«Der Krieg ist eine blosse Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln», sagte einst Carl von Clausewitz. Kennt man die Tragödie des jungen Konradin, so mag diese nüchterne Analyse geradezu zynisch anmuten. Seine Geschichte ist die des letzten Staufers – eines Ritters, der auszog, um für das Erbe seiner Familie alles zu wagen.
Das schwäbische Adelsgeschlecht der Staufer ist im deutschsprachigen Raum vor allem für Kaiser Barbarossa (1122–1190 n. Chr.) bekannt, welcher nach einer Sage noch heute im Kyffhäusergebirge schlummern soll. Die Zeit der Staufer (11.–13. Jhdt. n. Chr.) war unter anderem vom Konflikt mit dem Papsttum geprägt. Spätestens durch die Politik von Barbarossas Enkel Friedrich II. (1194–1250 n. Chr.) sahen die Päpste die «bedingungslose politische Abhängigkeit der Kirche vom Kaisertum» als reale Gefahr. Eine Chance, diese Gefahr effektiv zu bekämpfen, sollte sich bald bieten.
Nachdem Friedrich II. und sein Sohn Konrad IV. (1228–1254 n. Chr.) kurz hintereinander gestorben waren, ruhte das Schicksal der Staufer in den Händen des Enkels Friedrichs II. – Konradin (1252–1268). Eine schwere Bürde für ein Kind von zwei Jahren. Da Friedrich II. noch zu Lebzeiten exkommuniziert wurde, brach im Heiligen Römischen Reich ein chaotischer Kampf um die Kaiserkrone aus, das Interregnum, welcher aus Konradins Sicht nicht zu gewinnen war. Der Titel des Königs von Jerusalem war zu diesem Zeitpunkt nur noch Zierde.
Nun galt es, über das Stammland des Herzogtums Schwaben hinaus zu retten, was noch zu retten war: das Königreich Sizilien. Der Kirchenstaat warf aus geopolitischen Gründen ebenfalls ein Auge auf dieses Gebiet, da es an das eigene angrenzte.
Konradin konnte sich nicht auf seine restliche Familie verlassen. Sein Onkel Manfred (1232–1266) sollte Sizilien verwalten. Von diesem Machtgewinn berauscht, liess er Anhänger Konradins ins Gefängnis stecken und das Gerücht von Konradins Tod verbreiten. Doch damit nicht genug: 1258 liess sich Manfred zum König von Sizilien krönen.
Dieser Verrat war eine Steilvorlage für den Kirchenstaat. Die Bekämpfung des Usurpators war nun legitim. Ein kirchentreuer Regent hätte die Einkreisungsängste des Papstes besänftigen können. Da das Königreich nach dem Rechtsverständnis der Päpste ein Lehen der Kirche war, welches vom Papst vergeben wurde, wurde Karl von Anjou, der Bruder des französischen Königs, am 28. Juni 1265 belehnt und am 6. Januar 1266 gekrönt. In der Entscheidungsschlacht von Benevent am 26. Februar 1266 ging Anjou als Sieger hervor – Manfred starb.
Das Schicksal des Staufergeschlechts lag nun endgültig in der Hand Konradins, eines nunmehr vierzehnjährigen Jungen, welcher mit seinen letzten Getreuen in einer schicksalsentscheidenden Schlacht gegen Anjou alles auf eine Karte setzen sollte. Wenn die Staufer nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wollten, musste das Königreich Sizilien wieder unter staufische Herrschaft fallen.
Es stand jedoch nicht alles gegen Konradin. In Italien brachen kaisertreue, antipäpstliche Städte und Kräfte – Ghibellinen genannt – in offene Rebellion aus. Anjou regierte mit eiserner Hand. Wer sollte die rebellierenden Städte befreien, wenn nicht einer von den alten Staufern? Am traditionellen kaiserlichen Truppensammelpunkt in Augsburg brach 1267 n. Chr. unter staufischem Banner ein Heer von 5000 Rittern auf, um Anjou die Stirn zu bieten.
Die Reise war allerdings keine leichte. Da die finanzielle Situation Konradins nicht die beste war, verliessen ihn 2000 Ritter. Nicht alle Städte in Italien waren dem Staufer gewogen, zudem wurden er und seine Ritter exkommuniziert. Ein Familienstreit schien nun das Blatt ins Positive zu wenden. So ergriff der Spanier Heinrich von Kastilien im Juni 1267 n. Chr. das Amt des Regenten von Rom. Er war der Cousin Karl von Anjous, unterstützte aber die Sache Konradins, da Anjou ihm beträchtliche Summen Geld schuldete. Das staufische Heer wurde somit durch schwer gerüstete spanische Ritter ergänzt.
Der 23. August 1268 war ein heisser Sommertag in den Abruzzen. In der Palentinischen Ebene trafen nun die zwei Ritterheere aufeinander. Etwa 5000 bis 8000 deutsche, italienische und spanische Ritter standen an einem Fluss, über den nur eine kleinere Holzbrücke führte, 4000 französischen und italienischen Rittern gegenüber. Keine der beiden Parteien wollte die Brücke überqueren, da dies Verwundbarkeit bedeutet hätte.
In diesem Moment gelang Heinrich von Kastilien ein Coup. Er ritt mit seinem spanischen Gefolge den Fluss entlang, vor den feindlichen Augen von hohem Buschwerk verdeckt. Eine Stelle, an welcher man ohne Brücke den Fluss überqueren konnte, war ganz in der Nähe. Die Spanier setzten über und preschten Anjous Heer in die Flanke. Dies gab Konradins restlichem Heer das Zeichen, die Brücke zu überqueren.
Anjous Heer wurde zerschlagen. Der Ritter mit dem königlichen Wappen der Anjous auf seinem Schild wurde getötet und grausam verstümmelt, was einen vermeintlichen Sieg der Staufer signalisierte. Die Spanier verfolgten fliehende Feinde, die Deutschen fingen an, die Leichen zu fleddern. Konradin hatte gewonnen, das Erbe der Staufer war gesichert. So dachten sie zumindest.
Der Mann mit dem Wappen der Anjous war jedoch nicht Anjou, sondern sein Marschall Courances. Anjou selbst lag mit seinem harten Kern von tausend französischen Rittern auf einem Hügel im Hinterhalt. In Europa war diese Taktik unüblich und eher unbekannt. Sie galt sogar als unehrenhaft. Im Orient hingegen war der Hinterhalt eine beliebte Taktik, die oft zum Einsatz kam. Anjou, der kurz vor dieser Sizilienkrise von einem Kreuzzug zurückgekommen war, wusste dies für sich zu nutzen.
Als Anjou sah, dass sich das staufische Heer in Leichenfledderei und Verfolgung der Flüchtenden erging, schickte er seine schwere Kavallerie los. Ein Teil der auf dem Schlachtfeld verteilten staufischen Streitmacht konnte sich gerade noch zum Widerstand formieren. Nach hartem Kampf wurde dieser jedoch gebrochen. Das Heer der Staufer flüchtete, Konradin ebenfalls. Am Ende tränkte das Blut von 4000 toten Rittern den italienischen Boden.
Von Ehre konnte Anjou nicht viel gehalten haben. Nicht nur der Hinterhalt verstiess gegen das ritterliche Ideal, sondern auch das, was auf die Schlacht folgte. Viele Ritter des Stauferheeres wurden auf der Flucht oder noch auf dem Schlachtfeld hingerichtet oder sogar verstümmelt.
Wie es um Heinrich von Kastilien und – viel wichtiger – Konradin stand, wusste Anjou in der unmittelbaren Zeit nach der Schlacht nicht. Konradin hatte zwar die Schlacht, jedoch noch nicht den Krieg verloren. Es herrschte noch immer Aufruhr in den ghibellinisch gesinnten Städten. Doch Konradin sollte keine Chance mehr bekommen, sich an Anjou zu rächen. Er wurde auf der Flucht verraten. Er und seine Anhänger wurden in Neapel, im Castel dell'Ovo, eingesperrt.
Anjou sah nur einen Weg, seine Ansprüche auf Sizilien durchzusetzen und den Widerstand gegen ihn zu brechen. Während Barbarossa einer Sage nach in das Kyffhäusergebirge aufgestiegen war und dort noch heute schlummern soll, stieg sein Nachfahre Konradin am 29. Oktober 1268 auf der Piazza del Mercato in Neapel auf das Schafott. Ein Hieb trennte den Kopf des Jungen von sechzehn Jahren vom Körper und beendete nicht nur sein Leben, sondern auch die legitime Erblinie der Staufer.
So endete die Tragödie des letzten Staufers. Das Herrschergeschlecht des Hochmittelalters war nicht mehr. Trauer machte sich in den deutschen Landen und Italien breit. Was folgen sollte, war eine Herrschaft in Sizilien, welche Sehnsüchte nach den alten Staufern weckte. Im Heiligen Römischen Reich sollte das Interregnum andauern.