Afrikanisch ins Stadion: Ein unfassbarer Spiessrutenlauf in 31 Etappen
Fussball-Stadien in Afrika füllen sich normalerweise erst während der Partie. Ich weiss jetzt warum. Meine Odyssee zum Spiel Ghana – Uganda in Port-Gentil. Soviel sei verraten: Einer der Höhepunkte war ein Taxi, dem das Benzin ausging.
Die Stadien am Afrika-Cup füllen sich jeweils erst während der Partie. Seit heute weiss ich ganz genau, warum. Denn erst geniesse ich den Tag in Port-Gentil am weissen Strand im Norden der Stadt:
Um 16 Uhr bin ich zurück in der Unterkunft. Eine Stunde bleibt bis zum Anpfiff der Partie. Am Tag vor dem Spiel legte ich die Strecke im Taxi in 15 Minuten zurück. Easy. Ha! – falsch gedacht. Eine Odyssee.
1. Sich eine Stunde vor Matchbeginn auf den viertelstündigen Weg machen.
2. An der Kreuzung ein Taxi Richtung Stadion herbeiwinken.
3. Einsteigen. Und erfahren, dass die einzige Strasse zum Stadion weiträumig gesperrt ist. Aber: Es fahren Gratis-Shuttlebusse für Fans ab der Sperre. Distanz zum Stadion: ca. 10 Kilometer.
4. Aussteigen, laufen und versuchen, den erwähnten Gratisbus zu erwischen. Das sieht dann etwa so aus:
Unterwegs zum Stadion.Video: streamable
4. Aufgeben, den Bus zu erwischen, denn jedes Mal platzt der aus allen Nähten und das Chaos ist endlos. Gefühlt will (mindestens) ganz Port-Gentil zum Stadion. Darum: weiterlaufen.
5. Sich fragen, ob man vielleicht doch auf so einen Pick-up soll:
6. Die Vernunft siegen lassen und weiterlaufen.
7. Plötzlich doch ein Taxi finden. Man weiss nicht genau, warum dieses durch die Absperrung kam. Egal. Die Rückbank ist auch schon mit drei (breiten) Männern besetzt. Aber der Fahrer schreit: «3000 Francs au Stade» (rund 5 Franken). Den – für hiesige Verhältnisse – Mondpreis bezahlen und dem netten Fan im Mali-Shirt auf den Schoss sitzen.
8. Das Taxi hat kein Benzin mehr. Ohne Scheiss. Ich muss es wiederholen: Das. Taxi. Hat. KEIN. Benzin. Mehr! KEIN BENZIN! Herrgott.
9. Der Taxifahrer kennt zufällig an der Strasse jemanden, der normalerweise genau hier Benzin, abgefüllt in Flaschen, verkauft.
watson am Afrika-Cup
Reto Fehr besucht für watson seinen dritten Afrika-Cup. Nachdem mit der Einreise alles geklappt hat, ist klar: Es wird in den nächsten drei Wochen in unregelmässigen Abständen Berichte aus Gabun geben. Dabei soll der Fussball nicht immer im Vordergrund stehen. Hier geht es zur gesamten Story-Sammlung aus Gabun.
10. Heute hat er leider keine Rose kein Benzin für uns.
11. Aussteigen – aber immerhin nur 2000 Francs (rund 3 Franken) bezahlen, denn es hat ja leider nicht bis zum Stadion gereicht. Es fehlen vielleicht noch 7 Kilometer.
12. Sich vergewissern, dass hier nirgends eine versteckte Kamera läuft.
13. Laufen. Und sich aufregen. Ich meine: Ein Taxi, dem das Benzin ausgeht …
14. Dieses Foto schiessen und glücklich sein, dass man nur zum Stadion laufen und nicht so wohnen muss.
Wie gross können meine Probleme schon sein, wenn ich denke, dass hier Menschen so hausen müssen.bild: Watson.
15. Eine ca. 40-Jährige Frau mit ihren beiden Töchtern schliesst zu mir auf. Sie sagt: «Du hast so schöne blaue Augen. Ich bin noch nie neben blauen Augen gelaufen.»
16. Sich freuen.
17. Weiterlaufen, das Stadion noch nicht sehen und die Hoffnung aufgeben, jemals wenigstens zur zweiten Halbzeit im Stadion zu sein. Sich ärgern, dass in diesem Afrika nichts, aber auch gar nichts funkti…
18. Plötzlich fährt ein Taxi vorbei – mit unter anderem zwei Schweizer Kollegen drin. Sie erkennen mich und halten an.
19. Wieder sitzen schon drei Männer hinten auf der Rückband, dieses mal aber Schmalspurigere. Sich reinquetschen.
20. Sich sicher sein, dass das Schicksal war.
21. Schwören, ab jetzt jeden Sonntag in die Kirche zu gehen.
22. Bei der zweiten Sperre versuchen, das Taxi dank der Journalisten-Akkreditierung durchzumogeln.
23. Erkennen, dass der Militärtyp mit seiner Knarre keinen Spass versteht und gezwungen werden, aus dem Taxi zu steigen.
24. Das mit dem sonntäglichen Kirchgang nochmals überdenken.
25. Den letzten Kilometer laufen.
26. Im Mediencenter erfahren, dass – wohl erstmals seit Menschengedenken – alle Journalistenplätze an einem Vorrundenspiel des Afrika-Cups vergeben sind. Mit anderen Worten: Wir kommen nicht ins Stadion.
27. Trotzdem ins Stadion kommen, weil das Medienticket eines anderen Spiels in einer anderen Arena doch irgendwie gilt. Oder zumindest nicht genau genug kontrolliert wird.
28. 13 Minuten nach Anpfiff im Stadion sitzen.
Nach 75 Minuten Weg – normalerweise dauert dieser deren 15 – im Stadion ankommen.
29. Das 1:0 Ghanas in der 32. Minute sehen und feiern:
Video: streamable
30. Sich nach dem Spiel – und vor demjenigen zwischen Mali und Ägypten – freuen, dass man während der Mannschaftsaufstellung vor den Mali-Fans steht und sich die beiden «Paukenmänner» so grossartig erheben:
Video: streamable
31. Der glücklichste Mensch der Welt sein.
Ach ja. Die Heimfahrt verläuft dann natürlich nicht minder unerwartet.
Nach dem Schlusspfiff um 22 Uhr fragen wir nach dem Medien-Bus zurück in die Stadt. Wir sollen warten. Irgendwann kommt einer, der sagt: «Der Bus ist da.» Sieben Leute steigen in den 12-Plätzer ein. Aber der Fahrer sagt: «Nein, ich fahre nur die französischen Journalisten, die haben mich bestellt.» Alles gute Zureden von uns und dem Medien-Transport-Chef nützt nichts. Nach gefühlt einer halben Stunde fährt er doch ab.
Allerdings nur gut 300 Meter bis zum Parkplatz. Denn dort warten die Franzosen. Dass die uns in ihrem Bus sehen, macht sie etwa so glücklich, wie wenn wir Froschschenkel und Schnecken zum Znacht essen müssten.
Wir steigen aus. Wollen nicht ins Mediencenter zurück latschen, weil wir glauben, irgendwo unterwegs schon ein Taxi zu finden. Kaum losgelaufen treffen wir den selbsternannten Captain der Fan-Gruppe Malis und den Besitzer des WM-Pokals. Keine Frage: Ein Foto muss her!
Nach dem kurzen Spass geht es weiter. Aber die Strasse ist noch immer gesperrt. Keine Taxis zu sehen. Viele andere Matchbesucher wollen auch noch zurück. Die vereinzelten Busse sind schnell übervoll. Private Autos ebenfalls. Ich erinnere mich an den Taxifahrer, den ich am Tag benutzte und versuche, ihn anzurufen. Niemand geht ran. Wir laufen bis zu dieser Outdoor-Bar:
Video: streamable
Den Besitzer fragen, ob er ein Taxi bestellen kann.
Er bejaht.
Sich hinsetzen und ein Régab gönnen:
Der Besitzer erklärt: Der einzige Taxifahrer, von dem er die Nummer hat, ist krank.
Mein Taxifahrer ruft zurück. Aber nein, er kommt nicht mehr, er sei schon im Bett.
Sich klar werden, dass wir wohl besser zurück ins Mediencenter gegangen wären.
Noch ein Régab bestellen:
Warten und Afrika für uns arbeiten lassen.
Afrika leistet gute Arbeit. Die zwei Damen neben uns haben ein Taxi bestellt.
Aber sie müssen in die andere Richtung. Der Taxifahrer sagt, er komme zurück.
Plötzlich steht irgendwie ein Pick-Up vor unserer Bar. Wir fragen, ob er uns mitnehmen könne.
Er kann. Gratis. Dafür hinten drauf, weil er noch andere Leute mitnehmen muss.
Ein sehr, sehr cooles Foto von der Rückfahrt machen.
Um 00.30 Uhr in der Unterkunft sein.
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Um 01.30 Uhr schlafen.
(Vermutlich von Afrika träumen und denken, dass es das beste ist, was es gibt)
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Besten Dank für den Artikel, ist das einzige in der Schweiz dass ich lesen und sehen konnte über den Afrika Cup. Fernsehübertragungen gleich null in der Schweiz, daher bin ich froh dass es Watson gibt.
Ach herrlich. Genau deshalb zieht es mich immer und immer wieder in alle Teile Afrikas. Man liebt es oder man hasst es – und damit ist nicht der Touri-Safari-Trip gemeint sondern genau dieses afrikanische Chaos :)
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