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Da sind sie also, die Roten Bullen. In der 1. Bundesliga. Nach drei Aufstiegen in vier Jahren. Doch während die Spieler von RB (für RasenBallsport) Leipzig ausgelassen auf dem Rasen tanzen und sich mit Bier bespritzen, ärgern sich vor dem Fernseher die Fussball-Romantiker. Denn ausserhalb Leipzigs freuen sich nur die wenigsten über den ersten Ostklubs in der höchsten Liga seit dem Abstieg von Energie Cottbus im Jahr 2009.
RB Leipzig verkörpert für viele Fans das «Böse» des modernen Fussballs. Ein Produkt aus dem «Red-Bull-Reagenzglas» ohne Tradition seien die Bullen. Ein machtgieriger Klub, der nur so mit Geld um sich wirft und einem der abstiegsgefährdeten Traditionsvereine wie dem VfB Stuttgart, Werder Bremen oder Eintracht Frankfurt den Platz in der Bundesliga wegnähme. Der streitbare Investor Dietrich Mateschitz sei auch nicht besser als die Scheichs bei Manchester City und Paris St-Germain. Fussball sei für ihn nur eine weitere Plattform, sein Brausegetränk weltweit zu vermarkten.
Klar, diese Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen. Doch wer so argumentiert, hat ein sehr romantisiertes Bild vom Fussball. Dieser ist im Jahr 2016 längst ein Millionen-Business. Ohne Fremdkapital sind die immer höheren Spielergehälter vor allem für Durchschnittsklubs kaum mehr zu finanzieren. Wo wäre der FC Zürich ohne die Canepas, wo der FC Sion ohne Christian Constantin, wo der FC Luzern ohne Bernhard Alpstaeg? Womöglich am selben Ort wie Servette oder Xamax.
Doch zurück in die Bundesliga: Dort ist die hochgelobte 50+1-Regel, gemäss der kein Investor mehr als 50 Prozent Stimmenanteil im Klub haben darf, längst untergraben. Nicht nur für Werksklub Leverkusen, bei dem Pillenhersteller Bayer die völlige Kontrolle hat, gibt es eine Ausnahme. Auch beim VfL Wolfsburg (VW) und 1899 Hoffenheim (SAP) wird ein Auge zugedrückt. Warum also nur RB Leipzig verteufeln?
Traditionsvereine wie Stuttgart, Frankfurt oder Bremen sind für ihre Misere selbst verantwortlich. Auch sie sind längst zu Wirtschaftsunternehmen mutiert, schaffen es aber nicht, aus ihren Möglichkeiten das Beste herauszuholen. Dass es auch anders geht, zeigen kleinere Klubs wie Mainz 05, Augsburg oder der SC Freiburg (neben Leipzig der zweite direkte Bundesliga-Aufsteiger).
Und auch vom ungeliebten Retortenklub gibt es längst nicht nur Negatives zu berichten: Der Vorwurf, die Roten Bullen würden mit dem Geld nur so um sich werfen, ist schlichtweg falsch. In den sieben Saisons seit der Neugründung hat der Klub vor allem in junge (nur in Ausnahmefällen älter als 23), hungrige Spieler investiert und dafür 48 Millionen Euro ausgegeben, 43,5 davon allein in den letzen beiden Zweitliga-Saisons.
Das ist zwar eine stattliche Summe, aber Leipzig hat im Vergleich zu Klubs wie PSG oder ManCity ein völlig anderes Konzept: Statt wahllos Stars von anderen Klubs zusammen zu kaufen, setzt man in Deutschlands Osten auf Nachhaltigkeit.
Die Mehrheit des kolportierten der 100-Millionen-Investments Mateschitz' flossen nämlich nicht in Spielermaterial, sondern in die Infrastruktur. Für 33 Millionen Euro wurde beispielsweise ein neues Trainingszentrum gebaut, wo nach modernsten Erkenntnissen trainiert wird. Mit dem Ziel, jungen Talenten eine Spitzenausbildung zu bieten und langsam aber kontinuierlich an den Profifussball heranzuführen. Und das Projekt trägt schon erste Früchte: In Deutschlands U-Nationalmannschaften findet man bereits die ersten bei RB Leipzig ausgebildeten Spieler.
Auch die Akzeptanz beim Publikum steigt – zumindest in Leipzig. An den Zuschauerzahlen – mit 29'167 hat man hinter Nürnberg den zweithöchsten Schnitt der 2. Liga – lässt sich ablesen, dass die Menschen in der Region den Klub zunehmend akzeptieren. Bei der Fahrt im offenen Doppeldecker waren die Strassen am Sonntagabend voll jubelnder Fans. Mode-Fans mögen viele nun sagen. Doch wer hatte vor dieser Saison schon Sympathien für Leicester City?
Fakt ist: RB Leipzig wird kein Projekt mit kurzer Lebensdauer sein. Der ungeliebte Aufsteiger wird sich in der Bundesliga etablieren – und irgendwann zum Traditionsverein werden. Wer weiterhin Profifussball sehen will, muss das akzeptieren. Ob es einem passt oder nicht.