Sport
Kommentar

Leicester City Meister? Noch nie freute ich mich so über einen Irrtum

Blau-Weiss im Freudentaumel: Die Leicester-Fans feiern.
Blau-Weiss im Freudentaumel: Die Leicester-Fans feiern.Bild: Darren Staples/REUTERS
Kommentar

Leicester City ist tatsächlich Meister: Noch nie freute ich mich so sehr über einen Irrtum

Es ist ein unvergleichliches Märchen, Happy End inklusive. Mit Leicester City wird ein krasser Aussenseiter, den wirklich gar niemand auf der Rechnung hatte, englischer Fussball-Meister. Es ist vielleicht die grösste Sensation der Sportgeschichte.
02.05.2016, 22:5703.05.2016, 12:34
Ralf Meile
Mehr «Sport»

>>> Hier gibt es den Liveticker des entscheidenden 2:2 von Tottenham bei Chelsea zum Nachlesen.

Als Gökhan Inler im letzten Sommer zu Leicester City wechselt, wird in der Heimat über ihn gespottet. Was will der Captain des Schweizer Nationalteams bei diesem Abstiegskandidaten? Klar, dass es nur die Kohle sein kann, die ihn nach Leicester lockt. Auch wenn Inler bei seiner Ankunft selbstverständlich die sportliche Herausforderung in den Mittelpunkt rückt.

Keine zwölf Monate später wird wieder gelacht, wenn von Leicester City die Rede ist. Aber jetzt wird nicht mehr über, sondern mit den «Foxes» um die Wette gestrahlt. Denn der Fast-Absteiger der Vorsaison hat sich auf wundersame Weise zum Meister gewandelt. Meister! Leicester City! Die bittere Pointe für Inler: Er wird wieder belächelt. Weil er kaum eingesetzt worden ist. Weil er beim Titelgewinn bloss eine Nebenrolle gespielt hat. Weil er den Platz in der Nati verloren hat. Und weil er die EM wohl bloss vor dem Fernseher miterleben wird.

Doch selbst wenn Inler als Verlierer angesehen wird, so ist auch er ein Gewinner. Weil er Teil einer Equipe ist, von der noch in Jahren, ja wohl noch in Jahrzehnten die Rede sein wird.

Ein Bild mit Seltenheitswert: Inler auf und nicht neben dem Platz.
Ein Bild mit Seltenheitswert: Inler auf und nicht neben dem Platz.
Bild: Carl Recine/REUTERS

Kein Vergleich mit Turnier-Sensationen

Aussenseitersiege waren im Sport schon immer das Salz in der Suppe. Wir wollen miterleben, wie die Kleinen den Grossen ein Bein stellen. Die US-Boys, die 1980 sensationell Eishockey-Olympiasieger wurden, sind legendär. Griechenland wurde 2004 aus heiterem Himmel Fussball-Europameister.

Der Triumph von Leicester City ist noch höher zu gewichten. Denn er kam nicht in einem Turnier zu Stande, sondern in einer ein ganzes Jahr lang dauernden Meisterschaft. In einem WM-, EM- oder Olympia-Turnier spielen das Wettkampfglück und die Tagesform eine weit grössere Rolle. Nach langen 38 Runden die beste von 20 Mannschaften zu sein – das bedarf viel mehr als bloss Glück.

5000:1 war die Quote auf einen Meistertitel der «Foxes» vor der Saison. Wer zehn Pfund setzte, kassiert nun 50'000 Pfund. Die englischen Buchmacher machen durch die wenigen – im Grund genommen unvernünftigen – Wetter Millionenverluste. Weil sie schlicht ausschlossen, dass diese unmögliche Möglichkeit eintreffen würde.

König Otto «Rehakles» Rehhagel coacht Griechenland 2004 zum EM-Titel.
König Otto «Rehakles» Rehhagel coacht Griechenland 2004 zum EM-Titel.Bild: AP

Eine Motivation für all die Leicester Citys da draussen

Von allem Anfang an surfte Leicester City auf einer Welle des Erfolgs. Nach einem Drittel der Saison schrieb ich davon, wie glücklich Leicester City uns Fussballfans mache – selbst wenn uns der Klub eigentlich schnuppe sei. Der Fakt, dass hier ein Aussenseiter die reichere, prominentere, hochkarätiger besetzte Konkurrenz ärgere, könne gar nicht genug gefeiert werden.

Doch selbst da glaubte noch kaum einer, dass Leicester wirklich Meister werden kann. «Die kalte Dusche für uns ewige Romantiker folgt dann früh genug», schloss ich die Schwärmerei ab. Ich lag falsch. Und freue mich diebisch darüber, dass ich als alter Fussball-Romantiker immer noch warm duschen kann.

Dass Leicester City wider aller Logik den Titel holt, ist aber nicht nur ein modernes Märchen. Es ist zugleich auch eine Motivation für all die Leicester Citys da draussen; diese namenlosen Klubs, die bloss zum Auffüllen der Liga zu existieren scheinen. Wenn alles, wirklich restlos alles zusammenpasst und wenn die Titelkandidaten Fehler machen, dann kann sogar ein krasser Underdog Meister werden. Thun oder Mainz, Torino oder Mallorca? Ich freue mich schon darauf.

Wie Leicester City: 12 überraschende Fussball-Meister

1 / 15
Die 12 überraschendsten Fussball-Meister
Leicester City, 2015/2016: Die wohl grösste Sportsensation aller Zeiten. Leicester – vor der Saison mit einer Meisterquote von 5000:1 (gleiche Quote wie dass der heisseste Tag des Jahres auf Weihnachten fällt) – wird englischer Meister. Riyad Mahrez und Jamie Vardy sind die grossen Figuren beim Märchen, Gökhan Inler spielt als Tribünengast eine Nebenrolle. Drei Runden vor Schluss ist der Titel gesichert. Unfassbar. ... Mehr lesen
quelle: x01095 / craig brough
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Unvergessene Fussball-Geschichten aus Grossbritannien

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
43 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Micha Moser
02.05.2016 23:04registriert März 2014
Das hätte ich wirklich NIE geglaubt das sie das durchziehen! Gratulation an Leicester
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
John Smith (2)
02.05.2016 23:17registriert März 2016
Dann besteht für nächste Saison also doch gegen jede Vernunft noch ein Fünkchen Hoffnung für YB, GC und wie sie alle heissen?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
ksayu45
02.05.2016 23:11registriert August 2015
Wirklich eine wunderschöne geschichte! Ein märchen :D
00
Melden
Zum Kommentar
43
Saudi-Arabien erhält die Fussball-WM – was ist aus den Mega-Stadien in Katar geworden?
Vor zwei Jahren fand die umstrittene Fussball-Weltmeisterschaft in Katar statt. Sechs Stadien wurden extra dafür gebaut. Seither hat sich im arabischen Golfstaat einiges verändert. Eine Spurensuche vor Ort.

Beim Lusail Iconic Stadion in Katar herrscht in diesen Tagen keine Fussballstimmung. Noch vor zwei Jahren stemmte hier Lionel Messi für Argentinien den WM-Pokal vor fast 90'000 Zuschauenden in die Höhe. Wenig später legte ihm der Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani, einen traditionellen arabischen Umhang um. Das Bild von Messi im sogenannten «Bischt» ging um die Welt.

Zur Story