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Als Gökhan Inler im letzten Sommer zu Leicester City wechselt, wird in der Heimat über ihn gespottet. Was will der Captain des Schweizer Nationalteams bei diesem Abstiegskandidaten? Klar, dass es nur die Kohle sein kann, die ihn nach Leicester lockt. Auch wenn Inler bei seiner Ankunft selbstverständlich die sportliche Herausforderung in den Mittelpunkt rückt.
Keine zwölf Monate später wird wieder gelacht, wenn von Leicester City die Rede ist. Aber jetzt wird nicht mehr über, sondern mit den «Foxes» um die Wette gestrahlt. Denn der Fast-Absteiger der Vorsaison hat sich auf wundersame Weise zum Meister gewandelt. Meister! Leicester City! Die bittere Pointe für Inler: Er wird wieder belächelt. Weil er kaum eingesetzt worden ist. Weil er beim Titelgewinn bloss eine Nebenrolle gespielt hat. Weil er den Platz in der Nati verloren hat. Und weil er die EM wohl bloss vor dem Fernseher miterleben wird.
Doch selbst wenn Inler als Verlierer angesehen wird, so ist auch er ein Gewinner. Weil er Teil einer Equipe ist, von der noch in Jahren, ja wohl noch in Jahrzehnten die Rede sein wird.
Aussenseitersiege waren im Sport schon immer das Salz in der Suppe. Wir wollen miterleben, wie die Kleinen den Grossen ein Bein stellen. Die US-Boys, die 1980 sensationell Eishockey-Olympiasieger wurden, sind legendär. Griechenland wurde 2004 aus heiterem Himmel Fussball-Europameister.
Der Triumph von Leicester City ist noch höher zu gewichten. Denn er kam nicht in einem Turnier zu Stande, sondern in einer ein ganzes Jahr lang dauernden Meisterschaft. In einem WM-, EM- oder Olympia-Turnier spielen das Wettkampfglück und die Tagesform eine weit grössere Rolle. Nach langen 38 Runden die beste von 20 Mannschaften zu sein – das bedarf viel mehr als bloss Glück.
5000:1 war die Quote auf einen Meistertitel der «Foxes» vor der Saison. Wer zehn Pfund setzte, kassiert nun 50'000 Pfund. Die englischen Buchmacher machen durch die wenigen – im Grund genommen unvernünftigen – Wetter Millionenverluste. Weil sie schlicht ausschlossen, dass diese unmögliche Möglichkeit eintreffen würde.
Von allem Anfang an surfte Leicester City auf einer Welle des Erfolgs. Nach einem Drittel der Saison schrieb ich davon, wie glücklich Leicester City uns Fussballfans mache – selbst wenn uns der Klub eigentlich schnuppe sei. Der Fakt, dass hier ein Aussenseiter die reichere, prominentere, hochkarätiger besetzte Konkurrenz ärgere, könne gar nicht genug gefeiert werden.
Doch selbst da glaubte noch kaum einer, dass Leicester wirklich Meister werden kann. «Die kalte Dusche für uns ewige Romantiker folgt dann früh genug», schloss ich die Schwärmerei ab. Ich lag falsch. Und freue mich diebisch darüber, dass ich als alter Fussball-Romantiker immer noch warm duschen kann.
Dass Leicester City wider aller Logik den Titel holt, ist aber nicht nur ein modernes Märchen. Es ist zugleich auch eine Motivation für all die Leicester Citys da draussen; diese namenlosen Klubs, die bloss zum Auffüllen der Liga zu existieren scheinen. Wenn alles, wirklich restlos alles zusammenpasst und wenn die Titelkandidaten Fehler machen, dann kann sogar ein krasser Underdog Meister werden. Thun oder Mainz, Torino oder Mallorca? Ich freue mich schon darauf.