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In Zeiten, in denen die Chefs 20 Mal so viel verdienten wie ihre Angestellten, stellten sie ihren Reichtum auch zur Schau. Sie trugen Luxusuhren, fuhren teure Autos und verbrachten ihre Freizeit auf dem Golfplatz. In Zeiten, in denen Chefs 300 Mal so viel verdienen wie ihre Angestellten, ist Protzen nicht mehr angesagt. «Demonstratives Konsumieren ist nicht nur vulgär geworden, sondern eine PR-Katastrophe», schreibt Lucy Kellaway, Management-Expertin bei der «Financial Times».
Superreiche machen neuerdings auf Understatement. Bill Gates soll eine Zehn-Dollar-Uhr tragen, der Chef von Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, eine Swatch und der legendäre Investor Warren Buffett pflegt zu scherzen, dass er erst nach seinem 100. Geburtstag mit dem Golfen anfangen werde.
In diesem Umfeld sind Bücher das ideale Prestigeobjekt geworden. Sie sind billig, und Lesen soll bekanntlich bilden. Doch Buch ist nicht gleich Buch. Wer mit einem Krimi von John Grisham oder von Donna Leon in die Ferien verreist, sieht alt aus. «Die Bücher müssen kürzlich erschienen sein», rät Kellaway. «Am besten ist ein Mix aus Geschichte, Technik und Biografien. Ein Roman ist ebenfalls okay, solange er nicht zu obskur ist.» Hier eine kleine Auswahl:
«SPQR» heisst der Wälzer, den die Cambridge-Historikerin Mary Beard kürzlich veröffentlich hat. Die Abkürzung steht für Senatus PopulusQue Romanus und das Buch ist eine super spannend geschriebene Geschichte des Römischen Reiches. Wer auf den Protzfaktor setzt, kann etwa den Anfang von Ciceros legendärer Rede gegen seinen Widersacher Catilina memorieren («Wie lange gedenkt Catilina noch, unsere Geduld zu missbrauchen?»).
Wer aus der Geschichte lernen will, wird erstaunt und erschreckt sein, wie viele Ähnlichkeiten es zwischen der dekadenten römischen Republik und der modernen Demokratie leider gibt.
Im 19. Jahrhundert spielt «Phantom Terror», ein Buch des polnisch-britischen Historikers Adam Zamoyski. Er hat mit «1812» den desaströsen Russlandfeldzug Napoleons meisterhaft beschrieben und in «1815» die Intrigen und Liebschaften des Fürsten von Metternich am Wiener Kongress im Detail nacherzählt.
In «Phantom Terror» weist Zamoyski nach, dass im Europa des 19. Jahrhunderts die Polizei keineswegs entstanden war, um böse Diebe zu fangen, sondern um politische Umstürze zu verhindern. Der nach der französischen Revolution zutiefst verunsicherte reaktionäre Adel sah in allem und jedem eine Verschwörung, die es niederzuschlagen galt. Auch hier eine deprimierende Erkenntnis: Um Menschen zu überwachen, braucht es keine NSA.
«The Rise and Fall of American Growth» von Robert J. Gordon ist das Trendbuch des Jahres und eine Art Nachfolger von Thomas Pikettys «Das Kapital des 21. Jahrhunderts».
Der Ökonom und Wirtschaftshistoriker vertritt darin die These, dass die wesentlichen Erfindungen, die zum Wohlstand im Westen geführt haben, zwischen 1870 und dem Zweiten Weltkrieg erfolgt sind. Elektrischer Strom, Verbrennungsmotor, Waschmaschine und sanitäre Anlagen haben in den Industrieländern ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Auf eine Fortsetzung könnten wir nicht hoffen, so Gordon. Diese Dinge seien einmalig gewesen und würden sich nicht wiederholen lassen. Bad News für alle Anhänger der digitalen Revolution.
Alle reden von künstlicher Intelligenz. «Machines of Loving Grace» von John Markoff ist das ideale Buch für alle Laien, die sich endlich auf diesem Gebiet schlau machen wollen.
Als Journalist für die «New York Times» verfolgt Markoff die Szene seit Jahrzehnten. Er zeigt nicht nur auf, wie die einzelnen Fraktionen der künstlichen Welt entstanden sind und was sie voneinander unterscheidet, er tut dies verständlich und ohne jeden Hype.
In «Reclaiming Conversation» von Sherry Turkle geht es darum, wie Smartphone und soziale Medien das Verhalten von Teenagern beeinflussen. Ebenfalls seit Jahrzehnten erforscht Turkle als Psychologin am MIT die Beziehung von Mensch und Technik.
Sie kommt dabei zu eher deprimierenden Schlüssen. In ausführlichen Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern macht Turkle klar, dass Teenager ihr Smartphone nicht zum Telefonieren, sondern zum Texten brauchen. Auf diese Weise behalten sie stets die Kontrolle. Sie verlieren dabei aber die Essenz menschlicher Beziehungen, die Empathie.
Hier gibt es nur einen Kandidaten: «Elon Musk» von Ashlee Vance. Wer es noch nicht gelesen hat, sollte dies schleunigst tun (es ist auch auf deutsch erhältlich). Musk wird heute bereits mit Henry Ford oder Steve Jobs verglichen, und das zu Recht.
Mit Tesla, SpaceX und SolarCity mischt er die mächtigsten Branchen und Konzerne auf und zwingt sie zum Umdenken. Vance macht dabei nicht auf Heldenverehrung – als Mensch kann Musk ein ziemliches Arschloch sein –, sondern er zeigt, dass es sehr spezielle Fähigkeiten braucht, um eine solche Leistung zu vollbringen.
Okay, «Secondhand-Zeit» von Swetlana Alexijewitsch ist kein Roman im herkömmlichen Sinne. Aber immerhin hat sie den Literaturnobelpreis 2015 gewonnen, wir können also mit gutem Gewissen ein Auge zudrücken.
Alexijewitsch hat mit hunderten von Russen Interviews geführt. Dabei hat sie über die Erfahrungen der normalen Bürgerinnen und Bürger in der Sowjetunion, über Stalin und den Zweiten Weltkrieg, über die wilden Neunzigerjahre und das neue Putin-Regime gesprochen. Dabei wird allmählich klar, was für Traumata diese Menschen verarbeiten mussten und immer noch müssen. «Secondhand-Zeit» trägt mehr zum Verständnis des modernen Russlands bei als die meisten schlauen Polit-Analysen.
Jane Mayers Buch «Dark Money». Die Journalistin des «New Yorker» verfolgt darin den Aufstieg der neuen Rechten in den USA und zeigt auf, was für einen Einfluss Milliardäre wie die Koch-Brüder auf die amerikanische Politik haben.
Einflussreiche Denkfabriken wie die Heritage Foundation oder das American Enterprise Institute, aber auch Hochschulen wie die George Mason University werden von ihnen gesponsort mit dem klaren Auftrag, neoliberales und libertäres Gedankengut zu fördern. Auch die republikanische Partei war mehr oder weniger von den Milliardären gekauft – dann kam Trump. Aber das ist eine andere Geschichte.