«Ich bin noch nicht fertig mit meiner Karriere» – Kilde gibt heute sein Comeback
Fast zwei Jahre nach einem verhängnisvollen Sturz in der Lauberhorn-Abfahrt kehrt Aleksander Aamodt Kilde in ein Weltcup-Starthaus zurück. Der 33-Jährige bestreitet heute Abend den Super-G im amerikanischen Copper Mountain (Colorado). Das kündigte Kilde am Mittwochabend an.
Gegenüber den Tamedia-Zeitungen sprach der Verlobte von US-Ski-Star Mikaela Shiffrin ausführlich über sein Comeback – und dass er in der langen Zeit der Rehabilitation nie ans Aufgeben gedacht habe. «Ich bin noch nicht fertig mit meiner Karriere, 33 Jahre ist kein Alter für einen Abfahrer», sagte Kilde. «Ich kann bis 40 fahren. Den Rücktritt hätte ich später sicher bereut.»
«Nach der Operation dachte ich, dass ich sterbe»
In den vergangenen zwei Jahren habe er viel fürs Leben gelernt, etwa, dass es immer einen Hoffnungsschimmer gebe. «Ich konnte erstmals nach über zehn Jahren wieder Weihnachten daheim mit der Familie verbringen. Meinen Eltern und mir hat das enorm viel bedeutet.»
Seiner Mutter hatte Kilde unmittelbar nach dem Sturz noch im Spitalbett versprochen, nie mehr eine Abfahrt zu bestreiten. «Meine Eltern sagten, sie würden mich bei allem unterstützen. Und als ich ein paar Monate später meine Meinung änderte, hatten sie auch dafür Verständnis.» Die Mutter habe ihm vergeben, dass er sie angelogen habe.
Die schlimmste Zeit habe er in den ersten Wochen nach dem Unfall gehabt, sagt der Gesamtweltcupsieger des Winters 2019/20 im Rückblick. Er habe starke Schmerzen gehabt und sei auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen. «Nach der Operation dachte ich, dass ich sterbe.» Die folgenden Monate seien schwierig gewesen: «Manchmal stand ich am Morgen auf und sah keinen grossen Sinn mehr in meinem Leben.»
Dankbar, wieder starten zu können
In dieser ganzen Zeit sei ihm seine Partnerin Mikaela Shiffrin eine enorm wichtige Stütze gewesen. «Sie war mein Anker und meine Motivationsspritze. Kein Mensch ist perfekt, aber sie kommt der Perfektion sehr nahe.»
Nun also rast Aleksander Aamodt Kilde wieder mit weit über 100 km/h einen Berg hinunter. «Ich habe alles verarbeitet», betont er, den Sturz habe er sich über hundert Mal angeschaut. Bei der Beweglichkeit werde er wohl für immer eingeschränkt bleiben, aber er sei dankbar, wieder Rennen fahren zu können.
Bei seinem Comeback trägt der Norweger die Startnummer 22. Wie alle Beobachter des Skisports ist auch Kilde, je zweifacher Medaillengewinner bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften, selber gespannt, was dabei herausschaut. «Ich muss schauen, ob ich fünf Sekunden verliere oder doch etwas weiter vorne bin.» Er hoffe auf ein Top-10-Ergebnis, wisse aber selber: «Dorthin zurückkehren, wo ich vor dem Unfall war, kann ich sicher nicht.»
Wichtiger als Hundertstelsekunden ist für «den neuen» Aleksander Aamodt Kilde ohnehin etwas anderes. «Ich kann jetzt wieder lachen und dieses Lachen ist nicht mehr gespielt und nur für die anderen aufgesetzt.» (ram)
