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Der Kreuzzug gegen Konstantinopel

Die Eroberung Konstantinopels, 1204.
Die Eroberung Konstantinopels, 1204.bild: wikimedia

Als Christen Christen schlachteten: Wie der verhängnisvolle Vierte Kreuzzug vom Ziel abkam

Der Kreuzzug gegen Konstantinopel. Oder: Wie der verhängnisvolle Vierte Kreuzzug von seinem eigentlichen Ziel abkam. 
08.09.2018, 16:1709.09.2018, 06:29
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«In der Mitte zwischen Gott und Mensch, weniger als Gott, mehr als Mensch.»

Das sagte Papst Innozenz III. (1198–1216) über sich selbst. Welch Bescheidenheit.

Einmal auf dem Thron, nannte er sich auch nicht mehr länger nur Stellvertreter Petri, sondern gleich Statthalter Jesu Christi und Stellvertreter Gottes auf Erden. Und wer ihm zuwider handle, der mache sich Gott zum Feind.

Ein Mann mit gesundem Selbstvertrauen. 37 Jahre zählte er erst, als er zum Papst gewählt wurde, was den höfischen Dichter Walther von der Vogelweide zu folgendem Ausruf verleitete:

«Owê, der bâbest ist ze junc; hilf, hêrre, dîner kristenheit!»

Doch das Alter war nicht die eigentliche Schlamastik. Es war dieser imperatorische Charakter, sein unstillbarer Hunger nach Macht. Er war in nichts von einem weltlichen Herrscher zu unterscheiden: Innozenz III. versprach, was er nicht halten konnte, dichtete seinen Gegnern Absichten an, die diese nicht hegten – kurz, er beherrschte die Kunst der Diplomatie.

Papst Innozenz III. (Fresko im Kloster San Benedetto (Subiaco) in Subiaco, Latium, um 1219)
Papst Innozenz III. auf einem Fresko im Kloster San Benedetto in Subiaco, Latium, um 1219.bild: wikimedia

Bevor sich nun diese gefährliche Figur auf den Heiligen Stuhl pflanzte, hatten sich die Kreuzzüge vorrangig gegen die «Ungläubigen» gerichtet, sie führten ins Heilige Land, zum «Halbmond, der schmachvoll das Heiligste grundsätzlich entweihte und grausam die Christen bedrückte.» 

Mit Innozenz III. aber bricht das 13. Jahrhundert an, und dieses verschmutzt er gleich zu Beginn mit seinem klerikalen Kriegstreiben, in dem Christen Christen abschlachten werden. 

Im Kirchenlexikon der katholischen Theologie, das 1847 erschien, heisst es zu den Kreuzzügen:

«Wer endlich schaffte die unermesslichen materiellen Opfer zu diesem Werke? Wer anders, als die Kirche, welche den Opfergeist tausendfach erweckte, indem sie Zehnten, Gaben und Beisteuern aller Art zu beschaffen und so den allgemeinsten Antheil an dem verdienstlichen Werke zu vermitteln wusste, und das nicht allein mit ihrem liebevollen und feurigen Worte, sondern auch mit ihrer höheren Gewalt und thatkräftigem Beispiele. Denn was steuerte sie nicht bei, mit welcher Mühe betrieb sie den Einzug, mit welcher Sorgfalt für die Verwendung der Gelder! Die Beschuldigung des Eigennutzes ist so leer, dass sie von jedem besseren Historiker zurückgewiesen wird.»

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Denn diese weniger guten Historiker hätten nichts Besseres zu tun, «als den eigenen Unrath auf den religiösen Duft der Kreuzzüge auszugiessen!»

Dieser religiöse Duft nun muss wesentlich nach Blut gerochen haben, aber das vergiesst die Kirche ja bekanntlich nicht, da sie sich über die Jahrhunderte so strikt an ihren eigenen Grundsatz gehalten hat: «ecclesia non sitit sanguinem»; die Kirche dürstet nicht nach Blut. 

Damit also das vierte Kapitel dieses «grossartigsten Epos» geschrieben werden konnte, rief Papst Innozenz III. bereits im August 1198 ohne jeglichen Anlass zum Kreuzzug auf. Sein Kardinal Peter von Capua lässt verlautbaren: 

«Alle, die sich bekreuzigen und Gott ein Jahr lang im Heer dienen, sollen freigesprochen sein von allen Sünden, die sie begangen und gebeichtet haben.»

Welch generöser Ablass für einen Kreuzzug, der sein eigentliches Ziel vollends verfehlen sollte.

An der Spitze dieser fragwürdigen Unternehmung standen Bischöfe, Äbte und Grafen, ihr Heer bestand aus französischen Rittern und venezianischen Seeleuten. Letztere mussten allerdings erst noch überzeugt werden. Denn der Papst wollte nach Barbarossas Landweg-Strapazen im Dritten Kreuzzug über die See an sein Ziel gelangen.

Der Doge – der gewählte Herrscher der Republik Venedig – Enrico Dandolo war schon über 90 Jahre alt, halbblind und vielmehr Handelsmann als glühender Christ. Für 85'000 Mark Silber und die Hälfte des zu erobernden Gebietes versprach der Greis, den Transport von etwa 33'000 Mann zu organisieren und eine eigene Flotte mit 50 Galeeren auszurüsten. 

Historiengemälde von Jean Le Clerc aus dem Jahr 1621, das den venezianischen Dogen Enrico Dandolo beim Werben für den Kreuzzug darstellt.
Historiengemälde von Jean Le Clerc aus dem Jahr 1621, das den venezianischen Dogen Enrico Dandolo beim Werben für den Kreuzzug darstellt.bild: wikimedia

Die neuen Schiffe werden die erste grosse amphibische Operation des Mittelalters ermöglichen. Aus dem Laderaum wird die Kavallerie in voller Montur herauspreschen können. 

In einem geheimen Zusatzprotokoll handelte man Ägypten als erstes Angriffsziel aus – die Kornkammer des Feindes. Denn ohne diese könne sich auch das Heilige Land nicht lange halten.

Dann endlich war die Flotte startklar. Eine Flotte für 33'000 Mann. Eingetroffen waren aber bis zum Juli 1202 nur 12'000 Ritter. Viele Kreuzfahrer hatten sich in Marseille oder Apulien eingeschifft – die Rekrutierung war vollends fehlgeschlagen.

Diese kümmerliche Zahl konnten die Venezianer niemals bezahlen und bald, so berichtet ein Kreuzfahrer empört, behandelte man ihn und seinesgleichen wie Gefangene. Manch ein Reicher gab zwar sein Silberbesteck in Zahlung, aber es fehlten noch immer neun Tonnen Silber. 

Endlich erlöste der Doge die Kreuzritter von ihrem Elend. Ihre Schulden seien aufgeschoben, verkündete er und vergoss dabei ein paar Tränen für die gerechte Sache. Er selbst, «obwohl verstümmelt und schwach an Körper», würde sie in den bevorstehenden Krieg führen.

Der Doge aber führte sie nicht wie vereinbart nach Ägypten. Dies war sowieso niemals in seinem Sinne, war der Sultan doch einer seiner wichtigsten Handelspartner. Er führte sie gegen die abtrünnige Hafenstadt Zara an der dalmatinischen Küste. Sie gehörte jetzt zu Ungarn, dessen König selbst das Kreuz genommen hatte. 

Die Eroberung Zaras im Jahr 1202, Gemälde von Tintoretto für den venezianischen Dogenpalast.
Die Eroberung Zaras im Jahr 1202, Gemälde von Tintoretto für den venezianischen Dogenpalast.bild: wikimedia

Dandolo, dieser kühl berechnende Greis, hatte die Ritter wegen ihrer Schulden fest in der Hand. In seiner purpurnen Prachtgaleere segelte er ihnen voraus, unter dem Baldachin fuhr er grinsend seiner Beute entgegen.

Der Papst tobte indes. Er sah sein Grossprojekt in Gefahr, für dessen Umsetzung er absichtlich keine Könige angeschrieben hatte, weil er den Ruhm nicht teilen wollte. Und nun schien dieser Ruhm sich in Schande zu verwandeln. Christen würden Christen morden! Sein Brief erreichte das Heer kurz vor dem Angriff auf die christliche Stadt. «Exkommunikation den Aggressoren!», zeterte er von Rom aus. 

Doch Dandolo liess sich davon nicht beeindrucken. In fünf Tagen war die Stadt erobert und ihre Mauern geschleift. Innozenz III. verhängte nun den Kirchenbann über die ganze Streitmacht, doch allzu lange sollte dieser nicht halten, der wahre Kreuzzug stand ja noch immer bevor. 

Eines Tages kreuzten Boten in Zara auf, im Auftrag des byzantinischen Prinzen Alexios Angelos. Sie mussten wie Engel auf die Führung des Kreuzheeres gewirkt haben, denn sie versprachen viel Geld gegen militärische Hilfe. Alexios' Bruder sitze widerrechtlich auf dem byzantinischen Thron, erzählten sie. Er habe dem Vater, dem amtierenden Kaiser, die Augen ausgestochen und ihn in den Kerker werfen lassen. Alexios aber gelang die Flucht. Und nun brauche er Unterstützung, um Konstantinopel zurückzuerobern. Dafür versprach Alexios den Kreuzrittern viel Geld – und die Unterwerfung des oströmischen Reiches unter die Oberhoheit der lateinischen Kirche.

Geeint stand das Heer nicht hinter der Entscheidung. Aber am Ende willigte man ein. Man würde schliesslich nicht nur schuldenfrei, sondern reich nach Hause kommen. 

Karte mit der Route, die der IV. Kreuzzug nahm, und den Reichen, die aus der Zerschlagung des Byzantinischen Reiches hervorgingen; das Lateinische Kaiserreich (rot), das Kaiserreich Nikaia, das Kaiser ...
Karte mit der Route, die der IV. Kreuzzug nahm, und den Reichen, die aus der Zerschlagung des Byzantinischen Reiches hervorgingen; das Lateinische Kaiserreich (rot), das Kaiserreich Nikaia, das Kaiserreich Trapezunt und das Despotat Epirus.bild: wikimedia

Als die Türme der Stadt vor den Augen des Kreuzzugheeres auftauchten, all «die prächtigen Paläste und die hohen Kirchen, gab es keinen noch so kühnen Mann, dem der Körper nicht erschauderte», schrieb der französische Ritter und Chronist Gottfried von Villehardouin. 

Doch bald schon sollte dieser goldene Glanz für immer verloren sein. Der venezianische Doge selbst sorgte dafür. Unter heftigem Beschuss liess er sich von seinen Ruderern ans Ufer bringen, am Bug seiner Galeere soll der Halbblinde gestanden haben, vor sich das rot-goldene Löwenbanner. Und als die Ritter auf den restlichen Schiffen die Markus-Fahne unter der Stadtmauer erblickten, fassten sie Mut und eilten ihrem Anführer zur Hilfe.

„Venetian Crusaders under the blind Doge Enrico Dandolo.“, in: George J. Hagar (Hrsg.): What the world believes, the false and the true, embracing the people of all races and nations, New York 1888, z ...
Die venezianischen Kreuzritter unter dem Befehl des blinden Dogen Enrico Dandolo.bild: wikimedia
«Das Kampfgeschrei war so gross, dass Erde und Meer zusammenzustürzen schienen.»
Gottfried von Villehardouin

Während der Rammbock die Wachtürme erzittern liess, enterten immer mehr Männer die Mauer. Auf dem Meer vermochten die «20 morschen, wurmstichigen Kähne» Alexios' gegen die topmodernen 210 Galeeren der Venezianer nicht viel auszurichten. Bald schon wichen die Byzantiner zurück und die Kreuzritter stürmten durch die Tore der Stadt. Der unrechtmässige Kaiser machte sich nun mitsamt der Staatskasse aus dem Staub. Und mit seinem Abgang brach auch der ganze Widerstand innerhalb der Stadt zusammen. 

Alexios' Vater wurde aus dem Kerker befreit und abermals zum Kaiser gekrönt, er selbst zu dessen Mitregenten bestimmt. Doch schon ein paar Monate später fegte man die beiden wieder vom Thron. Der Vater wurde vergiftet. Dem Sohn quetschte man «die Seele auf diesem engen, eingeschnürten Weg aus dem Leibe, wie man einen Obstkern ausdrückt, und warf ihn in den Hades». 

Im Februar 1204 ist bereits ein Mann mit besonders buschigen Augenbrauen der Herrscher Konstantinopels. Sein Beiname Murtzuphlos deutet auf diese bemerkenswerte Eigenschaft hin.

Kaiser Alexios V., Murtzuphlos genannt (zu Pferd), auf einem Historiengemälde von Gustave Doré, wie er Konstantinopel gegen den venezianischen Dogen Dandolo (auf dem Schiff stehend) verteidigt.
Kaiser Alexios V., Murtzuphlos genannt (zu Pferd), auf einem Historiengemälde von Gustave Doré, wie er Konstantinopel gegen den venezianischen Dogen Dandolo (auf dem Schiff stehend) verteidigt.bild: wikimedia

Nun hatte das Kreuzzugsheer seine Daseinsberechtigung vollends verloren. Ohne Proviant, ohne Gewinn und ohne Ehre stand es da. Und so beschlossen dessen Anführer die Eroberung Byzanz'. In einem Pakt legten sie die Gründung eines Kaiserreichs innerhalb des oströmischen Staates fest. Romania wird es heissen. Und drei Viertel des Beutegutes soll an die Venezianer gehen, bis endlich alle Schulden getilgt seien. 

Am 9. April wagten die Kreuzritter noch einmal die Erstürmung der Mauern. Doch Murtzuphlos hatte sie mit Holzaufbauten derart aufgestockt, dass die Angreifer machtlos waren. Sie sahen einzig ein paar blanke griechische Hintern, die ihnen zum Hohn entgegengestreckt wurden. 

Beim zweiten Versuch halfen ihnen «göttliche Böen», die ihre Schiffe nah genug an die Mauern trugen, um sie vom Wasser aus zu erklimmen. Als das Heer dann in der Stadt stand, wurde es von einer schweigenden Prozession empfangen. So hiess man in Byzanz einen neuen Herrscher willkommen. 

Angriff der Kreuzfahrer auf Konstantinopel, dargestellt in einer Handschrift der Chronik Villehardouins, um 1330.
Angriff der Kreuzfahrer auf Konstantinopel, dargestellt in einer Handschrift der Chronik Villehardouins, um 1330.bild: wikimedia

Trotz dieser friedlichen Kapitulation zogen die Kreuzritter in den nächsten Tagen brandschatzend durch die Stadt. Sie entrissen Müttern ihre Kinder, töteten Männer, verkauften Jungen in die Sklaverei und vergewaltigten Mädchen in den Kapellen. 

Sie plünderten den reichen Reliquienschatz Konstantinopels, vergriffen sich am Stab Mose, am Tisch Salomons, am Tintenfass des Pilatus. Der Ritter Robert de Clari sah «Stücke vom Wahren Kreuz, so dick wie das Bein eines Mannes, das Eisen der Lanze, mit dem Unserem Herrn die Seite durchstochen wurde, und die Nägel, die Ihm durch die Hände und Füsse getrieben waren.» 

Das alles sackten die Anführer ein, die Grafen und auch die gierigen Äbte, die ihre Hände «eilig und begehrlich in die Schätze tauchten» und «den Bauch ihrer Kutten mit dem heiligen Kirchenraub füllten». Darin verschwanden auch der Arm des Heiligen Jakobus, der Fuss des Heiligen Kosmus, ein Zahn des Heiligen Laurentius und «kein geringer Teil des Heiligen Johannes». 

Entry of the Crusaders in Constantinople in 1204
Gustave Dore
Die Kreuzritter stürmen Konstantinopel 1204, gemalt von Gustav Doré um 1877.bild: wikimedia

Die Reliquien galten damals unzweifelhaft als echt – und sie eigneten sich hervorragend fürs Wallfahrtsgeschäft. Erst rund 300 Jahre später wird Erasmus von Rotterdam spotten, dass sich mit all den heiligen Splittern des einzig Wahren Kreuzes ein ganzes Schiff bauen liesse.

Auch die Hagia Sophia wurde leergeräumt. Diese schönste aller Basiliken mit den Kuppeln, wie es keine zweite auf der Welt gab noch je wieder geben wird. Ein durch Byzanz reisender Russe zählt in seiner «Chronik von Nowgorod» die Schätze auf, die die Räuber entwendeten: 12 silberne Säulen des Chors, 12 Altarkreuze, 40 Kelche, 40 Weihrauchgefässe, ...

Die gesamte Beute wurde später auf 400'000 Silbermark geschätzt. 

Die Eroberung von Konstantinopel 1204, Ölgemälde von Tintoretto.
Die Eroberung von Konstantinopel 1204, Ölgemälde von Tintoretto.bild: wikimedia

Niketas Choniates war der Siegelbewahrer des Kaisers und auch er verlor durch die Eroberung der Stadt alles. Mit nichts mehr als ihren nackten Leben flohen er und seine Familie nach Nikaia, das grösste der byzantinischen Exilreiche. Dort sass er nun, traurig und gebrechlich geworden, über den Untergang seiner Heimat:

«Das Unheil kam über jedes Haupt. In den Gassen war Weinen und Jammern, die Strassen erfüllte Klagen und Geheul, aus den Kirchen tönte Wehgeschrei, Männer seufzten, Frauen schrieen, überall wurden Leute verschleppt, versklavt ... Sie nahmen allen alles, Geld und Gut, Haus und Gewand. ...

Ja, das waren die Männer mit dem ehernen Nacken, dem prahlerischen Sinn, der hochgezogenen Braue, den allzeit jünglinghaft glattgeschabten Backen, mit der blutgierigen Rechten, der zornbebenden Nase, dem Stolz erhobenen Auge, den unersättlichen Kinnladen, ...

Das waren die Männer, die, was noch schwerer wiegt, das Kreuz auf ihren Schultern trugen, die oft auf dieses Kreuz und die Heilige Schrift ihren falschen Eid geschworen, sie würden Christenländer ohne Blutvergiessen durchziehen, nicht nach links abweichen, nicht nach rechts abbiegen, weil sie nur gegen die Sarazenen ihre Hand gewaffnet hätten und ihr Schwert nur mit dem Blut der Zerstörer Jerusalems färben wollten, das waren die Männer, die gelobt hatten, keine Frau zu berühren, solange sie das Kreuz auf ihren Schultern trügen, weil sie als Gott geweihte Schar im Dienste des Allerhöchsten zögen! ...

O meine Stadt, meine liebe Stadt.»

Mit den Gewinnen dieses fehlgeleiteten Kreuzzuges schuf Venedig sein Kolonialreich im östlichen Mittelmeer. Der alte Dandolo starb kurze Zeit später, man setzte den Dogen in der Hagia Sophia bei. 

Konstantinopel erholte sich nicht mehr von dem Schlag. Ein Weilchen noch regierte der neu gekrönte Graf Balduin von Flandern als Kaiser des Lateinischen Reiches über die zerstörten Mauern der Stadt. Und mag die Eroberung des oströmischen Herzens auch ausdrücklich gegen den Willen des Papstes erfolgt sein, jetzt, wo Balduin ihm die Unterwerfung der orthodoxen Griechen in Aussicht stellte, war er gar nicht mehr so abgeneigt. Seit der Kirchenspaltung 1054 wünschte man sich in Rom nichts sehnlicher. 

An den Heeresklerus schrieb Innozenz III., dass die Einnahme Konstantinopels geradezu ein göttliches Urteil darstelle, ein «seit Ewigkeiten vorgesehenes Mysterium, das der hohe Ratschluss Gottes im Dienst der Kreuzfahrer offenbart habe, damit künftig ein Schafstall Christi und ein Hirte vorhanden wären.» 

Der Herr selbst habe das Reich der stolzen, ungehorsamen, schismatischen Griechen übertragen auf die demütigen, folgsamen, katholischen Länder, liess er dann auch Kaiser Balduin wissen.

Lange liess der Herr das Lateinische Reich allerdings nicht bestehen. Nach Balduin sah es noch vier weitere Kaiser, doch bereits 1261 wurde Konstantinopel mit Hilfe der Genuesen wieder zurückerobert.

Der alte Glanz aber war für immer verloren. 500 Jahre lang galt das Byzantinische Reich als Bollwerk gegen die Muslime, nun war es nicht mehr als ein dürftig zusammengenähter Flickenteppich.

Die Eroberung Konstantinopels durch die Türken unter Sultan Mehmed II. nach Panagiotos Zografos, um 1836.bild: wikimedia

Als die Sonne am 29. Mai 1453 aufgeht, fällt Konstantinopel ein letztes Mal. Manche glauben, die Janitscharen seien durch eine kleine, unverschlossene Ausfallpforte in der Mauer eingedrungen. Sultan Mehmed II. erklärt die Stadt Istanbul zur neuen Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Und auf der Spitze der Hagia Sophia prangt fortan der Halbmond.

Zum Glück hatte man die Basilika schon rund 250 Jahre davor leergeräumt. Man sagt, dass neun Zehntel der Kunstsammlungen, die später den Schatz der Markuskirche in Venedig ausmachten, aus dem Raub von Konstantinopel stammten.

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16 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
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nödganz.klar #161
08.09.2018 17:42registriert Februar 2018
Danke, Frau Rothenfluh!

Du trägst dazu bei, dass Watson (meistens) erfolgreich den Spagat zwischen seichter Unterhaltung, Newsportal und Bildungsmedium schafft.
Natürlich würde es mich freuen, wenn hier noch mehr Artikel auf diesem Niveau publiziert würden, aber in den letzten Tagen, wurde ich schon ordentlich mit Rothenfluh-Lektüre gefüttert, das passt so. 😄
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olmabrotwurschtmitbürli #wurstkäseszenario
08.09.2018 17:51registriert Juni 2017
Schlamastik - wird sofort in meinen Sprachgebrauch integriert. Tolles Wort.
735
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Polaroid
08.09.2018 18:07registriert September 2014
WOW, merci
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