgate war im EM-Halbfinal 1996 gegen Deutschland derjenige, der gegen Andy Köpke scheiterte, worauf England ausschied. Die Partie wurde im Londoner Wembley-Stadion ausgetragen, dort, wo auch die vielleicht schlimmste Niederlage nach Penaltyschiessen stattfand: Weil die Engländer 2021 im EM-Final 55 Jahre nach dem WM-Titel 1966 am gleichen Ort die Trophäe vor Augen hatten. Und am Ende zuschauen mussten, wie die Italiener mit ihr sangen und tanzten.
Von den fünf damaligen Schützen sind zwei in Deutschland dabei: Harry Kane, der Englands ersten Penalty trat und verwandelte, sowie Bukayo Saka. Sein Versuch war der letzte, wurde pariert und Englands Niederlage war besiegelt. Ob Saka gegen die Schweiz wieder antreten würde?
Es ist ohnehin schwierig vorherzusagen, welche Spieler schiessen würden, weil unklar ist, wer nach 120 Minuten überhaupt auf dem Feld steht.
Bei den Engländern dürfte Trainer Gareth Southgate kaum noch einmal seine Stars Kane und Jude Bellingham auswechseln. Bei den Schweizern könnte Murat Yakin im Verlauf der Partie Xherdan Shaqiri einwechseln, der dann sicher schiessen würde.
Selbst der renommierte englische Physiker Stephen Hawking widmete sich schon dem perfekten Penalty. Er kam zum wenig bahnbrechenden Fazit, dass ein harter Schuss der Schlüssel zum Erfolg sei, dieser müsse aber auch platziert sein, am besten in eine der oberen Ecken.
Zwischen 70 und 80 Prozent aller Penaltys werden verwertet. Die meisten werden in die untere Torhälfte abgegeben – vielleicht, weil das Risiko steigt, das Tor zu verfehlen, wenn man höher zielt.
Karriere-Bilanz 21:1
Erfolgsquote 95,5 %
Der Routinier ist der sicherste Schweizer vom Punkt. In den letzten zwei Jahren verwandelte er alle seine sechs Versuche und in Penaltyschiessen hat er ebenfalls eine 6:0-Bilanz. 2013 gewann Bayern München den UEFA-Supercup, weil Shaqiri als fünfter Schütze traf und danach Chelseas Romelu Lukaku verschoss.
Karriere-Bilanz 16:3
Erfolgsquote 84 %
Der Scharfschütze hat eine starke Bilanz und insbesondere in Penaltyschiessen ist auf ihn Verlass. Dort war Schär schon öfters der erste Schütze seines Teams. Bei neun Penaltyschiessen traf er nur einmal nicht: beim EM-Aus 2021 gegen Spanien.
Karriere-Bilanz 27:6
Erfolgsquote 82 %
In den letzten zwei Saisons schoss Rodriguez keinen Penalty. In der Nati vergab er im EM-Achtelfinal 2021 gegen Frankreich in der regulären Spielzeit einen Penalty. Danach trat er weder gegen die Franzosen noch im Spiel darauf gegen Spanien an.
Karriere-Bilanz 19:6
Erfolgsquote 76 %
Sollte der Walliser auf dem Platz stehen vor einem allfälligen Penaltyschiessen, würde er wohl einer der Schweizer Schützen sein. In dieser Saison lautet seine Bilanz beim FC Toulouse 6:1, einer dieser Treffer war einer im Penaltyschiessen eines Cupspiels.
Karriere-Bilanz 7:0
Erfolgsquote 100 %
Der Stürmer traf in dieser Saison aus elf Metern für Burnley gegen Manchester United. Für den FC Basel war Amdouni in einem Penaltyschiessen erfolgreich.
Karriere-Bilanz 10:1
Erfolgsquote 91 %
In diesem Frühling wurde er mit Ludogorez Rasgrad bulgarischer Meister. Zum Titel steuerte Duah zwei Penaltytore bei, er traf zudem als erster Schütze beim Gewinn des Supercups im Februar.
Karriere-Bilanz 7:2
Erfolgsquote 78 %
Der Captain war beim Aus an der EM 2016 gegen Polen der einzige Schweizer, der nicht traf. Seither schoss Xhaka nicht mehr oft Penaltys. Er traf 2018 in einem Testspiel gegen Panama und 2019 im Nations-League-Penaltyschiessen gegen England.
Karriere-Bilanz 5:5
Erfolgsquote 50 %
In Elfmeterschiessen trat Zuber zwei Mal an: Für GC in einem Cup-Spiel gegen Schaffhausen verschoss er, für die Nati traf er als erster Schütze im Nations-League-Duell mit England.
Karriere-Bilanz 2:1
Erfolgsquote 66 %
Der Verteidiger lief bei allen drei Penaltyschiessen der Nati in den vergangenen Jahren an. Gegen England und gegen Frankreich traf er, gegen Spanien nicht.
Karriere-Bilanz 2:1
Erfolgsquote 66 %
Als junger Spieler traf er für Luzern im Penaltyschiessen eines Cupspiels. Für die Nati traf er an der letzten EM zuerst gegen Frankreich, ehe sein Fehlschuss gegen Spanien das Ausscheiden besiegelte.
Karriere-Bilanz 4:2
Erfolgsquote 66 %
Der Stürmer verwandelte seinen einzigen Versuch in einem Penaltyschiessen. Das war für die AS Monaco, für die Nati lief Embolo in der Kurzentscheidung noch nie auf.
Bei Penaltys während einer Partie musste Yann Sommer 79 Mal hinter sich greifen, 16 Mal durfte der Schütze nicht jubeln. Gibt eine Abwehrquote von 17 Prozent.
Mit Klubs und Land bestritt Sommer zehn Penaltyschiessen. Nur einmal bezwangen ihn alle Schützen: Das war ausgerechnet in der Nations League gegen England. Seine Erfolgs-Bilanz bei Penaltyschiessen lautet 13:38, gibt eine Abwehrquote von 25,5 Prozent. Heisst also: In der Kurzentscheidung lässt die Schweizer Nummer 1 weniger Schüsse ins Netz als bei laufendem Spiel.
Sein Gegenüber im englischen Tor heisst Jordan Pickford. Der Keeper des FC Everton hat eine schwächere Abwehrquote als Yann Sommer: Von 62 Penaltys während des Spiels gingen nur acht nicht rein. Pickfords Abwehrquote ist damit 13 Prozent.
In Penaltyschiessen stand Pickford für Klubs und Nationalteam je drei Mal zwischen den Pfosten. Seine Erfolgs-Bilanz lautet 8:25, was zu einer Abwehrquote von 24 Prozent führt.
Dass sowohl Sommer wie auch Pickford in Penaltyschiessen die bessere Bilanz haben, lässt sich erklären. Einerseits durch den höheren Druck, den alle Schützen haben. Andererseits dadurch, dass während eines Spiels in der Regel ein Penalty-Könner anläuft, derweil in Penaltyschiessen auch Akteure an den Punkt schreiten müssen, die im Alltag keine Elfmeter treten.
Es ist Murat Yakin durchaus zuzutrauen, dass er vor einem Penaltyschiessen in die Trickkiste greift – und Yann Sommer durch Gregor Kobel ersetzt. Nicht unbedingt, weil der BVB-Goalie der grössere Penaltykiller wäre: Seine Bilanz aus dem Spiel liegt bei 9:37, die Abwehrquote damit bei 19,5 Prozent, und ein Penaltyschiessen hat Kobel noch nie bestritten. Aber wissen das die englischen Schützen? Der Boss-Move soll primär den Gegner verunsichern.
2014 klappte das an der WM. Damals ersetzte der niederländische Bondscoach Louis van Gaal im Viertelfinal gegen Costa Rica in der 121. Minute seinen Goalie Jasper Cillessen durch Tim Krul. Mit zwei gehaltenen Penaltys wurde dieser zum Matchwinner und van Gaal wurde für seine Kühnheit gefeiert.
(Datenquelle: transfermarkt.ch)