Wendy Holdener über Shiffrin: «Wenn ich mein bestes Skifahren zeige, bin ich dabei»
Wie sehr hat Sie der Sturz von Michelle Gisin mitgenommen?
Wendy Holdener: Es hat mich schon ziemlich beschäftigt. Auch am Donnerstag, den ganzen Tag über. Das Schlimme ist die Ungewissheit. Solange man nicht weiss, wie es ihr geht. Den Sturz selbst habe ich nicht gesehen – und ich werde ihn mir auch nicht ansehen. Ich schaue mir solche Unfälle nicht gerne an.
Sie sind eine langjährige Weggefährtin von Gisin. Leiden Sie bei einer engen Freundin besonders mit?
Klar, je näher man sich ist, je besser man jemanden kennt, je mehr man vom Leben einer Person weiss, desto schwieriger ist es. Was aber auch klar ist: Ich höre von keiner Verletzung gerne.
Nun haben sich innert eines Monats zunächst Lara Gut-Behrami, dann Corinne Suter und nun Michelle Gisin schwer verletzt. Haben Sie eine solche Häufigkeit schon einmal erlebt?
Ich möchte lieber nicht mehr über dieses Thema sprechen und darum gerne zur nächsten Frage kommen.
Die Ski-Saison ist jetzt gut sieben Wochen alt. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz aus?
Ich würde sagen: Es hatte skifahrerisch viel Gutes dabei. Aber ich konnte die Teile bisher noch nicht alle zusammenbringen. Im Riesenslalom war die Vorbereitung nicht ganz so, wie ich sie mir gewünscht hätte. Darum bekam ich erst jetzt durch die Rennen und Trainings, die kürzlich stattfanden, den richtigen Drive. Im Slalom hatte ich einen etwas harzigen Start, ich fand nicht immer die richtige Lösung. Aber mehr ist es eigentlich nicht.
In der Slalom-Bilanz steht: Rang 8 in Levi, zweimal die Ränge 4 in Gurgl und Copper Mountain. In den USA waren Sie etwas wütend auf sich selbst, weil der zweite Lauf missglückte. Ist dieser Ärger mittlerweile vorbei?
Ja, das schmerzt nicht mehr. Ich habe das so aufgenommen – und weiter geht’s. Auf Rang 4 landet niemand gerne, logisch. Aber es ist eine gute Rangierung, wenn man sieht, wie ich gefahren bin und eben auch, wie viel Potenzial ich noch habe.
Mikaela Shiffrin siegte dreimal mit über einer Sekunde Vorsprung. Fährt Sie derzeit in einer eigenen Liga?
Ich war zweimal sehr nahe dran. Wenn ich mein bestes Skifahren zeige, bin ich dabei. Aber wenn ich das nicht bringe, hat sie viel Vorsprung, das stimmt.
Was gibt Ihnen Zuversicht, Shiffrin bald zu besiegen und im Slalom wieder einmal zuoberst auf dem Podest zu stehen?
Ich darf mich nicht zu sehr auf den Sieg konzentrieren, respektive darauf, Shiffrin zu besiegen. Ich weiss, ich kann das nur erreichen, wenn ich gut skifahre. Darum ist dies mein Ziel. Und dann schaue ich, welche Resultate herausschauen.
Wird bei Ihnen ein zu grosses Tamtam um den Sieg gemacht?
Ja, das würde ich schon sagen.
Stört Sie das?
Manchmal. Aber wichtig ist mir, dass mein Umfeld und wir innerhalb des Teams den richtigen Umgang damit finden. Was ausserhalb dieses Kosmos passiert, spielt dann eigentlich keine Rolle.
Vor dem ersten Slalom in Levi waren Sie am linken Knie leicht handicapiert – behielten das aber für sich. Und mussten danach für Ihren 8. Platz Kritik einstecken. Warum haben Sie die Verletzung nicht öffentlich gemacht?
Ich habe in Levi im Training einen Schlag erwischt. Das hilft nicht, das ist klar. Aber ich entschied bewusst, dass ich nicht darüber reden will vor dem Rennen. Wenn ich am Renntag nicht noch von jedem und jeder gefragt werde, was denn los sei, kann ich es besser vergessen und mich aufs Skifahren konzentrieren. Darum habe ich das so gemacht. Mittlerweile ist das Thema Knie plusminus abgeschlossen.
Sie waren drei Wochen am Stück unterwegs. Wie gut hat das eigene Bett getan nach der Rückkehr aus Kanada vor einer Woche?
Sehr gut. Wir waren vier Nächte zu Hause. Das ist viel im Winter. Das Training im Kraftraum hat nicht gestoppt – aber das kann ich auch von zu Hause aus machen. Mit Skifahren hatte ich eine Pause bis zu diesem Wochenende, als ich im Wallis wieder trainierte.
Von den nächsten vier Slaloms finden nun am Dienstag in Courchevel und dann in Semmering und Flachau drei am Abend in der Dunkelheit statt. Mögen Sie diese Nacht-Slaloms?
Grundsätzlich mag ich Tagesrennen lieber, auch weil ich sie mir mehr gewohnt bin. Aber auch Nachtrennen habe ihre Vorteile. Zum Beispiel, dass man ausschlafen kann und keinen Stress hat am Morgen. Man muss sogar lange schlafen, sonst reicht die Energie am Abend nicht mehr. Aufstehen um 8:30 statt 5:30 – das hat schon seinen Reiz. Zudem finde ich die Stimmung bei den Nachtrennen ziemlich cool.
Wenn Sie gestatten, möchte ich zum Schluss noch einmal auf die vielen Verletzungen zu sprechen kommen. Wenn die Teamleaderinnen aus dem Speed fehlen, steigt der Druck auf Sie und Camille Rast.
Ich habe ehrlich gesagt nicht gross überlegt, dass wir jetzt die Erfahrensten im Frauen-Team sind. Obwohl wir alle Teamsportler und Teamsportlerinnen sind, sind wir am Ende auch sehr auf uns selbst fokussiert. Aber ich bin überzeugt, dass wir in diesem Winter trotzdem gute Leistungen von unserem Speedteam sehen werden. Und natürlich hoffe ich, dass Lara, Corinne und Michelle bald wieder gesund sind. (aargauerzeitung.ch)
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