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Auf den Spuren des französischen Superstars Paul Pogba – ein Besuch in Roissy-en-Brie

Paul Pogba verkörpert die neue französische Generation.
Paul Pogba verkörpert die neue französische Generation.
Bild: Laurent Argueyrolles/freshfocus

Auf den Spuren des französischen Superstars Paul Pogba – ein Besuch in Roissy-en-Brie

Paul Pogba gilt als grosser Star der Equipe de France. Ein Hoffnungsträger einer ganzen Nation. Er soll Frankreich den EM-Titel schenken. Doch wo kommt er eigentlich her? Ein Besuch in Roissy-en-Brie, wo der Superstar das Fussballspielen erlernt hat.
10.06.2016, 17:3110.06.2016, 17:47
Markus Brütsch / Nordwestschweiz
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Sambou Tati wird heute Abend nicht im Stade de France sitzen. «Ich gehe nicht mehr hin, selbst wenn mich Paul wieder einmal einladen würde», sagt Tati. Am 13. November war er noch hingegangen. An jenem Abend, als vor dem Stadion und anderen Orten in Paris die Bomben explodierten.

Pogba und Kollegen bei den Vorbereitungen im Stade de France – heute ist das Eröffnungsspiel gegen Rumänien.
Pogba und Kollegen bei den Vorbereitungen im Stade de France – heute ist das Eröffnungsspiel gegen Rumänien.
Bild: GEORGI LICOVSKI/EPA/KEYSTONE

«Ich werde mir die Spiele zusammen mit Freunden und einem Bier am Fernsehen anschauen», sagt Tati. «Ich bin sicher, wir werden einen grossartigen Paul erleben, der uns zum Titel führt.»

«In seine alte Heimat ist Paul aber schon lange nicht mehr gekommen. Es fehlt ihm dafür die Zeit»
Sambou Tati, Präsident von US Roissy-en-Brie

Zwei Tage vor dem Beginn des EM-Turniers ist Tati im Stade Paul Bessuard auf einer Bank gesessen und hat aus der Zeit erzählt, während der Paul Pogba bei der US Roissy-en-Brie das Fussballspielen erlernt hatte. Bei diesem Verein wo Sambou Tati seit 14 Jahren Präsident ist.

Er hat geschildert, wie er weiterhin den Kontakt zum Juventus- und angehenden Weltstar pflegt und von diesem im letzten Frühjahr nach München zum Champions-League-Spiel gegen die Bayern eingeladen worden sei. «In seine alte Heimat ist Paul aber schon lange nicht mehr gekommen. Es fehlt ihm dafür die Zeit», sagt Tati.

«Wir alle sind sehr stolz auf Paul. Er hat bei uns das Fussballspielen erlernt und wird eine ganz grosse Karriere machen.»
Wirt in Roissy-en-Brie über den französischen Youngster

Der Stolz einer Stadt

Die Anfahrt nach Roissy-en-Brie von Paris aus dauert mit dem Zug eine Dreiviertelstunde. Ein Rundgang durch die zum Département Seine-et-Marne gehörende Gemeinde mit 23 000 Einwohnern ergibt das Bild einer gepflegten Kleinstadt mit einem historischen Rathaus und einem schönen Park. Im Restaurant «Chez Faty» ist alles für die EM vorbereitet, die Flaggen der Teilnehmer schmücken die Bar.

Der Wirt, der einem Gast grosse Würste mit Linsen serviert, sagt: «Wir alle sind sehr stolz auf Paul. Er hat bei uns das Fussballspielen erlernt und wird eine ganz grosse Karriere machen.»

Im Moment zirkulieren die wildesten Gerüchte. Es heisst, Zinedine Zidane wolle seinen Landsmann unbedingt bei Real Madrid sehen. Aber auch Barcelona, die Klubs aus Manchester, die City und die United, sollen um den Mittelfeldspieler buhlen. José Mourinho sei besonders scharf auf den 23-Jährigen, 1.90 Meter grossen Jungstar. Doch ob dieser ins Old Trafford zurückkehren will, nachdem er 2012 vor Alex Ferguson geflüchtet ist?

Drei Minuten zum Geniessen

Tore und Tricks von Paul Pogba.
YouTube/Lorenzo Faraoni

Drei Jahre zuvor war er von Le Havre kommend in die Akademie der Red Devils eingetreten und hatte den Sprung zu den Profis geschafft. Doch eingesetzt wurde er kaum, in der Premier League nur drei Mal.

Pogba war frustriert und Ferguson auch, weil der Junge zu wenig Geduld hatte. Für einen Klacks von drei Millionen wechselte dieser dann vor vier Jahren zu Juventus und wurde mit den Bianconeri viermal Meister. «Wir fragten uns, ob Manchester blind sei», sagte Juve-Goalie Gianluigi Buffon.

«Er ist der Mittelfeldspieler der Zukunft. Sein Talent ist der Wahnsinn.»
Stephan Lichtsteiner über Pogba

Zweifel an Pogbas Qualitäten hat ausser Ferguson bisher niemand gehabt. Im Nationalteam ist er unter Didier Deschamps zum wichtigsten Spieler geworden. «Er ist der Mittelfeldspieler der Zukunft. Sein Talent ist der Wahnsinn. Ich kann mir gut vorstellen, dass er mal den Ballon d’Or gewinnen wird», sagte sein Schweizer Teamkollege bei Juve, Stephan Lichtsteiner. Pogbas Berater Mino Raiola sagt, wenn er sehe, dass Real Madrid für Bale 97 Millionen Euro bezahlt habe, dann sei Paul 200 Millionen wert. Letztlich wird er für 80 bis 100 Millionen wechseln.

Ein Markenzeichen von Pogba: Seine speziellen Frisuren.
Ein Markenzeichen von Pogba: Seine speziellen Frisuren.
Bild: Darren Staples/REUTERS

Sambou Tati sagt: «Das wäre für uns ein Sechser im Lotto.» Bisher hat die US Roissy-en-Brie finanziell an den Transfers von Pogba, zuerst zu Torcy, dann zu Le Havre, ManUnited und schliesslich zu Juve, durch Ausbildungsentschädigungen nur marginal profitiert. «Wir erhielten 18 000 Euro. Das entspricht etwa unserem Budget», lacht der 44-jährige Tati, der auf der Gemeinde einen Bürojob bekleidet, «Bei einem grossen Wechsel könnten für uns aber 300 000 Euro herausspringen.» Tati schlägt die Hände vors Gesicht.

«Wir erhielten 18 000 Euro. Bei einem grossen Wechsel könnten für uns aber 300 000 Euro herausspringen.»
Sambou Tati über die Transfermodaliäten von Paul Pogba

Auch die beiden älteren Brüder von Pogba haben hier angefangen. Heute spielt Florentin für Saint- Etienne, Mathias in Schottland für Partick Thistle. Beide treten für Guinea an, das Heimatland der Eltern. Paul war vor fünf Jahren zum ersten Mal dort. «Seither werfe ich kein Essen mehr weg und rege mich nicht mehr über Kleinigkeiten auf», hat er in einem Interview gesagt.

Neben den Pogbas stammt auch Nicolas Isimat-Mirin, eben mit Eindhoven Meister geworden, aus dem Nachwuchs der US Roissy-en-Brie. «Und zwei Junioren sind vom PSG aufgenommen worden», sagt Tati stolz.

«Klar kenne ich Pogba. Er ist doch das Idol von uns allen hier!»
Yves (6) spielt bei US Roissy-en-Brie

Den Ball nie abgeben

Jetzt auf

Er erinnert sich, dass Paul Pogba eigentlich ein pflegeleichter Junge war, den Ball aber nie abgespielt habe. «Doch er hat schon damals die Differenz ausgemacht. Wenn ihm oder den Kollegen etwas misslang, konnte er fürchterlich wütend werden», sagt Tati. «Das Kopfballspiel hat er nie gemocht, er wollte immer nur dribbeln.» Sechs Jahre lang ist Pogba hier gewesen; solange wie noch bei keinem Klub bisher. «Wir haben etwa 500 Junioren und hervorragende Trainer», sagt Tati. Die erste Mannschaft spiele in den unteren Ligen des Amateurfussballs keine grosse Rolle.

Ganz Frankreich will Pogba und Co. an der EM jubeln sehn.
Ganz Frankreich will Pogba und Co. an der EM jubeln sehn.
Bild: Alain Mounic/freshfocus

«Wir konzentrieren uns ganz auf den Nachwuchs.» Dieser ist den ganzen Nachmittag über in der Grösse einer Hundertschaft über die Plätze gewieselt. Jetzt aber ist das Training der Kleinen beendet, die Grossen warten, und der sechsjährige Yves ist auf dem Weg in die Kabine. «Ob ich Pogba kenne?» Was für eine Frage. «Er ist doch das Idol von uns allen hier!» 

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