Marco Streller hat Schweissperlen auf der Stirn. Das weisse Hemd ist feucht. Die Hitze in Neuenburg ist sicherlich verantwortlich dafür. Aber nicht nur sie. Streller weiss, dass er gleich in die Mangel genommen wird.
Nach zwei Tagen eisernen Schweigens seitens des Vereins warten so viele Journalisten wie selten nach einem Liga-Spiel auf den Sportchef des FC Basel – mit noch zahlreicheren Fragen, die sich seit der Entlassung von Raphael Wicky und der Kommunikationsverweigerung angestaut haben.
Streller quittiert die erste Frage gewohnt mit einem flapsigen Spruch. Aber er kann nicht verbergen, dass die vergangenen Tage strapaziös waren. Streller war gemeinsam mit FCB-Präsident Bernhard Burgener Projektionsfläche sämtlicher Kritik mit Inhalten wie: Streller hätte entlassen gehört. Er sei es, der keine Ahnung habe. Er sei es, der den FCB gegen die Wand fahre.
Das sagt @FCBasel1893-Sportchef Marco Streller zur Entlassung von Trainer Raphael Wicky. #SuperLeague #srffussball pic.twitter.com/vH3btgY7O1
— SRF Sport (@srfsport) 28. Juli 2018
«Das war teilweise grenzwertig, aber sicher auch selbst verschuldet», sagt er nun. «Wir haben durch das Schweigen Angriffsfläche geboten, das war uns bewusst. Das haben wir getan, damit die Mannschaft sich in Ruhe vorbereiten kann.» Und ob die Kritik weniger gross gewesen wäre, wenn der FCB nicht geschwiegen hätte, «weiss ich nicht».
Streller spürt, dass er angezählt ist. Er sagt, dass er sich nur verteidigen könnte, wenn er Wicky angreifen würde. «Aber das werde ich nie tun.» Er sagt auch, dass er wisse, wie stark er hinterfragt werde. Und er wisse, die Mechanismen des Geschäfts funktionieren. «Deshalb muss die nächste Patrone sitzen.» Doch zuvor muss er erklären, wieso die erste zu einem Fehlschuss führte – und wann sich das abzuzeichnen begann.
«Erste Zweifel kamen nach dem 0:5 gegen Feyenoord auf. Da stand kein junges Team auf dem Platz, sondern erfahrene Spieler. Dann haben wir uns gefragt: Funktioniert das noch?» Die komplette Technikkommission habe sich in der Folge entschieden, Wicky noch zwei Chancen zu geben: das Startspiel gegen St.Gallen und jenes gegen PAOK Thessaloniki.
Es setzte zwei 1:2-Niederlagen ab. «Also sind wir zum Schluss gekommen, dass wir nicht mehr das hundertprozentige Vertrauen haben und die Reissleine ziehen müssen.» Am Mittwochabend habe man Alex Frei gefragt, ob er einspringen möge. Am Morgen darauf wurde der Entscheid definitiv gefällt. Dann informierte Streller Raphael Wicky und dessen Assistenten Massimo Lombardo. Wicky sei geschockt gewesen, und enttäuscht. Weil er sicher gewesen sei, dass er das Ruder hätte rumreissen können. Die Führung aber war dies nicht.
Auch wenn Streller beteuert, Zweifel erst nach dem Feyenoord-Spiel gehabt zu haben, lässt eine weitere Aussage anderes vermuten: «Ich glaube, wenn wir nicht so eine unglaubliche Champions-League-Kampagne gespielt hätten, dann hätte man in den ersten drei, vier Wochen nach dem Rückrundenstart eventuell anders reagiert.» Es scheint also, als habe das Vertrauen damals, als der FCB aus acht Spielen nur zwei hatte siegreich bestreiten können, schon zu bröckeln begonnen. Oder wie Streller es sagt: «Ich war immer sehr nahe bei Raphi. Wenn man dann aber merkt, dass diese Energie nicht mehr da ist, dann muss man einen Schlussstrich ziehen.»
Nach den Erläuterungen Strellers stellt sich die Frage umso mehr, wieso die Reissleine nicht nach Saisonende gezogen wurde. Denn es ist nicht nur die Verbindung zwischen Trainer und Sportchef, die verloren gegangen ist. Auch auf dem Platz ist die Energie verflogen: Sinnbildlich dafür steht das 1:1 gegen Xamax, über das Streller sagt: «Wir waren nach 70 Minuten kaputt. Es hat mich nachdenklich gestimmt, dass die Mannschaft nicht auf der Höhe war.»
Hier kommen die FCB-Stimmen nach dem 1:1 gegen @XamaxFCS.#FCBasel1893 #zämmestark #rotblaulive pic.twitter.com/AgDWNpoREq
— FC Basel 1893 (@FCBasel1893) 28. Juli 2018
Es scheint fast, als hätte der FC Basel im Moment in allen Belangen seine Energie verloren. Und auch jene fast mystische Aura der Unzerstörbarkeit, die ihn jahrelang umgeben hatte. Die den Verein zu dem machte, was er war.
Sinnbildlich dafür steht Streller selbst. Mit immer grauer werdendem Haar, mit absolut nachvollziehbaren Aussagen, dass es auch ihm nicht super geht. Dass der Druck natürlich nicht klein sei – auf ihn und diesen Verein, der eben anders sei als jeder andere in der Schweiz.
Streller sagt dies mit Schweiss auf der Stirn. Vielleicht ausgelöst von einem Anflug von Angst. Streller weiss, dass er schon viele Fehler begangen hat und der nächste für ihn der eine zu viel sein wird. Das schwächste Glied, der Trainer, ist weg. «Und das zweitschwächste», sagt Streller selber: «Das ist der Sportchef.»