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Ob wohl auch ein paar quer denkenden Menschen die Augen aufgehen, wenn - neben der Übersterblichkeit - ein weiteres Hauptargument ihrer Verharmlosungsstrategie zerfällt?
Covid-19, die vom neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 verursachte Erkrankung, und die saisonale Grippe, fachsprachlich Influenza genannt, haben einiges gemeinsam: Beide sind Atemwegserkrankungen, die von einem Virus verursacht werden, beide werden hauptsächlich über Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt verbreitet, beide weisen sehr unterschiedliche Schweregrade auf, die von symptomlosen oder milden Formen bis zu lebensbedrohlichen oder gar tödlichen Verläufen reichen.
Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede, etwa die Inkubationszeit, die bei der Grippe 1 bis 2 Tage, bei einer Corona-Infektion hingegen 5 Tage dauert, bisweilen sogar bis zu 14 Tage. Zudem liegt die Sterblichkeit bei Covid-19 höher, was freilich von manchen Leuten bestritten wird, die diese neue Krankheit als «harmlose Grippe» betrachten.
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Dass Covid-19 jedoch gravierender als die Influenza ist, hat erneut eine im Dezember im Fachmagazin «The Lancet» veröffentlichte retrospektive französische Studie belegt. Die landesweite Kohortenstudie untersuchte klinische Befunde und Letalität bei stationären Patienten in Frankreich, die mit Covid-19 oder saisonaler Grippe hospitalisiert worden waren.
Die Wissenschaftler der nationalen Forschungseinrichtung Inserm verglichen alle vom 1. März bis zum 30. April 2020 stationär wegen Covid-19 behandelten Patienten mit jenen, die in der Saison 2018/2019 (1. Dezember 2018 bis 28. Februar 2019) wegen Influenza hospitalisiert worden waren. Das Augenmerk der Untersuchung richtete sich auf mögliche Unterschiede bei Risikofaktoren, klinischen Befunden und Behandlungsergebnissen, wobei alle Daten zugleich nach Altersgruppen stratifiziert wurden.
Die Studienautoren hatten Zugriff auf die Entlassungsberichte zu allen Krankenhauseinweisungen in Frankreich, die in der nationalen Verwaltungsdatenbank (PMSI) verfügbar sind. Die Zahl der wegen Covid-19 hospitalisierten Personen betrug 89'530, jene der Grippe-Patienten 45'819. Damit handelte es sich nach Aussage eines der an der Studie beteiligten Autoren um den bisher umfangreichsten Vergleich der beiden Krankheiten.
Mehr als die Hälfte der Covid-19-Patienten (53 Prozent) waren männlich; bei den Influenza-Patienten war das Verhältnis umgekehrt (52 Prozent weiblich). Das mittlere Alter der Covid-19-Patienten betrug 68 Jahre, jenes der Grippe-Patienten 71 Jahre. Bei den Vorerkrankungen zeigte sich, dass Covid-19-Patienten häufiger übergewichtig oder gar adipös waren und häufiger an Diabetes, Bluthochdruck oder Dyslipidämie (Fettstoffwechselstörung; zu hoher Cholesterin-Spiegel) litten als die Influenza-Patienten. Diese wiederum litten häufiger an Herzinsuffizienz, chronischen Atemwegserkrankungen, Zirrhose oder Mangelanämie (Blutarmut).
Der Befund der Studie ist eindeutig: Die Sterblichkeit im Krankenhaus – die Sterberaten beziehen sich ausschliesslich auf die hospitalisierten Patienten – lag bei den Covid-19-Patienten höher als bei den Influenza-Patienten. 15'104 von 89'530 hospitalisierten Patienten mit Covid-19 starben, dies entspricht einer Sterblichkeit von 16,9 Prozent. Dagegen betrug sie bei den Grippe-Patienten lediglich 5,8 Prozent (2640 von 45'819 Patienten) – dies, obwohl die untersuchte Grippe-Saison in Frankreich gemäss einem Studienautor die tödlichste der vergangenen fünf Jahre war.
Bei den Patienten, die aufgrund von Covid-19 hospitalisiert waren, kam es häufiger zu akutem Atemversagen, Lungenembolien, einem septischen Schock oder hämorrhagischen Schlaganfall als bei den Grippe-Patienten. Dagegen traten bei ihnen Herzinfarkt oder Vorhofflimmern seltener auf.
Auch hier ergab die Untersuchung ein eindeutiges Bild: 16,3 Prozent der Covid-19-Patienten, die im Krankenhaus lagen, mussten intensivmedizinisch versorgt werden, während der entsprechende Anteil bei den Influenza-Patienten nur 10,3 Prozent betrug. Hinzu kam, dass die Covid-19-Patienten ungefähr doppelt so lange auf der Intensivstation bleiben mussten. Zudem mussten sie auch etwa doppelt so häufig maschinell beatmet werden.
Es fällt auf, dass der Anteil der pädiatrischen Patienten (jünger als 18 Jahre) bei Covid-19 sehr viel geringer war als bei Influenza: Nur 1,4 Prozent (1227 Personen) aller wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingelieferten Patienten gehörte zu dieser Altersgruppe, die damit mit Abstand die kleinste Gruppe war. Bei der Grippe hingegen war diese Altersgruppe die zweitgrösste; sie umfasste fast ein Fünftel (19,5 Prozent / 8942 Personen) aller Patienten.
Allerdings war der Verlauf der Krankheit bei jungen Covid-19-Patienten schwerer: In der Altersgruppe der Unter-5-Jährigen mussten 2,3 Prozent (14 von 613 Patienten) intensivmedizinisch behandelt werden. Bei den Influenzapatienten waren es lediglich 0,9 Prozent (65 von 6973 Patienten). Und in der Altersgruppe der 11- bis 17-Jährigen war die Sterblichkeit bei den Covid-19-Patienten zehnmal höher als bei den wegen Influenza hospitalisierten – 1,1 Prozent (5 von 458 Personen) gegenüber 0,1 Prozent (1 von 804 Personen). Die absoluten Patientenzahlen sind hier allerdings sehr niedrig, was die Aussagekraft dieses Befunds abschwächt.
(dhr)