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Sahra Wagenknecht ist promovierte Volkswirtin. Sie ist in der ehemaligen DDR aufgewachsen und gilt bis heute als eine Art Vorzeigekommunistin. Gleichzeitig ist sie die derzeit wohl bekannteste und einflussreichste Vertreterin der deutschen Linken.
Nun hat Wagenknecht ein neues Buch vorgelegt. «Reichtum ohne Gier» heisst es und ist erwartungsgemäss eine Abrechnung mit dem Kapitalismus, aber überraschenderweise auch ein Plädoyer für die Marktwirtschaft. Ein Widerspruch in sich also? Keineswegs. Aber der Reihe nach:
Bei ihrer Analyse der aktuellen Entwicklungen bewegt sich Wagenknecht auf mittlerweile bekannten Pfaden: Die Reichen werden immer reicher, die Globalisierung führt zu einer weltweiten Supply Chain, bei der Güter ökonomisch sinnlos und ökologisch mit katastrophalen Folgen um die Welt geschippert werden. Der Mittelstand droht zu verarmen und es entsteht ein neues Prekariat.
Schon im Vorwort stellt Wagenknecht deshalb klar:
Die bürgerliche Gesellschaft ist mit einer falsch verstandenen Globalisierung im Begriff, ihr Erbe der Aufklärung zu verraten. Nicht mehr die Leistung zählt, sondern die Abstammung. Wagenknecht verweist auf Thomas Piketty, der in seinem Bestseller «Das Kapital des 21. Jahrhunderts» detailliert aufgezeigt hat, dass die Kapitalrendite grösser ist als der Ertrag, der sich aus produktiver Arbeit erwirtschaften lässt. Eine immer weiter auseinanderklaffende Reichtumsschere ist die unausweichliche Folge davon.
Gleichzeitig warnt sie eindringlich davor, dass der technische Fortschritt allein die Entwicklung zu einem feudalen Kapitalismus nicht aufhalten kann. Sie verweist auf Peter Thiel, PayPal Mitbegründer, Milliardär und Vordenker im Silicon Valley. Dieser hat jüngst klar festgehalten, dass der digitale Kapitalismus sein Heil nicht mehr im Wettbewerb, sondern im Monopol sieht. Google, Facebook & Co. funktionieren nach dem Motto: Wettbewerb ist für Verlierer.
Seit im Herbst 2008 eine Kettenreaktion im Bankenwesen beinahe die Weltwirtschaft in die Knie gezwungen hat, beginnen sich auch Linke für die Finanzindustrie zu interessieren. So auch Wagenknecht. Sie widmet den Banken und der Geldpolitik ein eigenes Kapitel. Dabei befasst sie sich ausführlich mit dem Fiat Money und dem fraktionalen Bankenwesen und kommt dabei zum Schluss, dass Vollgeld zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber trotzdem nur die halbe Miete sei.
Stopp! Das Ganze nochmals in der Verlangsamung: Als Fiat Money bezeichnet man das Privileg der Banken, mittels Kredit selbst Geld drucken zu können. Unter dem fraktionalen Bankwesen versteht man die Tatsache, dass die Banken nur einen kleinen Teil ihres Fiat Moneys bei den Zentralbanken mit Reserven absichern müssen. Und mit Vollgeld soll den Banken die Erlaubnis zum Gelddrucken wieder entzogen und allein der Notenbank übertragen werden. In der Schweiz ist übrigens im letzten Herbst eine Vollgeld-Initiative erfolgreich eingereicht worden.
Wagenknecht glaubt, dass Vollgeld allein nicht genügen wird, weil die Banken immer neue Tricks zur Geldvermehrung finden würden. Sie fordert daher eine radikalere Lösung, die Zerschlagung des bestehenden Bankenwesens und die Gründung von Gemeinwohlbanken. «Wer eine Kettenreaktion verhindern will, muss die Kette zerschlagen», so Wagenknecht.
Ebenfalls über die Klinge springen müssten Euro und die Europäische Zentralbank (EZB). «Die Eurozone ist nicht demokratisch gestaltbar, sie verfügt nicht einmal über demokratische Institutionen», so Wagenknecht. Deshalb will sie zurück zu nationalen Währungen, die durch Kapitalverkehrskontrollen vor Spekulanten geschützt werden.
Anstatt Grossbanken, die rund um die Welt tätig sind und mit hochkomplexen Finanzinstrumenten undurchsichtige Spekulationen tätigen, schlägt Wagenknecht gut überwachte, regionale Gemeinwohlbanken vor. Diese versorgen die Wirtschaft mit Krediten, mehr nicht. Der Beruf des Bankiers wird wieder langweilig – und das ist gut so. Den Staat zu finanzieren ist Aufgabe der Notenbank.
Und wie hält es die ehemalige Vorzeige-Kommunistin Wagenknecht mit dem Recht auf Eigentum? «Das Eigentumsrecht sollte also den privaten Lebensbereich schützen, nicht aber gesellschaftliche Machtstellungen», lautet die Antwort. «Es sollte zu Anstrengung; Kreativität und Leistung motivieren, aber kein Instrument der Bereicherung zulasten anderer sein.»
Die Marktwirtschaft der digitalen Gesellschaft sieht gemäss Wagenknecht idealerweise wie folgt aus: «Sie sollte die Freiheit unternehmerischer Initiative sichern, aber zugleich die neofeudalen Konsequenzen des heutigen Wirtschaftseigentums – leistungslose Einkommen und die Vererbbarkeit der Kontrolle über Unternehmen – vermeiden.»
Diese Marktwirtschaft wird nicht mehr von multinationalen Konzernen mit ihrer globalen Supply Chain beherrscht. «Eine moderne Wirtschaftsordnung muss deshalb eine Marktverfassung anstreben, die die Unternehmen auf kleinste technologisch sinnvolle Grösse reduziert», stellt Wagenknecht fest.