
Sag das doch deinen Freunden!
Im Sommer würden Sieger gemacht, heisst es in alpinen Kreisen. Der Spruch mag seine Berechtigung haben. Doch für Beat Feuz, der mit so viel Talent und Fahrgefühl gesegnet wie kaum einer der aktuellen Fahrer im Weltcup, gelten offenbar andere Gesetze.
Innert Wochenfrist führte er die Weisheit von den im Sommer gemachten Siegern bereits zum zweiten Mal ad absurdum. Auf Rang 2 in Kitzbühel folgte Platz 3 in Garmisch. Feuz ist endgültig wieder im Kreis der Besten angekommen.
Die Konkurrenten schwanken zwischen Anerkennung und Erstaunen, die Trainer verneigen sich, die Medien überbieten sich mit Superlativen. «Phänomen» und «Genie» haben nicht erst seit vergangenem Samstag Hochkonjunktur.
Der Hochgelobte selber weiss nicht, wie ihm derzeit geschieht – nach der verpassten Vorbereitung, knapp fünf Monate nach der Operation an der rechten Achillessehne. Seine Rückkehr in Rekordzeit aufs höchste Level ist ihm ein Rätsel. «Ich kann das alles nicht begreifen und habe keine Erklärung dafür. Ich komme mir vor wie im Film.»
In Garmisch hatte vorerst nichts auf einen weiteren Podiumsplatz hingedeutet. Feuz lag nach gut der Hälfte der Strecke noch mit fast neun Zehnteln Rückstand im Hintertreffen. «Wegen des fehlenden Trainings tue ich mich noch schwer damit, von Anfang an den Rhythmus zu finden. Und im unteren Teil konnte ich nicht abschätzen, wie meine Fahrt war.» Gut war sie in jenen Abschnitten, sogar sehr gut. So gut, dass Feuz am Ende nur 24 Hundertstel zu Platz 1 fehlten.
Es wäre völlig übertrieben zu behaupten, im Zuge ihrer Hausse sei für die norwegische Equipe selbst der Ausfall von Aksel Lund Svindal verkraftbar. Aber zumindest nach dem ersten Speed-Rennen ohne den verletzten Teamleader könnten solche Gedanken aufkommen sein. Mit Aleksander Aamodt Kilde sprang einer in die Bresche, für den der erste ganz grosse Wurf nur eine Frage der Zeit war. Der 24-Jährige gehört zur nächsten Generation, die für den nahtlosen Übergang von den aktuellen Spitzenkräften Svindal und Kjetil Jansrud sorgen soll.
Kilde besticht nicht nur durch seine fahrerischen Qualitäten, sondern auch durch seine Physis. Für Svindal ist er «der besttrainierte Skirennfahrer, den ich je auf Weltcup-Level gesehen habe». Diese Qualitäten hatte sich Kilde schon in jungen Jahren angeeignet, in jener Zeit, in der er sich zwischen einer Karriere als Alpiner und als Fussballer zu entscheiden hatte.
Den Fokus ganz aufs Skifahren hatte Kilde erst im Alter von 15 Jahren gelegt. «Vor Tausenden in einem Fussballstadion zu spielen wäre grandios gewesen. Aber das Gefühl, das ich jedes Mal habe, wenn ich im Starthaus abstosse, ist nicht zu überbieten», begründet er seinen Entscheid.
Es ist gut möglich, dass sich um Kilde und den aktuellen Slalom-Dominator Henrik Kristoffersen ein grösseres Team bilden wird. Im Europacup jedenfalls sind die Norweger so breit abgestützt wie nie zuvor. Die Konkurrenz aus den traditionellen Ski-Nationen ist also gewarnt. Was die Anzahl Siege in einer einzelnen Saison betrifft, dürften es die zukünftigen Vertreter des Norges Skiforbund allerdings trotz grösserer Formation schwer haben, die aktuelle Ausbeute zu überbieten. Kildes Premiere war für Norwegens Männer-Team der bereits 16. Vollerfolg in diesem Winter. (ram/sda)