Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff muss ihr Amt vorläufig abgeben. Der Senat stimmte am Donnerstag nach einer Marathonsitzung mit 55 zu 22 Stimmen für eine Suspendierung von zunächst 180 Tagen, um mögliche Amtsverfehlungen Rousseffs juristisch untersuchen zu lassen. Dann muss der Senat über eine endgültige Amtsenthebung entscheiden. Wird das Quorum verfehlt, würde Rousseff wieder das Amt übernehmen.
Nun übernimmt ihr Vize Michel Temer den Posten an der Staatsspitze. Der 75-jährige Politiker der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) hatte die Koalition mit Rousseffs linker Arbeiterpartei im März aufgekündigt.
Das Amtsenthebungsverfahren wird nicht mit Korruptionsvorwürfen begründet, sondern primär mit Bilanztricks im Staatshaushalt. Über staatliche Banken werden Sozialprogramme wie die Familiensozialhilfe bezahlt. Die Regierung soll zum Beispiel die Überweisung von 3,5 Milliarden Reais (900 Millionen Euro) für ein Hilfsprogramm für Bauern bewusst verzögert haben, um das Defizit zu verringern – das haben aber auch schon Vorgängerregierungen gemacht.
Rousseff weist die Vorwürfe zurück und spricht von einem «Putsch». Sie sei bis zum 31. Dezember 2018 gewählt, einen Rücktritt schliesst sie aus. Ihr Versuch, das Amtsenthebungsverfahren in letzter Minute stoppen zu lassen, war am Mittwoch vom Obersten Gericht des Landes zurückgewiesen worden.