Stefan Bradl? Ja, das ist der Deutsche Moto2-Weltmeister von 2011, der durch miserables Karrieren-Management bereits im Alter von 28 Jahren zum Operetten-Rennfahrer geworden ist.
Seit November 2016 hat der Deutsche kein MotoGP-Rennen oder Training gefahren und inzwischen taugt er nicht einmal mehr für die Superbike-Klasse. Immerhin darf er bei Honda als Testfahrer arbeiten.
Am Freitag stellte sich nach dem ersten Training heraus, dass Tom Lüthis Teamkollege Franco Morbidelli wegen einer gebrochenen Hand nicht fahren kann. Als Ersatz ist nun kurzzeitig ... Stefan Bradl für das MotoGP-Rennen auf dem Sachsenring aufgeboten worden. Er fährt also im gleichen Team den gleichen Töff unter gleichen Bedingungen wie Tom Lüthi.
Langsamer zu sein als der Deutsche, das wäre die ultimative Schmach. Wäre? Sie ist eingetroffen. Stefan Bradl war im Training schneller. Er startet das Rennen aus der zweitletzten Startreihe (21.). Tom Lüthi steht in der allerletzten Reihe (22.).
Was ist da los? Inzwischen hat sich die Aufregung nach der spektakulären Entlassung von Teamchef Michael Bartholemy weitgehend gelegt. Die Unruhen alleine taugen nicht mehr als Ausrede. Wie kann es also sein, dass Tom Lüthi, einer der besten und routiniertesten Rennfahrer der Welt bei Halbzeit der Saison nach wie vor hinterher fährt und inzwischen sogar vom «Sonntags-Rennfahrer» Stefan Bradl gedemütigt wird. Es gibt eine interessante Erklärung. Den «James-Bond-Töff».
James Bond darf in vielen Filmen technische Wundermaschinen pilotieren. Der legendäre Mister Q richtete für mehrere Darsteller jeweils die futuristischen Fahrzeuge her und erklärte alle Funktionen.
Eine MotoGP-Höllenmaschine ist für Tom Lüthi ungefähr das, was für James Bond die Boliden von Mister Q sind. Sozusagen ein «James-Bond-Töff». Wie ein roter Faden ziehen sich durch alle Rennen die Schwierigkeiten, auf gute Topspeed-Werte zu kommen. Teilweise ist Tom Lüthis Honda um mehr als 15 km/h langsamer als die Kunden-Ducati. Auch hier auf dem Sachsenring fehlten wieder mehr als 10 km/h.
Die MotoGP-Bikes sind mit Elektronik bestückt wie die Kutschen in den James-Bond-Filmen. Kann es sein, dass Tom Lüthi noch gar nicht alle Funktionen der Knöpfe, Schalter und Hebel begriffen hat und daher nicht dazu in der Lage ist, das volle Leistungspotenzial wenigstens auf den Geraden abzurufen?
Was Mister Q für James Bond ist, ist Cheftechniker Gilles Bigot für Tom Lüthi. Die Frage deshalb an ihn: Ist sein Pilot überhaupt dazu in der Lage, alle Knöpfe richtig zu bedienen und wenigstens alles aus der Motorenkraft herauszuholen? Er sagt: «Ja. Aber das technische Verständnis ist für Tom auch wegen der im Winter verpassten Tests sehr schwierig.»
Tom Lüthi musste in der Winterpause Sturzverletzungen auskurieren. Der freundliche Franzose sieht allerdings eine ganze Reihe von Schwierigkeiten. «Die Elektronik ist nur ein Teil des Problems. Es geht ums ganze Paket und dazu gehört auch, dass Tom, obwohl er sehr gut trainiert ist, eigentlich für die MotoGP-Klasse zu wenig Kraft hat.»
Das Problem des fehlenden Topspeeds ärgert Tom Lüthi. «Ich hatte ein gutes Gefühl, als ich zurück in die Box kam. Ich bin richtig hässig geworden, als ich sah, dass wir erneut eine zu wenig schnelle Maschine haben. Wir finden einfach keine Lösung.»
Sein temporärer Teamkollege Stefan Bradl – er erreichte klar bessere Topspeed-Werte – macht nicht den optischen Eindruck eines austrainierten Athleten. Ihn müsste Tom Lüthi, wenn schon nicht im Training in einer schnellen Runde, dann wenigstens über die Renndistanz schon aus konditionellen Gründen hinter sich lassen. Oder? «Das ist eine fiese Aussage. Stefan hat als Testfahrer viel Erfahrung mit der Honda und ich fixierte mich doch nicht auf ihn. Es gibt noch viele andere, die ich gerne hinter mir lassen würde.»
Immerhin einer Forderung aus dem James-Bond-Film kommt Tom Lüthi inzwischen nach. Mister Q bittet James Bond jeweils, das Fahrzeug ja heil zurückzubringen. Nach einer Serie von Stürzen ist Tom Lüthi beim letzten GP in Assen, dem Testtag in Brünn und nun an den zwei Trainingstagen auf dem Sachsenring nicht mehr aus dem Sattel gefallen.