Forscher am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen AG haben künstlich hergestelltes Beryllium-7 gesammelt und daraus eine untersuchbare Probe hergestellt. Das kurzlebige Material wurde dem CERN und weiteren Forschungsstätten zur Verfügung gestellt, die damit Ungereimtheiten in der Urknalltheorie überprüfen konnten.
Da Beryllium-7 durch seinen radioaktiven Zerfall zu Lithium-7 wird, hilft seine Erforschung, ein fundamentales Problem der Urknalltheorie zu knacken. Die Theorie sagt nämlich eine drei bis vier Mal grössere Menge Lithium voraus, als tatsächliche Messungen im Universum zeigen.
Dieses sogenannte Kosmologische Lithiumproblem ist eines der letzten grossen Rätsel der derzeitigen Theorie zur Entstehung des Universums. Denn bei allen anderen Elementen, die kurz nach dem Urknall entstanden waren, deckt sich die Urknalltheorie gut mit den gemessenen Daten.
Fast das gesamte, heute im Universum vorhandene Lithium-7 stammt aus dem Zerfall von Beryllium-7, das kurz nach dem Urknall entstand. Daher gingen die Forschenden der Frage nach, ob es vielleicht anfangs doch weniger Beryllium gegeben habe, als man bislang glaubte, und sich so das Kosmologische Lithiumproblem erklären liesse.
Eines der letzten, noch zu überprüfenden Details war der sogenannte Neutroneneinfangquerschnitt von Beryllium-7. Dieser Wert sagt die Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass ein Beryllium-7-Atomkern ein freies Neutron einfängt und in der Folge zerfällt.
«Der Neutroneneinfangquerschnitt von Beryllium-7 war zuletzt vor rund 50 Jahren vergleichsweise ungenau bestimmt worden», wird die PSI-Forscherin Dorothea Schumann, Leiterin der Forschungsgruppe für Isotopen- und Targetchemie, in einer PSI-Mitteilung vom Mittwoch zitiert. Diese Kennzahl sollte nun am CERN genauer als je zuvor untersucht werden. Die dafür notwendige Probe aus Beryllium-7 stellten die PSI-Forschenden zur Verfügung.
Die Herstellung und Vermessung der Beryllium-7-Probe beim PSI glich einer einmaligen Theateraufführung, für welche die Forschenden rund drei Jahre Vorbereitungen treffen und Testdurchläufe machen mussten. Beryllium-7 verschwindet durch seinen radioaktiven Zerfall so rasch, dass sich seine Menge rund alle 53 Tage halbiert.
Daher musste vor dem eigentlichen Durchlauf sowohl am PSI und am CERN sowie für den Transport zwischen den beiden Instituten alles auf Position sein, damit zwischen der Herstellung der Probe und ihrer Vermessung so wenig Zeit wie möglich verstreicht.
Die Idee zum Experiment entstand im Jahr 2012. PSI-Forscherin Schumann wusste, dass man aus dem Kühlwasser der Neutronenspallationsquelle SINQ, die am PSI für Experimente mit Neutronenstrahlen betrieben wird, das seltene Beryllium-7 extrahieren kann. Wie Goldschürfer extrahieren Schumann und ihre Forschungsgruppe die seltenen Isotope.
Tatsächlich gelang es den CERN-Forschern, mit der PSI-Probe das Experiment durchzuführen und den bis dahin noch ungenügend bekannten Neutroneneinfangquerschnitt des Beryllium-7 zu bestimmen. Doch auch diese aktuelle Messung löst das Kosmologische Lithiumproblem nicht: Nach der jetzigen Studie sei es nun wahrscheinlicher geworden, dass die Ursache dieses Problems in der theoretischen Beschreibung des Ursprungs des Universums liege, teilte das PSI mit. Die Wissenschaft werde daher weiter nach einer Lösung des Kosmologischen Lithiumproblems suchen müssen.
(sda)