Der Event findet an diesem Freitag, dem 15. November, in Arlington im US-Bundesstaat Texas statt. Der Beginn ist Schweizer Zeit auf 2 Uhr am Samstagmorgen angesetzt. Mike Tyson und Jake Paul werden frühestens ab 4 Uhr im Ring erwartet. Je nach Länge der Vorkämpfe kann es bis zum Einlauf der Box-Legende und seines Kontrahenten aber auch bis 5 Uhr oder noch länger dauern.
Vor bis zu 80'000 Zuschauerinnen und Zuschauern sind im Stadion des NFL-Teams Dallas Cowboys neben dem Hauptkampf zwischen Tyson und Paul sechs weitere Duelle geplant. Unter anderem verteidigt Katie Taylor, die unbestrittene Weltmeisterin im Leichtgewicht, ihre fünf Gürtel im Duell zweier der derzeit grössten Stars im Boxen der Frauen gegen Amanda Serrano.
Ursprünglich hätten Tyson und Paul bereits im Juli boxen sollen, doch aufgrund eines Schwächeanfalls in einem Flugzeug und der Folgen eines Magengeschwürs bei Tyson musste der Kampf verschoben werden.
Der gesamte Event wird auf Netflix übertragen. Jede und jeder mit einem Abonnement bei der Plattform kann also ohne zusätzliche Kosten zuschauen. Es ist der erste Boxkampf, der live auf der eigentlich für Serien und Filme bekannten Streaming-Plattform gezeigt wird. Mit unter anderem dem Schaukampf zwischen den Tennis-Stars Rafael Nadal und Carlos Alcaraz trat Netflix aber bereits als Übertragungsstation für Sport-Events in Erscheinung. In diese Liste reiht sich nun auch Mike Tyson gegen Jake Paul ein.
Somit ist es auch möglich, die in der Nacht auf Samstag stattfindenden Kämpfe gemütlich nach dem Aufstehen anzusehen, anstatt sich in der Nacht einen Wecker zu stellen und sich dann zu ärgern, dass Tyson und Paul lange auf sich warten lassen.
Zu Mike Tyson muss wohl nicht viel gesagt werden. Der 58-Jährige war mehrmals Weltmeister im Schwergewicht und vor allem für seine Schlagkraft bekannt. Bei 44 seiner 50 Siege schlug er den Gegner auf die Bretter und beendete den Kampf damit vorzeitig. Seit 2011 ist er Mitglied der International Boxing Hall of Fame. Tyson galt während seiner Karriere als Bad Boy, was er unter anderem damit untermauerte, dass er seinem Kontrahenten Evander Holyfield in einem WM-Kampf im Juni 1997 einen Teil des Ohrs abbiss. Nach seiner Karriere kämpfte Tyson mit Alkoholismus sowie Drogenabhängigkeit.
Sein Gegenüber Jake Paul machte sich hingegen ausserhalb des Sports einen Namen. Der 27-jährige US-Amerikaner wurde durch seinen gemeinsamen YouTube-Kanal mit Bruder Logan berühmt – unter anderem durch zahlreiche Kontroversen. Im Jahr 2018 trat er im Rahmen eines Schaukampfs dann erstmals in den Ring, zwei Jahre später folgte sein Profidebüt. Bisher kämpfte Paul sehr erfolgreich gegen ehemalige Sportler oder MMA-Kämpfer. Die einzige Niederlage kassierte er gegen Tommy Fury, den einzigen professionellen Boxer unter seinen bisherigen Gegnern.
Offizielle Zahlen gibt es zu der Kampfbörse nicht. Klar ist jedoch, dass sowohl in die Kassen Mike Tysons als auch Jake Pauls ein ordentlicher Batzen fliesst. Gemäss Berichten betrage die Gesamtgage 80 Millionen Dollar (rund 70,5 Millionen Franken), die zu gleichen Teilen aufgeteilt werde. Im August erklärte Paul: «Ich bin hier, um 40 Millionen Dollar zu kassieren und eine Legende k. o. zu schlagen.»
Es wird jedoch auch spekuliert, dass Tyson «nur» 20 Millionen Dollar (rund 17,6 Millionen Franken) und damit etwa die Hälfte von Paul kassiert. Der New Yorker erklärte aber, dass es ihm nicht um das Geld gehe. «Die Einnahmen aus dem Kampf werden mein Leben nicht verändern. Ich tue das nur, weil ich mich testen möchte», so Tyson.
Na ja. Das Aufeinandertreffen Tysons und Pauls wird zumindest als offizieller Profikampf gewertet und geht auch in die Bilanz der beiden ein. «Iron Mike» steht bisher bei 50 Siegen und 6 Niederlagen, «El Gallo de Dorado» (Deutsch: «Der goldene Gockel») gewann 10 seiner 11 Kämpfe. Der Fight gilt also als Tysons Comeback im Profisport nach 19 Jahren – anders als der Fight gegen Roy Jones Jr. im Juli 2020, der lediglich ein Schaukampf war und in einem Unentschieden endete.
Dennoch ist natürlich kein Kampf auf höchstem Niveau zu erwarten. Auch wenn Mike Tyson in der im Vorfeld erschienenen Netflix-Doku grossspurig ankündigt: «Wenn ich gewinne, werde ich unsterblich sein.» Am Ende ist der Event aber vor allem eine Show und dürfte wenig mit Profisport zu tun haben. Darauf deuten auch die Sonderregeln hin.
Aufgrund dieser erklärte der ehemalige Boxer Axel Schulz der Deutschen Presse-Agentur: «Man kann nur von einem Showkampf sprechen.» Der 56-Jährige geht gar von einer «abgesprochenen Nummer» aus. Tyson werde «den Jake Paul da nicht auseinandernehmen, obwohl er es könnte». In diesem Fall würden Erinnerungen an das Duell vom noch immer ungeschlagenen Floyd Mayweather mit Jake Pauls Bruder Logan im Jahr 2021 wach, als Mayweather seinen Gegner kaum mit Schlägen traktierte. Bei den Buchmachern gilt hingegen der 31 Jahre jüngere Jake Paul als Favorit.
Anders als in einem gewöhnlichen Profikampf wird nur über acht statt zwölf Runden, die jeweils zwei statt drei Minuten gehen, geboxt. Damit dauert der Kampf mit maximal 16 Minuten nicht einmal halb so lang wie die üblichen 36. Ausserdem wird mit sogenannten Sparrings-Handschuhen geboxt. Diese sind mit 14 Unzen (397 Gramm) schwerer als die gewöhnlichen Wettkampf-Handschuhe (10 Unzen, 283 Gramm) und sorgen damit für geringere Schlaggeschwindigkeiten.
Ein Grund für die Sonderregeln dürfte sein, die beiden Kontrahenten zu schützen. Vor allem die Gesundheit von Mike Tyson scheint in Gefahr – erlitt er doch noch vor wenigen Monaten einen Schwächeanfall und hatte mit einem Magengeschwür zu kämpfen. Wie fit dieser ist, ist wenige Tage vor dem Kampf noch immer ein Rätsel.
Glaubt man seinem Auftritt in den sozialen Medien, gibt Tyson eine gute Figur ab. «Iron Mike» ist noch immer durchtrainiert, hat schnelle und wuchtige Schläge im Repertoire und bewegt sich geschmeidig. Trainiert wird er wie schon 2020 beim Schaukampf gegen Roy Jones Jr. von Rafael Cordeiro, der zuvor mehrere MMA-Champions betreut hat.
Es gibt jedoch auch skeptische Stimmen, die behaupten, dass Tyson alles andere als bereit für einen solchen Kampf sei. So glaubt der frühere MMA-Kämpfer Chael Sonnen, dass Tyson nicht richtig trainiere. «Wenn er keinen einzigen Trainer oder Trainingspartner hat, der öffentlich über das Training mit ihm spricht, stimmt etwas nicht», erklärte Sonnen kürzlich. Der 47-Jährige bezweifelt, dass Tyson sich mit der nötigen Intensität auf den Kampf vorbereite.
Vor dem ursprünglich geplanten Datum für den Kampf schlug auch der renommierte Mediziner Stephen Hughes Alarm. Tyson riskiere sein Leben, erklärte der leitende Dozent für Medizin der Anglia Ruskin Universität in Cambridge damals. So bestehe die Gefahr einer Hirnblutung. «Ein Boxer kann sich relativ schnell von einem K. o. erholen, aber in manchen Fällen sind die Folgen verheerend. Es besteht die Gefahr, ein subdurales Hämatom zu entwickeln», erklärt Hughes.
Dabei reissen die Verbindungsvenen zwischen Gehirn und den Blutgefässen in der Hirnhaut. Dadurch kommt es zu einer Ansammlung von Blut, die auf das Gehirn drückt und zu Verwirrung, Bewusstlosigkeit oder gar zum Tod führen kann. Bei älteren Menschen steigt das Risiko ebenso wie durch Alkoholismus, zu dem sich Tyson vor einigen Jahren bekannte. Seine jahrelange Kokainabhängigkeit erhöhe zudem das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Medizinisch gesehen geht Tyson also ein ordentliches Risiko ein.
Weil Tysons gesundheitlicher Zustand nicht gesichert ist. Angeblich müsse er sich deshalb 24 Stunden vor dem Kampf einem finalen Gesundheitscheck unterziehen. Sollte der 58-Jährige die Kriterien nicht erfüllen, könnte der Kampf kurzfristig noch abgesagt oder zumindest zu einem Schaukampf herabgestuft werden.