Drei Spiele, drei Niederlagen. Was ist aus dieser Schweizer Nati geworden, die uns noch im Sommer mit ihren Darbietungen an der EM verzückt hat? Wir benennen die zwei Hauptprobleme.
EM und WM finden nur alle zwei Jahre statt. Dazwischen ist Alltag. In dem muss sich die Mannschaft für die Turniere qualifizieren. Und sollte bei Fans, Medien und Sponsoren positiv im Gespräch bleiben. Es ist durchaus erlaubt, auch mal mit Rückenwind an ein Turnier zu reisen – und nicht wie zuletzt im vergangenen Sommer begleitet von Grundsatzfragen und wenig Kredit.
Das ist die Sichtweise von aussen. Und in der Teppichetage des Fussballverbands. Diese ist besorgt um das Ansehen und die Finanzen des Schweizer Fussballs. Seit Gründung der Nations League spielt die Nati in der Liga A – verbunden mit fetten Antrittsprämien: Dieses Jahr gibt es rund 2,3 Millionen alleine fürs Mitmachen. In der Liga B wären es eine halbe Million weniger. Und unattraktivere Gegner, die weniger Publikum anziehen. Keine Perspektive im Sinn des SFV, der sich wegen schwindendem Eigenkapital einen strengen Sparkurs verschrieben hat.
Die Spieler werten wohl anders: Ist keine EM oder WM, kommt erst der Klub. Und dann die Nationalmannschaft. Der brutale Konkurrenzkampf in den Topligen, der immer enger getaktete Spielplan: Da bedeuten die Reisen zur Nati, bei denen für die Stammspieler nicht viel mehr als Prestige auf dem Spiel steht, zwar ein nettes Wiedersehen, aber halt auch eine zusätzliche Belastung.
Eine Verletzung? Fürchten Akanji und Co. wohl mehr als eine Niederlage gegen Serbien. Apropos Akanji: Sein liederliches Zweikampfverhalten beim zweiten Treffer der Serben durch Aleksandar Mitrovic steht für die teilweise fehlende Ernsthaftigkeit. Würde sich Akanji im Dress von Manchester City auf diese Art abkochen lassen, würde er von Trainer Guardiola einen Denkzettel verpasst bekommen.
«Eine EM und die Nations League kann man nicht vergleichen», lautete nach dem 0:2 in Serbien die Antwort auf die Frage, wo seit dem Sommer Freude, Esprit und Form liegengeblieben seien. So richtig zu beissen hat man an der dritten Niederlage in Folge und den insgesamt acht Gegentoren nicht.
Die Zahlen lügen nicht: Seit Sommer 2023 hat die Nati 13 «Alltagsspiele» absolviert, also Test-, Qualifikation- oder Nations-League-Partien. Dabei gab es neben vier Niederlagen und sechs Remis gerade mal drei Siege: gegen Andorra (EM-Quali), Irland und Estland (beides Testspiele). Zum Vergleich: Von den fünf Spielen im Scheinwerferlicht der Europameisterschaft 2024 hat die Nati zwei gewonnen und keines verloren (Niederlagen im Penaltyschiessen zählen statistisch nicht als Niederlage).
Man kann diese Diskrepanz verständlich finden. Man kann aber auch finden: Liebe Nationalspieler, bitte etwas mehr Ernsthaftigkeit im Alltag.
Natürlich ist die Schweizer Nati noch immer gut genug, um Gegner wie Dänemark oder Serbien zu bezwingen. Aber sie ist eben nicht so gut, dass ihr das en passant gelingt.
Aber wie gut ist diese Nati tatsächlich? Serbien und Dänemark haben keine defensive Achse von der Güteklasse, wie sie die Schweiz hat. Gregor Kobel gehört auf der Goalie-Position zur erweiterten Weltspitze, Manuel Akanji wohl zu den zehn besten Innenverteidigern der Welt und nur ganz, ganz wenige Mittelfeldstrategen begegnen Granit Xhaka auf Augenhöhe.
Obwohl wir eine defensive Achse von höchster Güteklasse haben, kann man nicht mal behaupten, die Schweiz hätte in der Abwehrarbeit alles im Griff. Im Gegenteil: Acht Gegentore in den letzten drei Nations-League-Partien sind ein kläglicher Wert. Hinter dem Trio Kobel, Akanji und Xhaka klafft punkto Qualität auf allen Positionen noch eine ziemlich grosse Lücke.
Nico Elvedi scheint seit zwei, drei Jahren nur noch Rückschritte zu machen. Nicht umsonst ist er nie vom inzwischen grauen Mönchengladbach weggekommen. Ricardo Rodriguez ist zwar in der Nati noch immer meist verlässlich, aber nicht mehr. Und was die Aussenverteidiger betrifft, hat die Schweiz ein ernsthaftes Problem. Silvan Widmer ist der einzige, den man mit gutem Gewissen auf diesem Niveau einsetzen kann. Alle anderen sind Not- oder Übergangslösungen. Und selbst Widmer ist nun schon länger nicht mehr in bester Form.
Im Mittelfeld ist Remo Freuler meist dann gut, wenn auch die Mannschaft gut ist. Denis Zakaria, welch Mysterium, hat zwar alle Fähigkeiten eines dominanten Box-to-Box-Spielers. Aber er ist häufig nicht mal dann gut, wenn die Mannschaft gut ist. Fabian Rieder könnte vielleicht mal die Rolle eines Strategen übernehmen. Aber dafür braucht er mindestens eine Saison als Stammspieler in einer Topliga. Das gleiche gilt für Ardon Jashari, der einen etwas weiteren Weg vor sich hat als Rieder.
Und vorne? Da sind die Probleme fast so gross wie bei den Aussenverteidigern. Sicher, Dan Ndoye hat herausragende Talente, die unsere Fantasie anregen. Nur zählt das Toreschiessen noch nicht dazu. Ähnlich der Fall von Ruben Vargas. Auch er dribbelstark, schnell, eifrig, unberechenbar. Aber eben auch zu wenig effizient. Weshalb er nun schon seit über vier Jahren in Augsburg festhängt.
Aber bei keinem Spieler klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie bei Breel Embolo. Als der heute 27-jährige Stürmer im März 2015 in der Nati debütierte, spielte der zwei Jahre ältere Akanji noch in der Challenge League. Entsprechend gross war der Hype um Embolo. Doch diesem ist er bis dato nicht ganz gerecht geworden.
Nur einmal gelangen ihm in den letzten acht Jahren mehr als zehn Liga-Treffer in einer Saison. Zuletzt wurde Embolo bei Monaco sogar ein 18-jähriger Nigerianer namens George Ilenikhena vorgezogen. (aargauerzeitung.ch)