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Ein Rasenmäher-Verbot für eine bessere Welt: So stellt sich ein Ökonom die Zukunft vor

Gehören nicht in eine nachhaltige Welt: Rasenmäher. 
Gehören nicht in eine nachhaltige Welt: Rasenmäher. bild: shutterstock/watson

Rasenmäher und Laubbläser-Verbot: So stellt sich ein Ökonom eine bessere Welt vor

Ein Leben ohne Autos und mit weniger persönlicher Freiheit wird furchtbar. Wirklich? Der britische Ökonom Graeme Maxton kommt zu einem anderen Schluss.
16.12.2018, 16:1717.12.2018, 07:00
Graeme Maxton / ch media
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In den letzten 70 Jahren hat sich unser Lebensstandard ungemein verbessert, das rasche Tempo der menschlichen Entwicklung hat die Natur allerdings viel gekostet. Immer mehr Arten sind verschwunden, die Ozeane sind ziemlich verschmutzt und der Klimawandel wurde zu einer existenziellen Bedrohung. Um diese Probleme langfristig zu lösen, müssen die Gesellschaften ihr Wirtschaftssystem überdenken.

Wie würde eine nachhaltige Wirtschaft aussehen?

Um wirklich nachhaltig zu sein, müsste eine Wirtschaftsform es mehreren Generationen ermöglichen, zu wachsen, und sie müsste die Regeln und Bedingungen der Natur einhalten. Sie müsste ein ökologisches Gleichgewicht einhalten, das mit den Bedürfnissen zukünftiger Generationen vereinbar ist, und auch die Bedürfnisse aller anderen Arten berücksichtigen, die jetzt schon leben.

Das Wirtschaftssystem müsste es möglich machen zu existieren mit sehr wenig Konsum. Die Umweltbelastung müsste zurückgefahren werden auf ein Mass, das die Natur problemlos absorbieren kann. Natürlich heisst das auch, dass die Weltbevölkerung aufmerksam kontrolliert werden muss, wobei das im Einklang mit den technologischen Möglichkeiten einer Gesellschaft geschehen kann.

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Der Brite Graeme Maxton ist Ökonom, Dozent und Autor. Von 2014 bis in diesem Jahr war er Generalsekretär des Club of Rome, der sich seit 1968 für eine nachhaltige Zukunft einsetzt. Der heutige Sitz ist Winterthur. Maxtons neustes Buch: «Change! Warum wir eine radikale Wende brauchen». Komplett Media.

Eine nachhaltige Wirtschaft dürfte kein exponentielles Wachstum an Gebrauchsgütern aufweisen, ausser solchen, die leicht ersetzbar sind. Ebenfalls müsste man eine Art Mechanismus haben, mit dem die Wirtschaft stabil gehalten werden kann, Boom- und Depressionsphasen verhindert werden können und das Risiko für menschliche Konflikte minimiert wird.

Auch andere Ursachen für Konflikte müssten aufmerksam kontrolliert werden, zum Beispiel die Waffenproduktion. Moderne Waffen brauchen nicht erneuerbare Ressourcen und Konflikte bergen Gefahr für lang andauernde Umweltschäden.

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Die Weltmeere versinken im Plastik. Bild: EPA/EPA

Bauern müssten vorrangig ihr Land für die nächsten Generationen schützen. Nahrungsproduktion wird sekundär. Nicht erneuerbarer Dünger, der Landerosion oder Luftverschmutzung für mehrere Jahre produziert, darf nicht benutzt werden. Organische Abfälle ohne chemische Rückstände wären die einzigen Dünger.

Gutes Design für mehr Recycling

Die für die Produktion physischer Güter nötigen Ressourcen müssten eingeschränkt werden. Je länger die Gesellschaft oder die Zivilisation überdauern will, desto weniger nicht erneuerbare Ressourcen dürften verbraucht und desto weniger Verschmutzung dürfte toleriert werden. Die allermeisten Güter müssten mit rezykliertem oder erneuerbarem Material produziert werden, damit möglichst wenig Abfall entsteht.

Design wird wichtig, damit Güter wiederverwertet, rezykliert und repariert werden können, ohne dass nicht erneuerbare Ressourcen gebraucht werden. Überhaupt müssen Güter und Produktionseinrichtungen so lange wie möglich gebraucht werden. Das heisst auch, dass der Kapitalstock, der für die Güterproduktion eingesetzt wird, schrumpfen muss.

In einer nachhaltigen Welt würde ein Liter Benzin 100 Franken kosten. Aber es gäbe mehr Freizeit und Kunst. 
In einer nachhaltigen Welt würde ein Liter Benzin 100 Franken kosten. Aber es gäbe mehr Freizeit und Kunst. 

Wenn die Produktion effizienter wird, müssen die Gewinne investiert werden, um die Kapazitäten zurückzubauen und nicht, um die Produktion auszuweiten, damit weniger Ressourcen verbraucht werden. Die Angestellten sollten Effizienzgewinne in Form von mehr Ferien ausbezahlt bekommen und nicht mehr arbeiten müssen.

Auch die Energie muss aus erneuerbaren Quellen kommen, aber auch hier muss es Einschränkungen geben. Das gegenwärtige Angebot an erneuerbaren Energien und ihre Speicherung braucht viele Ressourcen. Solar Panels, Windfarmen, Wasserkraft und Gezeitenkraftwerke brauchen viele nicht erneuerbare Ressourcen in der Herstellung, desgleichen auch die Batterietechnologie und die Verteilnetzwerke. Das wird nicht funktionieren.

Geht es nach dem Ökonom, werden Laubbläser in Zukunft verboten werden. 
Geht es nach dem Ökonom, werden Laubbläser in Zukunft verboten werden. bild: keystone

Verbot für Rasenmäher

Eine nachhaltige Welt wird komplett anders aussehen. Haushaltgeräte wie Rasenmäher, Laubbläser oder Schneefräsen werden verboten. Der Verkauf von Waschmaschinen muss zurückgehen, um Verschwendung, Energieverbrauch und Doppelspurigkeiten zu vermeiden. Jede Maschine sollte gemeinsam benutzt werden.

Städte sollten nach Mitternacht keine leeren Strassen beleuchten. Die Benützung von Computern zur Erzeugung von Virtualgeld ist Energieverschwendung und sollte verboten werden. Videostreaming, Datenspeicherung online und E-Mail würden viel mehr kosten. Gratisaufladen für E-Mobile und elektronische Geräte gibt es nicht mehr.

Die Schiene wäre Haupttransportmittel für Passagiere und Fracht. Die Arbeit muss dezentralisiert werden. Das Abfallvolumen müsste drastisch schrumpfen. Kein Plastik mehr in den Supermärkten, auch keine Wegwerfbecher in Coffeeshops. 1 Liter Heizöl oder Benzin würde 100 Franken kosten. Das internationale Transportvolumen würde mit steigenden Preisen zurückgehen.

Die Bauern würden mehr Leute anstellen, um höhere Treibstoffkosten zu kompensieren, hätten dafür mehr für den lokalen Bedarf zu produzieren. Baumeister und Architekten müssten einen Ersatz finden für Beton, Stahl und Aluminium. Chemiefirmen, Autobauer, Airlines und Transportfirmen würden verschwinden.

Leute, welche bei der Entwicklung neuer Waffen dabei sind, müssten sich einen anderen Job suchen, diejenigen, die alle zwei Monaten neue Zahnbürsten, Lippenstifte und Rasierklingen entwerfen, auch.

Eine Gesellschaft auf Dauer müsste sich auf das Wohl aller konzentrieren, nicht das Bruttosozialprodukt steigern. Das würde heissen, dass man die persönliche Freiheit beschränkt, damit lokal und zur richtigen Zeit Arbeitskapazität zur Verfügung steht. Die Leute könnten nicht nach Wunsch Ressourcen verschwenden oder die Umwelt verschmutzen. Die Individuen wären genötigt, die sozialen Beschränkungen zu respektieren, die nötig sind, damit ein Gleichgewicht erreicht werden kann.

Gleichheit wäre nicht nötig für eine Moment-für-Moment-Wirtschaft. Es wäre nötiger, dafür zu sorgen, dass alle gleichermassen zur sozialen Entwicklung beitragen könnten und ihre Talente dafür verwenden könnten. Hat die nachhaltige Gesellschaft einmal alle Grundbedürfnisse der Bürger befriedigt, könnte sie immer noch individuelle Leistung belohnen, solange man die Kluft zwischen Arm und Reich nicht allzu gross werden lässt und diese Zusatzleistung gerecht beurteilt würde. Zu einem definierten minimalen Lebensstandard müsste man auch einen maximalen definieren.

Keine Rückkehr in die Steinzeit

Auf den ersten Blick kommt einem eine solche nachhaltige Wirtschaft sehr depressiv und wie eine Rückkehr in die Steinzeit vor. Ein solches Wirtschaftssystem ist mit Sicherheit nicht leicht zu managen und zu kontrollieren. Kreativität, Flexibilität und viel Selbst-Disziplin wären gefragt, und man müsste auch noch neue Fähigkeiten entwickeln.

Aber es müsste nicht so düster werden. Eine stabile Wirtschaft bedeutet nicht, dass sich die Gesellschaft nicht ändern kann. Humanität kann man immer entwickeln. Anstelle von materiellem Konsum gäbe es künstlerisches, kulturelles, intellektuelles und technologisches Wachstum.

Man könnte sich auf allgemeines Wohlbefinden, erfülltere Lebenserwartung, Gesundheit und Glück konzentrieren. Sport und Religion würden auch blühen, mehr Freizeit für alle gäbe es auch.

Man muss nur den Ressourcenkreislauf geschlossen halten, sodass die seltenen, nicht erneuerbaren Ressourcen geschont würden und die Beeinträchtigung der Umwelt die natürlichen Limiten nicht überschreitet. Es wäre eine viel bessere Welt – in mancherlei Hinsicht. (aargauerzeitung.ch)

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Video: watson/Angelina Graf
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39 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Loeffel
16.12.2018 16:40registriert Oktober 2016
Laub wegblasen mit Benzinbläser ist der Inbegriff von Erstwelt Dekadenz und absoluter bünzliger Ignoranz für Feingefühl gegenüber Umwelt und Mitbewohner. No go!
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LeChef
16.12.2018 16:46registriert Januar 2016
Graeme Maxton ist kein Ökonom. Es ist fast unmöglich, einen CV von ihm online zu finden, und ich weiss jetzt auch warum: Er hat einen BA in „Economics and Operations Research“ (also eigentlich BWL) und einen MBA von zwei no-name Business Schools in Dundee und London.

Wenn der Typ Ökonom ist, dann bin ich diplomierter Chemiker, weil ich Chemie im Gymi hatte.
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Ökonometriker
16.12.2018 16:25registriert Januar 2017
Man könnte auch Technologien entwickeln, die ein Leben in Freiheit und Wohlstand ermöglichen und Fortschritt erlauben. Man muss dies sogar tun, da fossile Energieträger für die Entwicklung der Menschheit spätestens in 2 oder 3 Generationen nicht mehr ausreichend sind.

Die in diesem Artikel beschriebenen Themen sind abstrus - schon alleine deshalb, weil es nur etwas bringen würde, wenn die ganze Welt diese Politik umsetzen würde und es noch sehr viele Entwicklungsländer gibt, die kurzfristigere Prioritäten haben.

Die besseren Technologien stünden hingegen mit der Zeit allen zur Verfügung.
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