Offene Mülldeponien sind kein schöner Anblick. Und dazu verursachen sie – neben anderen ökologischen Schäden – enorme Treibhausgas-Emissionen, wie eine neue Studie feststellt. Sie stossen grosse Mengen von Methan aus, das durch biologische Prozesse bei der Fäulnis oder Gärung unter Aus-schluss von Sauerstoff entsteht. Dieses Gas trägt zu rund einem Drittel zur Klimaerwärmung bei.
Methan (CH4) macht den Hauptbestandteil von Erdgas aus und kommt daneben auch im Permafrostboden und auf dem Meeresboden vor. Das brennbare Gas gehört zur Gruppe der kurzlebigen klimawirksamen Schadstoffe und ist ein potentes Treibhausgas: Methan bleibt zwar nicht so lange in der Atmosphäre wie CO2 – es sind etwa 12 Jahre, während es bei CO2 rund 120 Jahre sind –, doch es hat ein bedeutend höheres Treibhauspotential (GWP) als CO2. 1 kg CH4 trägt innerhalb der ersten 100 Jahre nach der Freisetzung 28-mal so stark zum Treibhauseffekt bei wie 1 kg CO2. Innerhalb der ersten 20 Jahre ist der Effekt sogar rund 85-mal grösser. Das Gas trägt zudem zur Bildung von Ozon bei.
Weltweit werden pro Jahr etwa 380 Millionen Tonnen Methan durch menschliche Aktivitäten freigesetzt, Tendenz steigend. Fast die Hälfte davon stammt aus der Landwirtschaft, daneben sind die Öl- und Gasindustrie sowie der Kohlebergbau bedeutende Quellen. Und der Müll: Zwischen 7 und 10 Prozent der menschengemachten Methan-Emissionen gehen auf dessen Konto. Für Europa rechnet die EU-Kommission damit, dass es sogar 26 Prozent sind. Gemäss Angaben der Weltbank wird die Menge des Mülls in Deponien aufgrund des Bevölkerungswachstums bis 2050 weltweit um 70 Prozent zunehmen.
Es ist keine neue Erkenntnis, dass beim bakteriellen Abbau organischer Verbindungen auf Mülldeponien Methan entsteht, das unter ungünstigen Bedingungen in die Umwelt entweichen kann. Vor einem Jahr berichtete etwa die Europäische Weltraumorganisation (ESA), dass Daten eines Erdbeobachtungssatelliten einen erheblichen Ausstoss von Methan aus zwei Deponien nahe der spanischen Hauptstadt Madrid zeigten.
Die Erkenntnisse eines internationalen Forschungsteams um Bram Maasakkers vom niederländischen Institut für Weltraumforschung (SRON) bestätigen nun den Befund der ESA. Die Wissenschaftler hatten mittels Daten des niederländischen Spektrometers TROPOMI, das sich auf dem Sentinel-5P-Satelliten der ESA befindet, nach globalen Methan-Hotspots gesucht. Diese Daten aus den Jahren 2018 und 2019 erlaubten eine Bestimmung von Regionen, in denen besonders grosse Methanwolken ausgestossen werden, aber nicht die genaue Lokalisierung der Quellen.
Das Team glich die Ergebnisse darauf mit Daten zu Windstärken und -richtungen ab, um den Ursprung der Methanquellen weiter einzuengen. Ein erster Überblick zeigte dem Team, dass grosse Mengen von Methan in urbanen Regionen ausgestossen wurden. Vier Metropolen stachen dabei besonders heraus: Buenos Aires in Argentinien, Mumbai und Delhi in Indien sowie Lahore in Pakistan.
Zwar gab es bereits Schätzungen zum generellen Methanausstoss dieser Städte, doch die von Maasakkers und seinem Team errechneten Mengen waren im Schnitt zweimal höher als die früheren Schätzungen. Für diese Metropolen werteten die Wissenschaftler nun hochauflösende Bilder des kanadischen GHG-Satelliten aus dem Jahr 2020 aus. Bram Maasakkers, Hauptautor der Studie, die im Fachjournal «Science Advances» publiziert worden ist, sagt dazu in einer Mitteilung des SRON: «Methan ist geruchlos und farblos, deshalb sind Lecks schwierig festzustellen. Satelliten eignen sich jedoch hervorragend dafür.»
Beim Hineinzoomen in die Satellitenaufnahmen stellte sich heraus, dass bis fast die Hälfte des Methans aus diesen Städten von Mülldeponien stammte. Allein die Deponie bei Buneos Aires stösst demnach jede Stunde 28 Tonnen Methan aus – dies entspricht in Bezug auf die Belastung des Klimas dem Ausstoss von 1,5 Millionen Autos (wenn man den von der US-Umweltbehörde EPA geschätzten Wert von 4,6 t CO2-Emissionen pro Pkw und Jahr zugrunde legt). In Mumbai sind es 10 Tonnen pro Stunde, in Lahore 6 und in Delhi 3.
Maasakkers weist darauf hin, dass dieser Methanausstoss sich mit wenig Aufwand verringern liesse – etwa durch Mülltrennung. Organischer Müll sollte kompostiert oder zur Herstellung von Biogas verwendet werden. Zudem könnte das entstehende Methan aufgefangen oder zumindest abgefackelt werden. Da Methan überdies nicht lange in der Atmosphäre verweile, würde man das Ergebnis von Massnahmen, die jetzt ergriffen würden, schon bald in Form einer geringeren globalen Erwärmung sehen. «Natürlich reicht die Eindämmung von Methan allein nicht aus – wir müssen auch CO2 eindämmen. Aber sie kann dazu beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen», stellt der Wissenschaftler fest.
Für die Zukunft sieht Maasakkers vielfältige Möglichkeiten, mittels Satellitenbildern und deren Auswertung genauere Informationen über Treibhausgasemissionen zu gewinnen. Dies bekräftigt Jean Bogner, ein Umweltwissenschaftler der University of Illinois, der nicht an der Forschung beteiligt war, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der neue Ansatz trage dazu bei, die standortspezifischen Emissionen angemessen zu erfassen, die bei Deponien je nach Bodenbedingungen und ergriffenen Massnahmen um Grössenordnungen variieren könnten.
Die Mülldeponie bei Buenos Aires schadet der Umwelt in einer (1) Stunde soviel wie umgerechnet 1.5 Millionen Autos in einem Jahr aus?
Das wäre ja übelst krass! Ich zweifle ein wenig ob ich das wirklich richtig lese?!