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Heute, liebe Freundinnen und Freunde der TV-Trash-Botanik aka «Nacht vo de Rose», lernen wir mal was dazu. Weshalb es zuerst ein Rosengedicht gibt. Von Ingeborg Bachmann, einer österreichischen Dichterin und Kettenraucherin. Die sich 1973 in ihrem Bett fast selbst in Brand steckte, weil sie derart viele Tabletten (100 Stück pro Tag!) zu sich nahm, dass ihr Körper schmerzunempfindlich geworden war. Eins ihrer schönsten Gedichte heisst «Im Gewitter der Rosen»:
Grossartig, oder? Und so zutreffend auf die Situation der Jungs im «Bachelorette»-Camp, die sich vor nichts mehr fürchten als vor der verdammten Rose. Die Fluch und Segen zugleich ist. Blüte und Dornen, Blitz und Donner in einem. Rosenkandidat Alain zum Beispiel sagte in Folge 5, der Erhalt der Blume hätte ihn «innerlich getroffen wie ein Schlag».
Vielleicht hat Alain Ingeborg Bachmann gelesen? Unwahrscheinlich, aber ich hoff das jetzt mal. Immer wieder fragen mich nämlich Leute, darunter auch ich mich selbst: Wieso schaust du dir so einen Mist an?
Ich bin also in mich gegangen: Ist es wegen des berühmten Ekel-Fremdschämens? Nein, da sind alle «Goodbye Deutschland»-Folgen mit Mallorca-Jens besser. Ist es, weil Zaklina und ihre Zwerge irgendwie sind wie ich und meine Freunde? Kein bisschen. Habe ich je von einem Mann wie Oliver geträumt, der mit mir auf einem Pferd den Strand entlang reitet und sagt: «Ich bi dä, wo am Schluss bimene schöne Film hüült.» Never.
Oder betrachte ich – wie es amerikanische Medien angestrengt versuchen – die «Bachelorette» als feministischen Höhepunkt des Trash-TVs? Gar nicht. Zwar werden hier Geschlechterklischees von einer Frau instrumentalisiert, aus der Welt sind sie trotzdem noch lange nicht.
«Die Bachelorette» schau ich mir an, weil sie mir den vorübergehenden Gehirnschlaf erlaubt. Das Runterfahren jeder Denktätigkeit bis auf ein stupides Staunen, dass es sowas überhaupt (noch) gibt. So ein «Boah, echt jetzt?». Manchmal ist das irrsinnig erholsam. Ein ähnliches Staunen erfasst mich angesichts von Bergen, Feuerwerken, aufwendigen Geschenkverpackungen, in denen nichts drin ist, und der Drachengeburt in «Game of Thrones».
Wahrscheinlich sind die Primaten von Phuket in Wirklichkeit alle gar nicht so simpel wie im Fernsehen. Schliesslich haben sie auch ein Leben. Wahrscheinlich verdienen sie alle mehr als ich. Aber das Fernsehen schreibt sie auf ein paar archaische Typen zurecht, die in jeder Fiktion funktionieren: Den Guten (Oliver), den Bösen (Michael), den Süssen (Simon) und so weiter.
Ihre Träume dürfen dabei nicht komplex sein, sondern supersimpel, am besten der kleinste gemeinsame Nenner unserer Gesellschaft: Mann, Frau, Kind (zur Sicherheit ist ein solches schon da, Zaklina ist Mama). Und dafür müssen sie «kämpfen». So einfach wie möglich: Zuerst mit dem Körper, erst mit dem Kopf. Aber besser gar nicht. «Nachdenken» wird da ja immer als eine Art geistiger Störung geahndet.
Und: Sie dürfen sich nicht zu blöd sein, sich vor laufender Kamera von ihren Trieben überwältigen zu lassen. Weil klar ist, dass genau dies Quote gibt. Und die Fähigkeit zur Quote ist heute in vielen Berufen die Macht schlechthin. So gesehen sind sie top gerüstet für den neoliberalen Überlebenskampf.
Wie hiess es so schön zu Beginn von Folge 5? «Ihr Kampf wird immer mehr zum Krieg. Und im Krieg gibt es keine Regeln.» Und was sagte einst Napoléon angesichts seiner feldherrlichen und libidinösen Eroberungszüge? «Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt.» Eines ist immer auch das andere. Egal wie raffiniert, egal wie stupid. Das ist so in «Game of Thrones». Und in der «Bachelorette». Und das macht Zaklinas Rosengewitter als TV-Spektakel so fett.