Die Welt der Medizin ist ein zuweilen wunderliches Gebiet. Manche medizinische Tatsachen sind so seltsam, dass man sie kaum glauben will. Hier eine kleine Auswahl davon:
Der Schluckauf, den die Österreicher schelmisch «Schnackerl» nennen, ist ein lästiger Geselle. In der Regel ist er aber harmlos, wenn er nicht zu lange dauert. Klar ist, wie der Schluckauf abläuft: Das Zwerchfell verkrampft sich plötzlich unfreiwillig, die Stimmritze zwischen den Stimmbändern schliesst sich. Die Luft aus den Lungen kann deshalb nicht entweichen; einströmende Luft prallt gegen die geschlossenen Stimmbänder. Der dadurch entstehende Druck entlädt sich dann in Form des charakteristischen Hicks. Schluckauf ist bei Männern häufiger.
Warum der Schluckauf entsteht, ist hingegen nicht völlig klar. Die Zwerchfellreflexe werden durch Nerven im Hirnstamm gesteuert; ausgelöst werden sie häufig durch eine Reizung des Zwerchfellnervs. Ursache ist oft eine vorübergehende Überdehnung des Magens, etwa bei hastigem Schlucken. Auch kohlensäurehaltige und kalte Getränke, scharfe Speisen sowie Alkohol oder Nikotin können einen Schluckauf provozieren. Interessant ist, dass bereits Ungeborene im Mutterleib einen Schluckauf haben. Eine Theorie erklärt dies als Training für den Atemreflex des Fötus – ohne dass dabei Fruchtwasser in die Lungen gelangt. Säuglinge hicksen übrigens häufiger als Erwachsene. Möglicherweise dient der Schluckauf bei ihnen dazu, Luft aus dem Magen zu befördern, ähnlich wie beim Rülpsen.
Während du diesen Satz liest, hat dein Körper gerade die hübsche Summe von 2 Millionen neuen roten Blutkörperchen produziert. Jeden Tag wird im Knochenmark ein Prozent des Bestandes an diesen wichtigen scheibenförmigen Blutzellen neu gebildet. Insgesamt befinden sich rund 25 Billionen von ihnen im Blut. Die neuen roten Blutkörperchen – ihr medizinischer Fachbegriff lautet «Erythrozyten» – erfüllen dann für rund vier Monate ihre Aufgabe, die darin besteht, mit ihrem Hämoglobin Sauerstoff in den Lungenkapillaren zu binden und diesen dann in die Organe und das Körpergewebe zu transportieren. Danach verlieren sie allmählich ihre Elastizität und werden dann von körpereigenen Fresszellen in Leber, Milz und Knochenmark zu Galle verarbeitet.
Wenn unser Sehsinn intakt ist und keine Farbsehschwäche vorliegt, können unsere Augen mindestens 2,3 Millionen Farben unterscheiden – und doch können wir nur gerade etwa 40 Prozent der im Sonnenlicht enthaltenen Farben sehen. Männer tendieren übrigens dazu, Farben mit einem stärkeren Blauschimmer wahrzunehmen. Die Wahrnehmung von Farben beruht auf einer speziellen Art von Rezeptoren in unserer Netzhaut, den Zapfen. Die andere Art von Rezeptoren, die Stäbchen, registrieren dagegen vor allem Helligkeitsunterschiede. Von den Zapfen gibt es drei verschiedene Arten, die für Rot, Blau und Grün zuständig sind. Das eigentliche Farbsehen geschieht dann aber im Gehirn, wo die Farb- und Helligkeitseindrücke zusammengeführt werden.
Während eine Rot-Grün-Sehschwäche, bei der die Betroffenen Rot und Grün nicht so gut unterscheiden können wie Normalsichtige, vor allem bei Männern vorkommt, tritt bei etwa zwölf Prozent der Frauen eine sogenannte Tetrachromasie auf: Sie verfügen über einen weiteren Zapfen-Typ, der als Gelb- oder Orangerezeptor funktioniert. Da dessen Signale im Gehirn aber in der Regel nicht separat verarbeitet werden, ergibt sich daraus keine veränderte Farbwahrnehmung. In einzelnen Fällen kann es aber dazu kommen; diese Frauen nehmen in der Tat zusätzliche Farbschattierungen wahr.
Nicht weniger als 59 Elemente finden sich in unserem Körper, wie der Sachbuchautor Bill Bryson in seinem unterhaltsamen Buch «The Body: A Guide for Occupants» («Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers») schreibt. Nur sechs davon – Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Kalzium und Phosphor – bilden 99,1 Prozent des Körpers, der Rest verteilt sich auf so exotische Elemente wie Selen, Molybdän, Vanadium oder Mangan. Manche sind in extrem winzigen Mengen vorhanden, so Kobalt, von dem wir pro 999'999'999,5 andere Atome nur gerade 20 besitzen.
Einige Elemente sind essenziell, das heisst, wir benötigen sie zum Leben. Andere nützen nichts, schaden aber auch nicht. Einige sind aber tatsächlich schädlich, zum Beispiel Kadmium, das immerhin mit 0,1 Prozent Anteil das 23.-häufigste Element im Körper ist. Es ist toxisch, aber wir kommen nicht darum herum, es mit unserer Nahrung aufzunehmen. Eher lustig ist indes die Tatsache, dass wir zu 61 Prozent aus Sauerstoff bestehen, aber nicht wie ein Ballon davonfliegen. Der grösste Teil des Gases ist nämlich mit Wasserstoff zu Wasser gebunden – und dieses ist, obwohl es aus zwei sehr leichten Dingen besteht, ziemlich schwer.
Vom 14. bis zum frühen 16. Jahrhundert kam es in Europa verschiedentlich zu einem merkwürdigen Phänomen: Grosse Gruppen von Menschen wurden von einer «Tanzwut» gepackt und tanzten anscheinend willenlos, bis ihnen Schaum aus dem Mund quoll und sie erschöpft und bisweilen gar blutend zusammenbrachen. Diese Tanzkrankheit, vermutlich ein massenhysterisches Phänomen, erhielt damals die Bezeichnung «Veitstanz», weil der Heilige Veit in diesen Fällen um Hilfe angerufen wurde. Ursache der rätselhaften Tanzwut könnten religiöse Ekstase, der Biss einer Spinne – der Europäischen Schwarzen Witwe – oder Vergiftungen mit psychoaktiven Substanzen – etwa Mutterkorn im Getreide oder Bilsenkraut – gewesen sein. Heute wird «Veitstanz» eher als Bezeichnung für die Krankheit Chorea Huntington verwendet.
Wer Katzen hat, kennt vielleicht diese spezifische Bindehautfalte, die oft auch als «drittes Augenlid» bezeichnet wird: die Nickhaut. Nicht nur Katzen besitzen sie, sondern auch viele weitere Wirbeltiere, beispielsweise Vögel oder Reptilien. Katzen können sie jedoch im Gegensatz zu den meisten anderen Säugetieren willentlich mit einem Muskel bewegen. Bei vielen Arten ist die Nickhaut transparent und schützt die Hornhaut wie eine Brille vor mechanischen Einflüssen; sie kann auch wie eine Art Scheibenwischer eingesetzt werden, um Fremdkörper zu entfernen. Je nach Spezies enthält sie auch zusätzliche Tränendrüsen.
Auch wir Menschen haben eine Nickhaut; sie ist im inneren Augenwinkel, also auf der Seite der Nase, sichtbar. Bei uns erfüllt sie jedoch – wie übrigens bei fast allen Primaten – keine Funktion mehr und ist verkümmert. Es handelt sich also um ein evolutionäres Rudiment.
Normalerweise, das gilt als Faustregel, verbraucht ein Organ umso mehr Energie, je grösser es ist. Nicht so das menschliche Gehirn: Es macht nur gerade zwei Prozent des Körpergewichts eines Erwachsenen aus, frisst aber etwa ein Fünftel bis ein Viertel seiner Energieressourcen. Bei Säuglingen liegt der Anteil noch höher; bei ihnen geht rund 60 Prozent der verfügbaren Energie ans Gehirn. Ein Grund dafür liegt darin, dass das Gehirn, ebenso wie Herz und Lunge, permanent aktiv ist, auch wenn wir schlafen. Nur schon der normale Stoffwechsel der Nervenzellen verbraucht etwa die Hälfte der Energie, die unserem Denkorgan zur Verfügung steht.
Ein weiterer Teil geht an die Bildung elektrischer Signale, mit denen die Neuronen miteinander kommunizieren. Die Signalübertragung funktioniert nur durch den Transport von Ionen und Botenstoffen über die Membranen der Zellen hinweg. Diese Substanzen müssen danach wieder zurücktransportiert und recycelt werden, was Energie frisst. Wenn unser Gehirn besonders aktiv ist, etwa weil wir eine Gedächtnisaufgabe lösen sollen, feuern die Neuronen der beteiligten Gehinregionen im selben Takt, was etwa doppelt so viel Energie benötigt wie der «Ruhemodus».
Die Nieren gehören zu den Organen, die paarig vorhanden sind. Während der Embryonalentwicklung bilden sich paarige Organe – entsprechend dem bilateralen Grundbauplan des Körpers – voneinander entfernt auf beiden Seiten der Mittelachse. Manchmal, einmal pro 1000 bis 1500 Geburten, kommt es aber vor, dass ein Mensch mit nur einer Niere auf die Welt kommt – dies bezeichnen die Ärzte als einseitige Nierenagenesie. Sie kommt beim männlichen Geschlecht häufiger vor als beim weiblichen und öfter links als rechts.
Beim noch selteneren Fall, dass beide Nieren fehlen – einer bilaterale Nierenagenesie – ist Leben nur mit einer Nierendialyse möglich. Das ist nicht so, wenn nur eine Niere fehlt – die zweite Niere ist gewissermassen eine Art Back-up-Lösung für den Fall, dass die andere versagt. In der Tat ist es möglich, gesund mit einer Niere zu leben – bei Nierenspendern ist die Lebenserwartung nach aktuellem Wissensstand nicht verkürzt.
Ein Erwachsener besitzt etwas mehr als 200 Knochen, rund die Hälfte davon in den Armen und Beinen. Nicht so Babys: Ihr Skelett hat bis zu 350 Knochen. Was aber passiert mit den über 100 Knochen, die Babys mehr als Erwachsene haben? Im Grunde handelt es sich um eine irreführende Behauptung, denn eigentlich handelt es sich um Skelettteile, die sich noch weiter entwickeln und noch nicht vollständig zu einer Einheit zusammengewachsen sind. Damit verändert sich auch die Anzahl.
Ein Beispiel für dieses Zusammenwachsen ist der Schädel: Bei Babys ist die Schädeldecke noch nicht vollständig verknöchert, sondern besteht aus mehreren Knochenplatten, die erst in den ersten beiden Lebensjahren zusammenwachsen. Die grösseren Lücken zwischen diesen Platten nennt man Fontanellen. Die Vielteiligkeit des Baby-Schädels hat ihren Grund: Zum einen kann sich der Kopf so während der Geburt im engen Geburtskanal verformen. Zum andern könnte bei einem vollständig verknöcherten Schädel das Gehirn nicht ausreichend an Volumen zunehmen.
Die Liste der bekannten menschlichen Phobien ist anscheinend beinahe unendlich und enthält einige äusserst seltsame Formen. Caligynephobie, auch Venustraphobie genannt, ist beispielsweise die Angst vor Frauen, die dem Betroffenen als attraktiv erscheinen. Es handelt sich um eine Unterform der Gynophobie, der Angst vor Frauen. Sie kann aufgrund von traumatischen Erlebnissen, vor allem während der Kindheit, entstehen und äussert sich in Symptomen wie Stammeln oder Verstummen, Nervosität, Schweissausbrüchen und so weiter, wenn ein Betroffener – es handelt sich meistens um Männer – mit einer angstauslösenden Situation konfrontiert ist.
Neben weitherum bekannten Phobien wie der Arachnophobie (Angst vor Spinnen) gibt es wahrlich exotische Spielarten der menschlichen Ängste. Eine kleine Auswahl: Peladophobie ist die Angst vor glatzköpfigen Menschen, Pteronophobie jene, mit Federn gekitzelt zu werden. Amakophobiker haben Angst vor Eisenbahnen, während die Siderodromophobie die Angst vor Zugreisen oder Schienen bezeichnet. Wer an Rhytidophobie leidet, hat Angst vor Falten und davor, welche zu bekommen. Triskadekaphobiker fürchten die Zahl Dreizehn und die Vitricophobie schliesslich ist die Angst vor dem Stiefvater.
Im Gegensatz zu den meisten Zellen des Körpers teilen sich Hautzellen auch noch nach Abschluss ihrer Entwicklung; sie behalten diese Fähigkeit während ihrer gesamten Lebensdauer. Im Erneuerungsprozess der Haut bilden sich in der untersten Schicht der Oberhaut (Epidermis) ständig neue Basalzellen. Die darüberliegenden Zellen werden so nach oben geschoben, trocknen langsam aus und verhornen allmählich. Die Zellen dieser Hornschicht besitzen keinen Kern und enthalten Keratin. Dieses Protein verhindert, dass Wasser aus der Hautoberfläche verdunstet.
Die abgestorbenen Hautschuppen lösen sich schliesslich von der Haut ab. Jede Stunde stösst die Haut 600'000 Hautpartikel ab – pro Tag sind das etwa 14 Gramm. Innerhalb von durchschnittlich 28 Tagen wird so die äusserste Schicht der Epidermis komplett ersetzt. Mit zunehmendem Alter verlangsamt sich dieser Erneuerungsprozess jedoch und die Haut enthält insgesamt weniger Feuchtigkeit.