So sollen Odermatt und Co. häufiger in der Schweiz trainieren können
Am 14. November sind Marco Odermatt und Co. nach Nordamerika abgeflogen. Die Schweizer Speedspezialisten trainieren im Vorfeld der US-Weltcuprennen zwei Wochen in Copper Mountain. Es ist der zweite Übersee-Trainingstrip nach jenem im Frühherbst in Chile und Argentinien.
Derweil arbeitet Walter Reusser, CEO Sport von Swiss Ski, daheim in der Schweiz an der Roadmap zur Strategie «Schneesport 2050». Grundsätzlich geht es dabei um Lösungen im Umgang mit Klimawandel und Bevölkerungsentwicklung. Kein anderer Sportverband ist derart von steigenden Temperaturen betroffen. In seiner Vision zeigt Swiss Ski, wie man mit den Herausforderungen umgehen will.
Wichtige Themen sind Innovation und Nachhaltigkeit. Reisen für Trainingszwecke ans andere Ende der Welt stehen da nicht auf der positiven Bilanzseite. Wieso aber nicht den ökologischen Fussabdruck verbessern und daraus sogar einen Wettbewerbsvorteil kreieren? Oder anders ausgedrückt: Swiss-Ski entwickelt mit verschiedensten Massnahmen gerade Swissness am Berg. Eine Ganzjahres-Trainingsinfrastruktur vor der eigenen Haustür.
Neue Speedstrecken im Wallis und im Engadin
Reusser nennt es eine «Schweizer Lösung. Wir gestalten unseren Weg in Sachen Infrastruktur.» Zermatt, Zinal und Engadin als Alternative zu Chile und USA. Schliesslich liegt den nun lancierten Projekten die Erkenntnis zugrunde, dass sich die Schweiz in einer privilegierten Position befindet. 29 Skigebiete breiten sich auf Höhen von über 2800 m aus – das ist Weltrekord. «Sie werden auch in 25 Jahren noch schneesicher sein, aber es bedarf Anpassungen», sagt Reusser. Der Plan dient als Orientierung für zukünftige Investitionen und Partnerschaften.
Reusser ist also aktuell nicht nur durch das intensive Tagesgeschäft gefordert. Genauso stark beschäftigt ihn die Vision «Schneesport 2050» und dabei vor allem der in diesem Jahr lancierte Masterplan Trainings- und Wettkampfbetrieb. Dieser vereint klimatische Szenarien, infrastrukturelle Entwicklungen und sportartspezifische Bedürfnisse.
Es geht allein im Alpinen Skisport darum, Trainingsmöglichkeiten und Wettkämpfe für 4500 Athletinnen und Athleten, welche in Fördergefässen von Swiss-Ski-Trägerschaften sind, zu gewährleisten sowie die rund 1000 Nachwuchsrennen, darunter 140 FIS-Rennen, pro Saison in der Schweiz auch in Zukunft durchführen zu können. Entscheidend bei den Anpassungen der Infrastruktur ist die Standortwahl. Aber auch Themen wie nachhaltiges Schneemanagement und innovative Technologien zur Schneeerzeugung und Speicherung stehen auf der Roadmap.
So viele Trainingstage in Zermatt wie noch nie
Reusser denkt in Jahreszeiten. Ein entscheidender Trumpf in der Saisonvorbereitung im Sommer und Herbst sind die beiden höchstgelegenen Gletscherskigebiete Europas in Zermatt und Saas Fee. Diesen Stützpunkten kommt in Zukunft noch grössere Bedeutung zu. Walter Reusser zieht ein positives Fazit zum ersten Sommertraining in Zermatt unter organisatorischer Schirmherrschaft von Swiss Ski. Während 14 Wochen konnte auf dem Theodulgletscher trainiert werden – so lange wie noch nie.
Dies auch darum, weil das Vorbereitungstraining um zwei Wochen bis zum 20. Oktober verlängert wurde. Das beständige Herbstwetter sorgte auch dafür, dass lediglich 20 Prozent der geplanten Trainings witterungsbedingt abgesagt werden mussten. Dies ermöglichte 10 zusätzliche Trainingstage in Zermatt. Und zukünftig soll das Training am Matterhorn bereits in der zweiten Juni-Hälfte aufgenommen werden können.
In Saas Fee seinerseits hat man ab Ende Oktober dank Snowfarming und technischer Beschneiung erstmals eine zusätzliche Trainingspiste für die technischen Disziplinen betreiben können. Über den Sommer gespeicherte Schneedepots sorgten auch dafür, dass die Technikerinnen und Techniker so früh wie selten ab Oktober im Engadin auf der Diavolezza beste Bedingungen vorfanden.
Eine echte Alternative zum US-Trip
Die geografischen Vorzüge des Oberengadins werden durch neue Projekte und Kooperationen ermöglichen, dass die letzten Trainingskilometer vor dem Speedauftakt im Weltcup nicht zwingend in Nordamerika gefahren werden müssen. Technischer Schnee und eine zusätzliche Speedstrecke auf Marguns, dem St. Moritzer Hausberg, eröffnen neue Perspektiven. Am gleichen Berg kann seit dem 20. November auch für die Skicrosser eine Strecke benutzt werden. Sie reisten bislang vor dem Weltcupstart nach Skandinavien.
Die Roadmap in Sachen Infrastruktur zielt längst nicht nur auf die Bedürfnisse von Marco Odermatt oder Franjo von Allmen. Gerade im Speedbereich benötigen junge Talente Hunderte von Trainingskilometern. Deshalb arbeitet Swiss-Ski auch am Ausbau von Rennpisten und Infrastruktur in den Gebieten Engelberg sowie in Adelboden und am Schilthorn. Weitere Gebiete stehen zur Diskussion. Grundsätzlich gilt es, vermehrt Skigebiete über 2000 Metern Höhe zu nutzen. Auf dem Weg dorthin sind verschiedene Herausforderungen zu meistern. Etwa in Engelberg die Frage, wie man das Wasser zur Beschneiung ins Gletschergebiet bringt.
Rennen nutzen, um besser trainieren zu können
Trainiert wird auch während der Saison im Winter. Eine Speedstrecke rein fürs Training zur Verfügung zu stellen, rechnet sich nicht. Die Präparation ist, gerade was Sicherheitsstandards anbelangt, sehr aufwendig. Und man muss die Strecke mit Wasser behandeln und sie damit für Touristen sperren. Entscheidend ist ein möglichst grosser Pool von homologierten Strecken mit regelmässiger Rennnutzung. Denn das beste Trainingsfenster bietet sich in der Woche vor einem Rennen. Deshalb ist der Erhalt oder sogar Ausbau der Schweizer FIS-Rennen wichtig. «Ziel muss es sein, dass wir jederzeit eine bis zwei Pisten für Trainingszwecke zur Verfügung haben», sagt Walter Reusser. Er weiss, dass der nächste Schweizer Skistar auf der Piste und nicht auf dem Papier entsteht.
