Beharrlich ist er ja, dieser Erik ten Hag. Nach der 0:3-Pleite gegen Liverpool Anfang September erklärte der Niederländer: «Ich bin nicht Harry Potter.» Er benötige Zeit, um das Team mit den teuren Neuzugängen vom Sommer besser zu machen. «Wir werden sehen, wo wir am Ende der Saison stehen werden.» Ausserdem verwies er auf die beiden Cup-Titel, die Manchester United in seinen zwei Jahren gewonnen hat.
Vier Wochen später muss sich ten Hag erneut rechtfertigen. Am Sonntag verlor ManUnited 0:3 gegen Tottenham – Fans und Experten sind sich einig, dass es der schlechteste Auftritt der Red Devils seit Langem war. Vereinslegende Gary Neville bezeichnete die erste Halbzeit, als United mit nur einem Gegentreffer noch gut bedient war, als «abscheulich». Mit Jamie Redknapp sprach ein weiterer Sky-Experte von einem peinlichen Auftritt und von einem neuen Tiefpunkt unter ten Hag.
Dabei hatte Starspieler Bruno Fernandes erst in der 42. Minute Rot gesehen und sein Team damit zumindest bis zur Pause keine Ausrede für eine solch schlechte Leistung. Für den englischen Rekordmeister wird es also immer schlimmer. Und doch sagt der 54-jährige Trainer weiterhin: «Wir brauchen Zeit.»
Ten Hag versicherte, dass er und die Vereinsführung sowie die Spieler weiterhin am selben Strang ziehen würden. Als Beweis für die Einigkeit zwischen ihm und dem neuen Entscheidungsträger Sir Jim Ratcliffe führte er an, dass sein Vertrag im Sommer bis 2026 verlängert wurde. Zuvor hätten sie gemeinsam einen Plan gefasst, wie der Klub wieder zum Erfolg geführt werden könnte. Doch eben: Das gehe nicht von heute auf morgen.
Damit hat ten Hag natürlich recht. Das sehen angeblich auch die Verantwortlichen so. So solle ten Hag mindestens bis zur Länderspielpause eine Jobgarantie haben. Am Donnerstag in der Europa League in Porto sowie am Sonntag beim Ligaspiel bei Aston Villa wird ten Hag also noch an der Seitenlinie stehen. Dies liege auch an der Abfindung von über 20 Millionen Euro, die im Falle einer Entlassung wohl fällig wäre.
Doch wie lange kann Manchester United noch an seinem Trainer festhalten? Es ist nach wie vor kein Fortschritt zu erkennen. Die Spieler machen immer wieder dieselben Fehler und der Trainer scheint sie mit seiner Taktik weder davor zu bewahren, noch sie wirklich zu unterstützen. Sowohl bei Tottenhams Führungstreffer als auch beim 1:1-Ausgleich von Twente in der Europa League konnte ein Gegenspieler einfach durch die einzelnen Linien von United durchrennen.
Nach dem Unentschieden gegen die Niederländer stimmte ten Hag zu, dass der Aussenseiter den Erfolg schlicht mehr wollte. Eine ungewöhnliche Aussage, nach der eigentlich eine Reaktion zu erwarten wäre. Doch diese blieb am Wochenende aus. Trotzdem zeigte sich ten Hag auf die Frage, ob das Team ihm noch zuhöre, sicher: «Ja! Aber natürlich sollte ein solches Tor nicht noch einmal passieren, wenn wir es so deutlich ansprechen.»
Das Auf und Ab, die immer gleichen Fehler und die gesamthafte Stagnation ziehen sich bereits durch die ganze Amtszeit von Erik ten Hag, der im Sommer 2022 mit vielen Vorschusslorbeeren von Ajax Amsterdam gekommen ist und für dessen Wunschspieler wie Antony (95 Mio. Euro), Lisandro Martinez (57 Mio. Euro) oder Rasmus Höjlund (74 Mio. Euro) viel Geld ausgegeben wurde. Dennoch steht Manchester United nach sechs Spieltagen mit sieben Zählern auf Platz 13 der Premier League.
Noch bekommt ten Hag die Chance, das rote Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Sollten auch die Auftritte in Porto und bei Aston Villa erfolglos verlaufen, dürfte ten Hags Bitte nach mehr Zeit kaum noch auf offene Ohren stossen. Denn irgendwann läuft gerade im Fussballgeschäft jede Uhr ab.