Vor wenigen Tagen kommentierte ein watson-User einen Krypto-Artikel mit folgender Vermutung:
Die Meinung, dass der momentane Machtkampf ein paar wenige Sieger hervorbringen wird, ist weit verbreitet. Es gibt aber auch Stimmen, die das Gegenteil behaupten. Und um deren futuristische Ideen geht es heute.
Coins, Token und Jetons sind keine Erfindungen des digitalen Zeitalters. Auto-Waschanlagen funktionieren vielerorts seit Jahrzehnten mit Jetons, Detailhändler führen Punktesysteme und wer in den Urlaub fliegt, sammelt in der Regel «Meilen».
Jetons, Sammelpunkte und Meilen sind alle Träger eines Werts. Man kann sie eintauschen gegen die Benutzung der Waschstrassse, gegen den Kauf eines Joghurts oder für ein Upgrade in die Businessklasse.
Man kann sie aber auch handeln.
Selbstverständlich ist das nicht immer im Sinne der Aussteller, denn die Idee hinter Jetons, Punkten und Meilen ist, dass der Wert das System nicht verlässt. Der Kunde soll zum Aussteller zurückkehren.
Trotzdem findet ein Handel statt. Auf einschlägigen Portalen werden Punkte und Meilen zum Verkauf angeboten – einige Detailhändler versuchen erst gar nicht, den Handel zu unterbinden, sondern vereinfachen ihn auf ein paar Klicks im Internet.
Theoretisch wäre es also möglich die erflogenen Meilen am Zielort in Detailhändler-Punkte umzuwandeln, damit ein Joghurt zu kaufen, sich das Retourgeld in Jetons auszahlen zu lassen um damit den Wagen zu waschen.
Theoretisch ginge das alles, ohne eine einzige Transaktion von realem Geld. Theoretisch.
Praktisch ist dies natürlich nur mit sehr viel Aufwand möglich. Der Handel ist zu umständlich und Geld die einfachere Lösung. Doch genau hier setzen Blockchain-Maximalisten an.
Die Blockchain-Landschaft ist unübersichtlich: Wer in Zukunft per Golem-System die Rechenleistung verschiedener Computer mieten will, braucht dafür von der Währung «GNT». Zocker von Online-Kasinos benötigen «FUN», Verkäufer von selbst produziertem Strom setzen auf «POWR», «WPR» oder auf «SunContact».
Die Suche nach der richtigen Kryptowährung ist wie im Portemonnaie zwischen Myriaden von Kundenkarten die richtige zu finden: mühsam.
Dass aber jedes System auf seinen eigenen Coin und im Extremfall sogar auf eine eigene Blockchain setzt, hat auch Vorteile.
Die Flut an Coins wird deshalb in der nächsten Zeit kaum zurückgehen. Was sich aber verbessern wird, ist der Handel, die Austauschmöglichkeiten, unter den Coins.
Kryptowährungen werden zurzeit noch grossmehrheitlich an zentralen Börsen gehandelt. Wer Coins kaufen oder verkaufen will, benötigt einen Account. Gehandelt wird meist abseits der Blockchain – die Handelsplätze verfügen von jedem Coin über massive Vorräte.
Noch vor wenigen Monaten war die Eröffnung eines Accounts an einer zentralen Börse ein Kinderspiel. Eine funktionierende Emailadresse reichte in der Regel. Doch die übermütige Party ist längst vorbei – Vernunft ist eingekehrt, sprich: Auf Druck verschiedener Regierungen haben viele Börsen ihre Verifizierungshürden massiv erhöht. Das Eröffnen eines Accounts kann heute zum Spiessrutenlauf werden.
Abhilfe schaffen da dezentrale Börsen. Sie verfügen in der Regel über keine eigenen Guthaben, gehandelt wird P2P (von User zu User) und direkt auf der Blockchain. Für eine Teilnahme braucht es keinen verifizierten Account, sondern «nur» ein eigenes Wallet mit dem entsprechenden Coin.
Zentrale Börsen sind quasi wie Netflix, während dezentrale Börsen mit Emule, Napster oder torrent-Systemen verglichen werden können.
Aufgrund der rigiden Verifizierungsprozesse feiern dezentrale Börsen momentan Hochkonjunktur. Gegenüber ihren zentralen Konkurrenten haben sie aber einen grossen Nachteil: Sie sind langsam.
Weil direkt auf der Blockchain gehandelt wird, sind sie nur gerade so schnell, wie das System, auf das sie referieren. Die bekannteste dezentrale Handelsbörse Ether Delta zum Beispiel wurde praktisch unbrauchbar, als der Crypto-Kittie-Hype die Ethereum-Blockchain verstopfte.
Ein weiterer Nachteil ist die Kompatibilität. Auf Ether Delta können derzeit nur ERC-20-Coins und Token gehandelt werden. Also «kompatible» Ether-Derivate. Mit Bitcoin, Litecoin, Monero oder Dash kann nicht gehandelt werden.
Man braucht kein Hellseher zu sein, um sich vorstellen zu können: sowohl auf der «Baustelle 1», der Geschwindigkeit der Blockchains, wie auch auf der «Baustelle 2», der Kompatibilität, wird mit Hochdruck gearbeitet.
Das Skalierungsproblem, welches sich mit der Geschwindigkeit der Blockchains beschäftigt, ist DAS Thema in der Krypto-Entwicklung. Viele Projekte wollen bereits eine Lösung parat haben – Scheinlösungen mit massiven Einbussen bei der Dezentralisierung oder der Sicherheit haben Hochkonjunktur.
Tatsächlich existieren aber sowohl für Bitcoin als auch für Ethereum recht fortgeschrittene Konzepte. Ein Durchbruch scheint fürs Jahr 2018 möglich.
Auch an der Interkompatibilität wird gearbeitet. Ark (mit der Smartbridge) ist so ein Projekt, das versucht, den Austausch unter verschiedenen Blockchains zu ermöglichen. Kyber Network geht in eine ähnliche Richtung, mit 0x existiert ein Protokoll zur vereinfachten Erstellung dezentraler Kryptobörsen.
Wie die gesamte Industrie stecken diese Projekte (mit Ausnahme von 0x) aber noch in den Windeln.
Tragen diese Projekte in naher oder ferner Zukunft aber Früchte, ermöglicht dies Instant-Umwandlungen von Coins. Das Problem der vielen Coins löst sich spätestens mit automatisierten Umwandlungen auf. Der Tokenisierung der Wirtschaft steht nichts mehr im Wege.
«Mit welchem Coin möchten Sie gerne bezahlen», heisst es dann an der Kasse am Kassenautomaten. Die berühmten Raketen-Glaces bezahle ich dann mit Stellar, das fettfreie Jogurt mit Litecoin und die Butter mit Ether.
Verzeih mir den kleinen Scherz – selbstverständlich werden Algorithmen entscheiden, mit welchen Coins ich in genau dieser Minute am besten fahre. Das aber ist wiederum eine andere Geschichte ...