In der Schweiz sterben pro Woche 1 bis 2 Menschen wegen Mangels an menschlichen Spenderorganen. Gemäss Swisstransplant warten in der Schweiz aktuell rund 1300 Menschen auf ein neues Organ. Der Trend der steigenden Nachfrage, und des damit einhergehenden unzureichenden Angebots, ist nicht nur ein nationales, sondern ein internationales Problem.
Selbst wenn ein geeigneter Spender gefunden wurde, müssen die Organe hinsichtlich Grösse, Blutgruppe oder Gewebekompatibilität angepasst werden. Zudem besteht bei einer Transplantation jeweils ein hoher Zeitdruck. Das macht Transplantationen hochkomplex.
In der Wissenschaft gibt es darum zahlreiche Bemühungen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Letztes Jahr schlug zum Beispiel ein Experiment hohe Wellen, bei dem einem Patienten erstmals eine Schweineniere eingesetzt wurde.
Allgemein wird in der Erforschung von Tieren als Organspender (das Forschungsgebiet wird auch Xenotransplantation genannt) viel investiert und gemacht. Die Wissenschaft sieht vor allem Schweine als geeignet an, da sich die Organe der Tiere denen der Menschen in Grösse und Funktion ähneln.
Nun melden Forschende einen weiteren Durchbruch in der Xenotransplantation. Wie das renommierte Wissenschaftsmagazin «Nature» berichtet, gelang es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, winzige menschliche Herzen in Schweineembryos zu züchten. Diese Embryos überlebten gemäss dem Bericht 21 Tage lang, in dieser Zeit begannen die Herzen gar zu schlagen.
Eine Studie dazu wurde vor Kurzem an der Jahrestagung der International Society for Stem Cell Research in Hongkong vorgestellt. Geleitet wurde sie von Lai Liangxue, Entwicklungsbiologe an den Guangzhou Institutes of Biomedicine and Health. Sie ist allerdings noch nicht peer-reviewed.
Ziel der Studie ist es, «eines Tages Tiere mit menschlichen Organen zu erzeugen, die in Menschen transplantiert werden können», heisst es. Es wäre eine Möglichkeit, dem weltweiten Mangel an Organen für Transplantationen zu begegnen.
Die Forscherinnen und Forscher haben einen Ansatz verfolgt, bei der sogenannte Chimären entwickelt werden – also Organismen, die Zellen mit verschiedener genetischer Herkunft enthalten. Dabei fehlen diesen Chimären bestimmte Gene, die normalerweise für die Entwicklung eines Organs wie zum Beispiel des Herzens wichtig sind.
Den Chimären werden in der Folge menschliche Stammzellen injiziert, «in der Hoffnung, dass die menschlichen Zellen – und nicht die des Tieres – dieses Organ bilden», schreibt «Nature». Diese Methode wurde auch schon in der Züchtung von menschlichen Muskel- und Blutgefässzellen angewendet.
Konkret wurden in der Studie Schweineembryos erzeugt, bei denen zwei spezifische Gene, die eine Schlüsselrolle bei der Herzentwicklung spielen, ausgeschaltet wurden. «Eine Handvoll menschlicher Stammzellen wurde dann in die Schweineembryos eingebracht. Diese Embryos wurden dann auf Leihmutterschweine übertragen», heisst es.
Um die Überlebensfähigkeit der menschlichen Zellen im Schwein zu erhöhen, führten die Forscherinnen und Forscher Gene ein, die einen Zelltod verhindern und das Zellwachstum fördern sollen – quasi eine Umprogrammierung der Zellen.
Lai und sein Team konnten in der Folge beobachten, wie die Embryos bis zu 21 Tage lang wuchsen, danach aber nicht mehr überlebten. Das Forschungsteam stellte gegenüber «Nature» die Vermutung auf, dass «die menschlichen Zellen die Funktion der Herzen gestört haben».
In der untersuchten Zeit wuchsen die embryonalen Herzen allerdings auf die Grösse eines menschlichen Herzens in diesem Entwicklungsstadium an (in etwa die Grösse einer Fingerkuppe) – auch einen Herzschlag hat man gemäss Lai festgestellt.
Unklar ist allerdings, welcher Teil des Herzens tatsächlich aus menschlichen Zellen bestand – und vor allem, wie hoch dieser Anteil war.
Hiromitsu Nakauchi, ein Stammzellbiologe an der Standford University, sagte im Bericht, man müsse die Daten nun genauer anschauen: «Ein häufiges Problem bei Chimären ist die Möglichkeit, dass menschliche Zelllinien mit Zellen anderer Arten verunreinigt wurden.» Deswegen muss zuerst bestätigt werden, dass die Herzzellen definitiv menschlicher Herkunft waren.
Denn will die Forschung tatsächlich Herzorgane für die Transplantation entwickeln, «müssen sie vollständig aus menschlichen Zellen bestehen, um zu vermeiden, dass das Immunsystem des Körpers die Organe angreift», sagt Hideki Masaki, ein Stammzellenforscher am Institute of Science in Tokio, im Bericht.
Aber auch wenn sich die Studie als Erfolg herausstellt, hat die Xenotransplantation noch einen weiten Weg vor sich. Nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene, sondern auch auf ethischer Ebene wird diskutiert. Das akute Problem des Transplantationsbedarfs und dessen Entwicklung wird diese Diskussion allerdings weiter vorantreiben.