Das letzte Bild, das viele Fans vom Fussballer Cristiano Ronaldo vor den Augen haben, ist von der WM 2022. Wie er nach der 0:1-Niederlage mit Portugal im Viertelfinal gegen Marokko weinend in die Katakomben schreitet. Oder wie er davor nach seiner Einwechslung vergeblich versucht hatte, das Ausscheiden zu verhindern.
Schon im ganzen WM-Turnier war der Stürmer nur noch ein Schatten seiner einstigen selbst. Gezeichnet von einem schwierigen halben Jahr bei Manchester United, in dem er nur noch selten in der Startformation stand und sich vom Klub verraten fühlte, rannte er auch an der Weltmeisterschaft der Form hinterher.
Nachdem Ronaldo in der Gruppenphase nur ein einziges Tor (per Penalty gegen Ghana) erzielt – und sich nur bedingt als Teamplayer erwiesen – hatte gegen Uruguay, ärgerte er sich darüber, dass sein vermeintlicher Treffer dann doch Bruno Fernandes zugestanden wurde. Der öffentliche Druck wurde so gross, dass ihn Trainer Fernando Santos im Achtelfinal gegen die Schweiz auf die Ersatzbank setzte.
Prompt spielte Portugal wie befreit auf und fertigte die Nati 6:1 ab. Gegen Marokko war die Magie aber bereits wieder verflogen, und so führte die Degradierung Ronaldos auch zum Aus von Trainer Santos. Roberto Martinez wurde unter anderem engagiert, weil er einwilligte, wieder auf den besten Fussballer in der Geschichte des Landes zu setzen.
Seither gehört Ronaldo wieder zum festen Stamm der Seleção – obwohl er nur in Saudi-Arabien spielt. Tore schiesst er weiterhin am Fliessband. 35 waren es in dieser Saison in 31 Spielen der Saudi Pro League, womit er einen neuen Rekord aufstellte, wie er stolz verkündete. Nur schaut halt kaum noch jemand hin. Und so steht der mittlerweile 39-Jährige vor allem dann in den Schlagzeilen, wenn er sich einen Fehltritt erlaubt.
Diese häuften sich in letzter Zeit. Ronaldos Verhalten war teilweise unwürdig für einen solchen Weltstar und für einen der besten Fussballer der Geschichte. Durch die obszöne Geste nach «Messi»-Rufen der gegnerischen Fans oder durch die geballte Faust in Richtung des Schiedsrichters, der ihm gerade die Rote Karte gezeigt hatte, verlor er bei vielen Fussballfans – auch beim Autor dieses Kommentars – an Kredit.
— @TrollFootball Videos (@TF_Video) February 25, 2024
Nun ist er aber zurück auf der grossen Bühne. Dass er es noch immer kann, zeigte der Kapitän des Nationalteams im letzten Testspiel vor der EM gegen Irland mit einem Doppelpack, wobei er vor allem mit seinem ersten Treffer beim 3:0-Sieg ein echtes Traumtor erzielte. Auch beim zweiten Tor rund zehn Minuten später zeigte er seine ganze Klasse als Goalgetter.
Es ist zu hoffen, dass er diese auch an der Europameisterschaft in Deutschland zeigen kann. Schliesslich könnte es das letzte grosse Turnier für Cristiano Ronaldo sein. Und einem Fussballer seiner Klasse wäre ein schönerer – und vor allem würdigerer – Abschied als an der WM 2022 zu wünschen. Deshalb, lieber Cristiano: Zeig uns noch ein letztes Mal, was alles in dir steckt. Mach es wie dein grosser Rivale Lionel Messi mit Argentinien bei seiner wohl letzten Weltmeisterschaft.
Dass auch Ronaldo noch einmal einen grossen Titel gewinnen kann, ist gar nicht so unwahrscheinlich. An der EM, die für Portugal heute um 21 Uhr gegen Tschechien beginnt, zählt der Europameister von 2016 auch aufgrund von Spielern wie Bruno Fernandes, Bernardo Silva oder João Cancelo, die Ronaldo zuarbeiten sollen, wieder einmal zu den Titelkandidaten. Das Turnier könnte also gar zum perfekten Abschied Ronaldos von der grossen internationalen Bühne werden.