Die 18-jährige Rahaf Mohammed al-Kunun hat es gewagt. Während eines Aufenthalts in Kuwait hat sie sich von ihrer Familie davongestohlen und sich in ein Flugzeug nach Thailand gesetzt.
Am Dienstag wartete sie in Bangkok unter dem Schutz des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR auf ihre Weiterreise nach Australien. Nun wurde sie von den Vereinten Nationen als Flüchtige anerkannt. Die Morrison-Regierung gab öffentlich bekannt, dass sie erwäge, Rahaf Asyl anzubieten – denn diese fürchtet, von ihrer Familie getötet zu werden, wenn sie zurück nach Saudi-Arabien geschickt würde.
In Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten hat eine Frau keinerlei Bewegungsfreiheit. Ohne ihren männlichen Vormund, den wakheel, darf sie nirgendwohin. Ohne ihn hat sie so gut wie keine Rechte.
Deshalb versuchen einige immer wieder, diesem unfreien Leben zu entfliehen. Was sie dabei für Risiken auf sich nehmen, zeigen diese sechs Frauenschicksale.
Mit ganzem Namen hiess sie Mischal bint Fahd bin Mohammed Al Saud. Sie war die Enkelin des Bruders von König Chalid, der von von 1975 bis 1982 Saudi-Arabien regierte.
Die Prinzessin besuchte im Libanon die Schule, wo sie sich in Chaled verliebte, den Neffen des saudischen Botschafters. Bald nach der Rückkehr der beiden in ihre Heimat sprach sich herum, dass sich das Liebespaar immer wieder heimlich traf.
Manchen Berichten zufolge war sie verheiratet – wurde also als junges Mädchen in eine arrangierte Ehe gedrängt –, anderswo heisst es, sie sei ungebunden gewesen. An diesen Widersprüchen erkennt man gut, auf welch wackeligen Beinen die Geschichte steht und wie schwierig es ist, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Wir wollen dennoch versuchen, das Schicksal der Prinzessin nachzuzeichnen.
Gegen Prinzessin Mischal und ihren Geliebten wurde Anklage wegen Ehebruchs erhoben. Sie versuchte daraufhin, ihren eigenen Tod durch Ertrinken vorzutäuschen und als dies nicht gelang, wollte sie mit Chaled aus Saudi-Arabien fliehen. Sie verkleidete sich als Mann, doch den Passprüfer am Flughafen Dschidda vermochte sie nicht zu täuschen – er erkannte die Prinzessin. Sie wurde zu ihrer Familie zurückgeschickt.
Die Todesstrafe wird im islamischen Gottesstaat zumeist durch Enthauptung auf einem öffentlichen Platz vollzogen – diese wird auf der Welt sonst nur noch von den Terroristen des «Islamischen Staats» praktiziert. Sie droht nicht nur dem Mörder, sondern auch dem Drogenhändler, der Hexerei, der Sodomie (Homosexualität) oder des Ehebruchs «Überführten». So will es die Scharia.
Den Angeklagten werden dabei gern Strafverteidiger verweigert und Geständnisse durch Folter erpresst. Angehörige werden, wenn überhaupt, oft erst nach der Exekution informiert.
Laut der offiziellen Version legte Prinzessin Mischal vor Gericht ein Schuldbekenntnis ab. Drei Mal habe sie erklärt: «Ich habe Ehebruch begangen.» Dies sei nötig, um eine Person wegen Ehebruchs zum Tode zu verurteilen, sofern man nicht vier erwachsene Männer auftreiben kann, die den Sexualakt bezeugen können.
Am 15. Juli 1977 musste sie sich mit verbundenen Augen in der Nähe des Palastes in Dschidda auf einem Parkplatz niederknien. Ihr Grossvater gab den Befehl für die Schüsse, denn sie hatte Schande über die königliche Familie gebracht.
Ihr Geliebter Chaled hatte der Erschiessung beiwohnen müssen, bevor auch ihn der Tod ereilte. Das Schwert führte ein Verwandter der Prinzessin. Es war nicht das Werk eines professionellen Henkers: Fünf Mal sauste der Krummsäbel auf den Nacken Chaleds nieder, bis der Kopf ab war.
Drei Jahre später wurde das Dokudrama «Death of a Princess» des unabhängigen Filmemachers Antony Thomas im britischen und US-amerikanischen Fernsehen gezeigt. Als es der saudischen Regierung nicht gelang, die Ausstrahlung des Filmes zu verbieten, verwies sie den britischen Botschafter des Landes und annullierte Exporte nach Grossbritannien im Wert von mehreren Millionen Pfund.
Im Film wurde die offizielle Version bestritten. Gemäss Thomas wurde der Prinzessin keinerlei Gerichtsverfahren gewährt. Es sei nichts mehr als ein sippenbedingter Rachemord gewesen:
Am 23. April 2018 hat es die 24-jährige Salwa geschafft, aus Riad zu fliehen. Sechs Jahre lang wuchs dieser Wunsch in ihr, bis er schliesslich so stark war, dass sie das Handy ihres Vaters stahl und damit einen Account eröffnete, um in seinem Namen einen Reisepass für sich selbst zu bestellen.
In der Nacht verliess sie ihr Zuhause und bestieg ein Flugzeug nach Kanada. Zum ersten Mal in der Öffentlichkeit zog sie ihren Nikab aus.
Die Nachrichten von der Polizei erhielt Salwa selbst, denn sie hatte auch die Handynummer ihres Vaters zur ihrer gemacht. Manchmal schreibt ihr Vater und fragt sie, wo sie sei. Salwa antwortet nicht. Ausser ihrer Nichte fehlt ihr niemand aus der Familie.
Sie verliess Saudi-Arabien, weil ihr als Frau nichts erlaubt war. Sie durfte sich ohne ihren Vormund nicht bewegen, nichts entscheiden, überhaupt nichts tun. «Ich lebte wie eine Sklavin», sagt sie. Salwa durfte zwar studieren, doch danach musste sie sofort wieder nach Hause zurückkehren.
Die meisten Mädchen in Riad gehen zur Schule, erzählt sie, aber sie können jederzeit wieder von ihrem Vormund abgezogen werden. Zum Beispiel, wenn sie verheiratet werden sollen.
Salwa hat nicht nur Saudi-Arabien hinter sich gelassen, sondern auch den Islam. Sie ist Atheistin – und das schon, seit sie 20 Jahre alt ist.
In Kanada kannte sie niemanden, sie hatte vor ihrer Flucht nur ein Video eines Saudis gesehen, der seinen Zuschauern versicherte, dass die kanadischen Bedingungen für Flüchtlinge gut seien.
— العُزّى #freelatifa (@ms_dimples94) October 25, 2018
Wäre Salwa die Flucht nicht gelungen, hätte man sie wahrscheinlich ins Dar Al Reaya gesteckt, in eines der saudischen «Pflegeheime» für Mädchen und Frauen, die ihrem Vormund davonlaufen oder sonst wie Schande über ihre Familie gebracht haben. Viele der Frauen sind Vergewaltigungs- und Missbrauchsopfer. Manche begeben sich aus Verzweiflung über ihre Situation aus freien Stücken in die Einrichtung – die meisten aber werden dazu gezwungen. Sie leben in winzigen, dreckigen Zellen, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Sie werden gepeitscht und teilweise von ihren Wächtern vergewaltigt. Einige werden verrückt, wenn sie es nicht schon durch die vorangegangenen traumatischen Erlebnisse geworden sind.
Raus kommen die Frauen nur, wenn ihre Vormunde ihre Freilassung verlangen oder sie mit einem fremden Mann verheiratet werden. Das sei entweder ein sehr alter Mann, der eine junge Frau will, ein sehr religiöser Mann, der sich davon eine göttliche Belohnung verspricht oder einfach ein Mann, der nach einer geringen Mitgift sucht, sagt diese Frau, die der Hölle des Dar Al Reaya entkommen ist:
Amna Aljuaid gelang dies nicht.
Am 25. Oktober 2017 postet Amna zwei Videos, vielleicht die letzten, die sie in ihrem Leben machen wird, wie sie sagt.
Im zweiten Video nennt sie ihren Vater Mohammed Aljauid als Urheber ihres Leidens.
Amna hatte versucht, das Land zu verlassen. Sie wollte ihren Cousin nicht heiraten, einen Mann, den sie nicht liebt. Doch die Flucht misslang und Amna wurde zurück nach Saudi-Arabien gebracht. Sofort lief sie wieder weg, bevor ihr Onkel und ihr Vater ihr etwas antun konnten. Papiere hat Amna keine und wegen des Vormundschaftssystems kann sie selbst auch keine beantragen.
Amna fürchtet um ihr Leben. Ihre einzige Chance sei dieses Video, sagt sie.
Kurz nachdem sie die Videos veröffentlicht hatte, verschwand Amna. Ihr Vater hatte sie ins Dar Al Reaya gesteckt – wegen ihres Fluchtversuchs und weil sie ihn verleumdet und seinen Namen öffentlich durch ihre Geschichte in den Schmutz gezogen hatte.
«Ich weiss wirklich, wie Dina Ali sich gefühlt haben muss, als sie zu ihrer Missbraucher-Familie zurückgeschickt wurde», sagt Amna im Video. Dina Ali Lasloom, das ist eine junge Frau aus Saudi-Arabien, die bis 2017 in Kuwait wohnte. Wenn sie noch lebt, ist sie heute 25 Jahre alt.
Am 10. April 2017 landete Dina Ali in Manila. Nach dem Zwischenstopp in der Hauptstadt der Philippinen sollte die Reise weitergehen nach Sydney – dort wollte sie um Asyl ersuchen, um einer drohenden Zwangsheirat zu entgehen. Dina Ali war im Besitz eines Touristenvisums, das sie sich in der australischen Botschaft in Kuwait beschafft hatte. Im Geheimen, denn als saudische Staatsangehörige war ihr dies ohne Erlaubnis eines männlichen Vormunds nicht gestattet.
Aus dem Zwischenstopp wurde ein Alptraum. Mitarbeiter der Philippine Airlines nahmen ihr im Transitbereich des Flughafens den Reisepass ab und teilten ihr mit, sie dürfe nicht weiterfliegen. Als Grund für dieses Vorgehen teilte man ihr mit, eine «sehr wichtige Person» habe angerufen und dies angeordnet.
Wir wissen das, weil sich Dina Ali auf der Suche nach Hilfe an die Kanadierin Meagan Khan wandte und sie fragte, ob sie ihr Smartphone benutzen dürfe. Sie erzählte Khan auch, dass kurz zuvor ein Mann von der saudischen Botschaft versucht habe, sie mitzunehmen, aber wieder gegangen sei, als sie ihm eine lautstarke Szene machte. Während die anderen Passagiere die Maschine nach Sydney bestiegen, rief Dina Ali mit Khans Mobiltelefon Freunde an, um sie um Hilfe zu bitten.
Read every word. #SaveDinaAli pic.twitter.com/sjFnP8wOiN
— Hind (@hindfrancis) 13. April 2017
Khan sprach mit dem Flughafenpersonal, das sich jedoch nicht hilfsbereit zeigte und nur ausweichende Auskünfte gab. Sie versuchte auch, Menschenrechtsaktivisten zu alarmieren, jedoch mit begrenztem Erfolg. Immerhin gab es Organisationen wie das S.A.F.E-Movement, das sich für die Abschaffung der Vormundschaft von Männern über Frauen einsetzt, die zur Solidarität mit Dina Ali aufriefen:
We request that all human rights organizations force the government of the Philippines to return the passport of Dina Lasloom. #SaveDinaAli pic.twitter.com/iRgflc95Gy
— S.A.F.E Movement (@SafeMov) 10. April 2017
Mehrere Stunden später tauchten dann zwei Männer und eine Frau auf, deren Anblick Dina Ali weiter verängstigte. Es handle sich um zwei Onkel von ihr, sie seien Diplomaten. Die Frau kam aus der kuwaitischen Botschaft.
Dina Ali nahm mit Khans Telefon ein Video auf, in dem sie um Hilfe bat:
'If anything happens to me...'#SaveDinaAlipic.twitter.com/JIvhlmpaQL https://t.co/4uxyacGbSC
— Deeyah Khan (@Deeyah_Khan) 12. April 2017
Khan machte ebenfalls ein kurzes Video, das Dina Ali mit den Männern und der Frau zeigt. Diese Aufnahme schickte sie an die Menschenrechtsaktivistin Moudhi Aljohani, die es veröffentlichte:
#SaveDinaAli this is happening now in Philippines airport they want to send her back to people who wants to kill her @hrw @UN pic.twitter.com/lwENHq6wVT
— Moudi Aljohani (@Moudhi90) 10. April 2017
Einer der Männer behauptete offenbar, er sei Dina Alis Vater. Das wies sie verzweifelt zurück:
Nachdem Khan ihren Anschlussflug erreichen musste, wurde Dina Ali von der Polizei zu einem anderen Terminal gebracht, wo man sie an Bord einer Maschine nach Saudi-Arabien bringen wollte. Dies konnte sie zunächst verhindern, indem sie sich lautstark zur Wehr setzte. Doch beim zweiten Versuch am 11. April gelang es den Häschern, die junge Frau aus dem Airport-Hotel in das Flugzeug zu tragen – mit Klebeband gefesselt, geknebelt und in eine Decke gewickelt. Eine philippinische Augenzeugin sagte der Nachrichtenagentur Reuters:
Bei der Ankunft in Riad erwartete ein grosses Polizeiaufgebot die Maschine, daneben waren auch einige Journalisten anwesend. Auch einige wenige Menschenrechtsaktivisten – alarmiert durch den Hashtag #SaveDinaAli – hatten sich eingefunden. Einer von ihnen wurde verhaftet, nachdem er die saudischen Behörden nach Dina Ali gefragt hatte.
This is heavily police presence & what #Saudi airport looks like from outside Terminal 2, where #SaveDinaAli flight was: pic.twitter.com/IdOccXlY9l
— Nora Abdulkarim نورة الدعيجي (@Ana3rabeya) 11. April 2017
In den Sozialen Medien solidarisierten sich Tausende mit Dina Ali, doch Riad liess sich davon nicht beeindrucken. Am 12. April teilte die saudische Botschaft in Manila mit, Dina Alis Rückkehr nach Saudi-Arabien sei «eine Familienangelegenheit». Eine Woche später sagte ein hoher saudischer Beamter, der seinen Namen nicht nennen wollte, dem News-Portal Bloomberg, Dina Ali befinde sich in einer geschlossenen Einrichtung für junge Frauen. Sie habe keine rechtlichen Sanktionen zu befürchten.
Dies ist allerdings nicht sicher – Ungehorsam gegenüber dem männlichen Vormund ist in Saudi-Arabien strafbar. Tatsächlich gab es auf Twitter auch Wortmeldungen von Männern, die eine harte Strafe für Dina Ali forderten:
Eigentlich wäre es eine gute Nachricht: Ende 2018 bewies das Herrscherhaus von Dubai mit einem Video, dass Prinzessin Latifa Bint Mohammed bin Raschid Al Maktum noch am Leben ist. Die Tochter des mächtigen Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktum, Premierminister und Vizepräsident der Vereinigten Arabischen Emirate, trat mit der ehemaligen UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary Robinson, vor die Kamera. Damit waren die Gerüchte widerlegt, die Prinzessin sei im Auftrag ihrer eigenen Familie umgebracht worden.
Die heute 33-jährige Latifa war im März 2018 bei einem spektakulären Fluchtversuch vor der indischen Küste entführt worden. Seither hatte es kein Lebenszeichen mehr von ihr gegeben. Die Sorge war gross, dass ihr etwas angetan worden war, denn die Prinzessin hatte vor ihrer Flucht ein 40-minütiges Video aufgenommen, in dem sie schwere Vorwürfe gegen ihren Vater erhebt.
Das sagt Latifa zu Beginn der Aufnahme, die sie vor ihrer Flucht der Menschenrechtsorganisation «Detained in Dubai» zukommen liess. Wenn man dieses Video sehe, sei sie «entweder tot oder in einer sehr, sehr schlimmen Lage».
In dem Video erklärt die Prinzessin, ihr Vater – der Scheich ist als Reformer bekannt, der den Golfstaat modernisiert hat – lege grossen Wert auf seine Reputation. Doch sein Image als Modernisierer sei nur Fassade; in Wahrheit handle es sich um einen skrupellosen Gewaltherrscher, der beispielsweise eine Ehefrau seines verstorbenen Bruders habe töten lassen, weil er sie nicht mochte und sie zu viel redete.
Im Video schildert Latifa auch das Schicksal ihrer älteren Schwester Schamsa, die nach einem Fluchtversuch in Grossbritannien hart bestraft worden sei (siehe Eintrag weiter unten).
Im Alter von 16 Jahren unternahm auch Latifa einen Fluchtversuch. Die Prinzessin, die sich selbst als «mittlere Latifa» bezeichnet, da es unter den rund 30 Kindern ihres Vaters drei Töchter mit diesem Namen gebe, wurde jedoch an der Grenze erwischt. Danach sei sie fast dreieinhalb Jahre lang gefangen gehalten, unter Drogen gesetzt und misshandelt worden.
Trotz dieser einschneidenden Erfahrung schmiedete Latifa erneut Pläne, ihrem goldenen Käfig zu entkommen, wie eine BBC-Dokumentation von Anfang Dezember nachzeichnet. Über eine falsche E-Mail-Adresse nahm sie Kontakt zu einem französischen Doppelagenten namens Hervé Jaubert auf, der selber einige Jahre zuvor aus Dubai geflohen war, als er vor Gericht gestellt werden sollte. Zugleich setzte sie ihre finnische Kampfsportlehrerin Tiina Jauhiainen ins Vertrauen.
Mit ihr zusammen floh sie am 24. Februar 2018 auf Jetskis nach Oman, wo Jaubert auf der Jacht «Nostromo» auf sie wartete. Von Oman aus sollte die «Nostromo» Latifa nach Goa in Indien bringen. Dort wollte die Prinzessin dann ein Flugzeug in die USA besteigen.
Doch bevor die «Nostromo» die indische Küste erreichte, wurde die Jacht am 5. März von der indischen Küstenwache und zwei Schnellbooten aufgebracht. Ein Kommando von etwa 15 bewaffneten, arabisch sprechenden Männern stürmte das Boot und entführte die Prinzessin. Es gelang ihr noch, «Detained in Dubai» anzurufen und vom Angriff zu berichten.
Ihre Komplizen wurden ebenfalls mitgenommen und erst wieder freigelassen, als das Video von Latifa auftauchte. Jauhiainen soll gesagt worden sein, sie dürfe nicht über diese Vorgänge sprechen, andernfalls werde Scheich Mohammed sie überall zu finden wissen, auch in Europa.
Nachdem im Dezember mehrere Medien über den Fall berichtet hatten, veröffentlichte das Herrscherhaus Fotos, die Latifa zeigen. Zudem arrangierte die Familie den Besuch von Robinson bei der Prinzessin. Allerdings wirkte Latifa seltsam abwesend. Robinson erklärte später in einem Interview mit der BBC:
Diese Aussage entsetzte Menschenrechtsaktivisten, die Robinson vorwarfen, sie habe sich von der Herrscherfamilie einspannen lassen und an deren Drehbuch gehalten.
Sad our great former @PresidentIRL Mary Robinson allowed herself to be used as a pawn by Dubai leader Mohammed bin Rashid Al Maktoum in his ongoing house arrest of his daughter Princess Latifa .This was a pure propaganda meeting #OhhMARY @rtenews @Independent_ie #HeresTOyouMrs😱
— Eugene Leach (@EugeneLeach) 8. Januar 2019
Die Angaben, die Latifa in ihrem Video macht, lassen sich nicht überprüfen. Sicher ist aber, dass die Jacht, auf der sie floh, vor Goa aufgebracht und sie nach Dubai zurückgeholt wurde. Das Herrscherhaus hüllte sich lange in Schweigen, bestätigte dann aber Anfang Dezember – an ihrem 33. Geburtstag – in einer ungewöhnlichen Mitteilung, dass sich Latifa nun in Dubai aufhält. Sie habe ihren Geburtstag mit ihrer Familie gefeiert und sei «tief betrübt über die unaufhörlichen Medienspekulationen» über ihren Aufenthaltsort. Auf die Vorwürfe, die sie in ihrem Video an die Adresse ihres Vaters vorbrachte, ging der Hof mit keinem Wort ein.
Eine ältere Schwester von Latifa, Schamsa, soll im Jahr 2000 aus dem 75 Millionen Pfund (umgerechnet knapp 94 Mio. Fr.) teuren Anwesen der Familie bei Chobham in der englischen Grafschaft Surrey geflohen sein.
Der damals 18 Jahre alten Tochter des gegenwärtigen Premierministers der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Raschid Al Maktum, gelang es laut einem Bericht des «Guardian», ihre Bewacher auszutricksen und das mit einem Sicherheitszaun und Überwachungskameras gesicherte Gelände zu verlassen. Trotz einer umfangreichen Suchaktion, bei der das Sicherheitspersonal in Autos und sogar hoch zu Ross nach der Prinzessin fahndete, entkam Schamsa.
Doch nach einigen Wochen wurde sie offenbar im August desselben Jahres nach dem Besuch einer Bar in Cambridge entführt. Ein Auto mit vier Insassen habe neben ihr gehalten und sie sei zum Einsteigen gezwungen worden. Die Männer, die zum persönlichen Stab des Scheichs gehörten, sollen sie zu seinem Anwesen in Newmarket gefahren haben; von dort sei sie dann am nächsten Tag per Helikopter zum Flughafen gebracht und über Frankreich nach Dubai ausgeflogen worden. Diese Angaben machte ein britischer Anwalt, der im März 2001 in ihrem Namen Anzeige bei der Polizei erstattete.
Nach Aussagen, die ihre Schwester Latifa in ihrem Video machte, wurde Schamsa hart für ihren Ungehorsam bestraft. Sie habe Schamsa nach deren Flucht acht Jahre lang nicht gesehen. Sie werde im Zabeel Palace in Dubai festgehalten und müsse Tabletten nehmen, die «einen zum Zombie» machen. Schamsa sei in einem sehr schlechten Zustand, man müsse sie an der Hand nehmen, um sie herumzuführen, sie öffne kaum ihre Augen. Sie sei von Pflegerinnen umgeben, die auch in ihrem Zimmer seien, wenn sie schlafe.
Die Polizeiuntersuchung verlief im Sand. Die britischen Ermittler wollten mit Schamsa in Dubai sprechen, erhielten jedoch die Erlaubnis dafür nicht. Ihr Vater, der Scheich, lehnt alle Anfragen zu ihrem Fall ab.