Wieder liegt ein grauer Deckel über grossen Teilen des Schweizer Mittellandes. Die Nebelsuppe schlägt vielen aufs Gemüt, und manch einer wünscht sich wohl, man könnte den Nebel einfach wegblasen oder sonstwie auflösen. Die Anzahl der Nebeltage hat zwar in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, doch gefühlt hat sich die Lage nicht verbessert.
Bevor wir uns der Frage zuwenden, ob und wie man die graue Suppe loswerden könnte, sollten wir zuerst klären, was Nebel überhaupt ist. Der sichtbare Nebel besteht eigentlich aus den feinen Wassertröpfchen einer niedrig liegenden Schichtwolke; diese Tröpfchen sind mit einem kleineren Durchmesser als ein Menschenhaar zehn- bis hundertmal kleiner als Regentropfen. Da sie so klein sind, schweben sie in der Luft und fallen nur extrem langsam zu Boden.
Bei der grauen Decke über dem Mittelland handelt es sich um Hochnebel, der in aller Regel bei Inversionslagen entsteht. Kalte Luft liegt dann wie ein See in den Geländesenken unter wärmerer Luft und kann aufgrund der windarmen Hochdrucklage nicht entweichen. Die Inversion verhindert wie eine Sperrschicht den vertikalen Luftaustausch, deshalb reichern sich in der bodennahen Kaltluft Staub und Russ an, die als Kondensationskeime für den Wasserdampf wirken.
Wenn sich die bodennahen Luftschichten in der Nacht abkühlen, bilden sich an diesen Kondensationskeimen winzige Wassertröpfchen – es entsteht Nebel. Dessen Obergrenze fällt meist mit jener des Kaltluftsees zusammen. Wenn die Sonnenstrahlung schwach ist, vermag sie den Nebel tagsüber nicht immer aufzulösen. Nebeltage treten am häufigsten im Herbst auf, wenn die Luft sich in der Nacht bei hoher Feuchtigkeit stark abkühlt.
Von Nebel spricht man eigentlich nur, wenn die Sichtweite unter einem Kilometer liegt; Nicht-Meteorologen nehmen in der Regel allerdings erst Sichtweiten unter 300 Metern als Nebel wahr. Beträgt die Sichtweite ein bis vier Kilometer, spricht man von Dunst.
Gegen die graue Glocke, die manchmal tagelang über unseren Köpfen hängt, gibt es leider kein Gegenmittel. Nebel kann nur in örtlich eng begrenztem Rahmen beseitigt werden, und dies nur unter hohen Kosten. Die Verfahren beruhen darauf, die Wassertröpfchen entweder wachsen zu lassen, damit sie ausregnen, oder sie durch Zufuhr von Wärme zu verdampfen.
Im erstgenannten Fall wird der Nebel mit Chemikalien «geimpft», das heisst, es werden zusätzliche Kondensationskeime eingespritzt, was zu grösseren Tropfen führt. Das zweite Verfahren kam früher manchmal auf Flughäfen zur Anwendung, wenn die Pisten beheizt wurden. Dies war jedoch nur bei einer nicht allzu dicken Nebelschicht erfolgversprechend.
Könnte man Nebel flächendeckend verdampfen lassen, würde dies erstaunlich wenig Energie erfordern. Der 2022 verstorbene Professor Werner Eugster, Geograf und Umweltwissenschaftler an der ETH Zürich und anerkannter Nebel-Experte, nahm 2020 für watson eine Überschlagsrechnung vor. Eugster hatte sich dabei auf die rein hypothetische Frage beschränkt, wie viel Energie es brauchen würde, um Nebelwassertröpfchen zu verdampfen – wenn man nur jene Energie berücksichtigt, die nötig ist, um das flüssige Nebelwasser zu verdampfen.
Eugster ging bei seiner Rechnung von einem Durchschnittswert von 0,25 Gramm Nebelwasser pro Kubikmeter Luft aus – übrigens enthalte die Luft gut und gerne zehnmal so viel Wasser in Form von unsichtbarem Wasserdampf – und veranschlagte eine ungefähre Verdunstungswärme von 2,502 Megajoule pro Kilogramm Wasser.
Bei einer Nebeldecke mit einer Mächtigkeit von 50 Metern kam Eugster so auf einen Energiebedarf von rund 31,3 Megajoule pro Quadratkilometer. Dies entspreche etwa der Heizenenergie, die in 7,4 Liter Heizöl enthalten sei. Bei einer Nebeldecke von 100 Metern Dicke wären es entsprechend 14,8 Liter Heizöl pro Quadratkilometer.
Das sei gar nicht so viel, sagte Eugster. Darum, stellte der Experte fest, dürfte auch der vermehrte Energieumsatz an der Bodenoberfläche für den Umstand verantwortlich sein, dass der Hochnebel heute an manchen Orten den Boden nicht mehr berühre, wo dies früher noch der Fall gewesen sei. Auch in unserem Rechenbeispiel wäre es nicht möglich, so Eugster, die Heizenergie vollumfänglich zur Verdunstung der Nebeltröpfchen zu verwenden. Sie würde die Lufttemperatur leicht ansteigen lassen, was die Nebelschicht etwas nach oben verdrängen würde.
Übrigens berichte man genau dies aus bevorzugten Wohnlagen entlang des Jurasüdfusses, im Zugerland und in den Voralpen, wusste Eugster: Wo der Blick vor 50 Jahren noch über das Nebelmeer schweifen konnte, stecke man heute viel häufiger im Nebel. Ein Höhenunterschied von 50 Metern reiche dafür bereits aus.
"Kei Ahnig, Sohn. Miar sind Bündner!"
Danke Huber, wiedermal sehr spannend, Sie zu lesen!