Wissen
Schweiz

Versuche mit Affen an Uni und ETH Zürich sind erlaubt

Tierversuche Makake Affe Primatenstuhl
Bei Makake-Affen ist der präfrontale Cortex ähnlich strukturiert wie bei Menschen.Bild: swp.de

Tierschützer blitzen vor Gericht ab: Versuche mit Affen an Uni und ETH Zürich sind erlaubt

20.04.2017, 15:2720.04.2017, 15:53
Mehr «Wissen»

Die Universität und die ETH Zürich können Versuche mit Primaten durchführen: Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat eine Beschwerde gegen die Bewilligung abgewiesen. Tierschutzorganisationen kritisieren den Entscheid als «bedenklich» und «empörend».

Forscher des Instituts für Neuroinformatik der Uni und ETH Zürich wollen das «komplexe Zusammenspiel von Nervennetzen in der stirnseitigen Hirnregion» besser verstehen. Sie versprechen sich dadurch neue Erkenntnisse für die künftige Behandlung von psychischen Erkrankungen – etwa Schizophrenie.

Hirnexperimente mit zwei Affen

Diese Erkenntnisse sollen mit Hilfe von Tierversuchen gewonnen werden: Uni und ETH haben deshalb vor rund drei Jahren ein Gesuch für mehrmonatige Hirnexperimente mit zwei Affen gestellt. Bei Makaken sei der präfrontale Cortex ähnlich strukturiert wie bei Menschen, schreiben die beiden Hochschulen in einer Medienmitteilung vom Donnerstag.

«Mit fixiertem Kopf werden die Affen gezwungen, jeden Tag während mehrere Stunden mit den Augen Aufgaben an einem Bildschirm zu lösen.»
Stiftung für das Tier im Recht (TIR)

Das Veterinäramt des Kantons Zürich bewilligte diesen Versuch im Juli 2014 auf Antrag der elfköpfigen Tierversuchskommission. Drei ihrer Mitglieder – die drei Vertreter von Tierschutzorganisationen – legten gegen diese Bewilligung Rekurs ein. Diesen lehnte der Regierungsrat im Dezember 2015 ab. Und nun wies auch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.

Güterabwägung zugunsten Forschung

Das Urteil wurde im Detail noch nicht veröffentlicht. Aber das Verwaltungsgericht hat offenbar wie zuvor der Regierungsrat in einer Gesamtbetrachtung befunden, dass der möglich Nutzen des Tierversuches die für die beiden Makaken entstehenden Belastungen überwiegt.

Uni-Rektor Michael O. Hengartner wird in der Medienmitteilung denn auch mit den Worten zitiert: «Wie die sorgfältige Güterabwägung aller Instanzen bisher gezeigt hat, überwiegen die möglichen wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser Studie.»

Die beiden Hochschulen seien sich der grossen Verantwortung gegenüber den Tieren bewusst, hält Hengartner weiter fest. Sie würden «respektvoll mit den uns anvertrauten Makaken umgehen». So sei die Zahl der Versuchstiere auf das Minimum beschränkt. Deren Belastung soll so gering wie möglich gehalten werden.

Harsche Kritik von Tierschützern

Die Stiftung für das Tier im Recht (TIR) kritisiert die Bewilligung für die Primatenversuche hingegen scharf: Das Leiden der Versuchsaffen sei massiv, die Tiere würden sowohl in ihrer körperlichen Integrität als auch in ihrer Würde erheblich verletzt.

«Mit fixiertem Kopf werden die Affen gezwungen, jeden Tag während mehrere Stunden mit den Augen Aufgaben an einem Bildschirm zu lösen», schreibt TIR. Für die richtige Lösung erhielten die Tiere ein paar Tropfen Flüssigkeit. Ansonsten würden sie, um sie zur Kooperation zu bewegen, durstig gehalten.

«Klares Fehlurteil»

Das Tierleid werde von den Forschern systematisch heruntergespielt, hält auch der Zürcher Tierschutz fest. Die Aufgaben der Versuchstiere würden «zynisch als freiwillige Computerspiele beschönigt, Begriffe wie Sklavenarbeit oder Folter wären angemessener».

Von einem «klaren Fehlurteil» spricht Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz. Es gehe nicht nur um diesen Einzelfall: «Die Forschenden erhoffen sich einen Freipass für eine ganze Serie langjähriger Primatenversuche.»

Die Vorbereitungen starten

Sobald der Entscheid des Verwaltungsgerichts rechtskräftig ist, wollen die Forscher des Instituts für Neuroinformatik die Vorbereitungen zu ihrer Studie einleiten. Als erstes werden die Tiere aus einer anerkannten Zucht ausgewählt und nach Zürich gebracht.

Danach werden die Makaken «eingeführt und spielerisch an ihre Aufgaben herangeführt», heisst es in der Mitteilung. Erst wenn die Affen ihre Verhaltensaufgaben weitgehend stressfrei lösen, seien die erhobenen Daten auch aussagekräftig, wird der Forschungsleiter Valerio Mante zitiert. Mit den eigentlichen Versuchen könne frühestens im Herbst begonnen werden. (whr/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
80 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
El Vals del Obrero
20.04.2017 16:08registriert Mai 2016
In der Regel bin ich ja eher auf Seite der Tierschützer.

Aber ob «Mit fixiertem Kopf werden die Affen gezwungen, jeden Tag während mehrere Stunden mit den Augen Aufgaben an einem Bildschirm zu lösen» jetzt wirklich "Sklavenarbeit" oder "Folter" ist? Dann wird ja auch jeder Büroangestellte gefoltert.

Und körperliche Versuche scheint es ja keine zu geben.

All die Meerschweinchen und Kleinnager, die (ganz herzig) in einer Wohnung alleine in einem Käfig dahinvegetieren sind schlimmer dran.

Aber man las auch schon mal "Schafe würden dazu *missbraucht* Rasen an Böschungen kurz zu halten" ...
11
Melden
Zum Kommentar
avatar
JonSerious
20.04.2017 16:45registriert Februar 2015
«Mit fixiertem Kopf werden die Affen gezwungen, jeden Tag während mehrere Stunden mit den Augen Aufgaben an einem Bildschirm zu lösen.»

OMG Ich auch!! Hilfeee! Meine Uni begeht ganz klar gegen Studentenquälerei!! 😝
11
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gelöschter Benutzer
20.04.2017 16:23registriert April 2017
Wenn Tiere gleich sind wie Menschen, sind Tierversuche unhaltbar.
Wenn Tiere nicht gleich sind wie Menschen, sind Tierversuche sinnlos.
01
Melden
Zum Kommentar
80
«Heute wird nicht einmal mehr Greenwashing betrieben»
Nachhaltigkeit hat derzeit einen schweren Stand. Doch das Thema wird wiederkommen, ist die Wirtschaftsprofessorin Julia Binder überzeugt. Im Interview schildert sie, warum wir es unterschätzen und die Chinesen manches besser machen als Europa und die USA.
In der «NZZ am Sonntag» konnte man die Schlagzeile lesen «Klimaschutz gefährdet die Flugsicherheit». Ist sie symptomatisch für die heutige Zeit?
Julia Binder:
Man hört häufig «Nachhaltigkeit, ist ja alles schön und gut und vielleicht muss man tatsächlich etwas machen, aber wir gehen einfach zu weit und wollen zu schnell zu viel». Die Wahrheit ist genau umgekehrt: Es geschieht alles viel zu langsam und viel zu wenig weitreichend. Und leider befinden wir uns sehr stark im Quick-Fix-Mindset. Wir wollen isoliert Kleinigkeiten beheben, die dann häufig irgendwelche negativen Nebeneffekte haben.
Zur Story