Nach dem Blutbad in San Bernardino sind in den USA neue Ansätze in der Terrorismus-Bekämpfung nötig. Die Kritik der Republikaner wird immer ätzender. US-Präsident Barack Obama wendet sich mit einer Rede an die Nation. Aber kann er liefern?
Eigentlich wollte Obama am Sonntagabend an einer glanzvollen Galaveranstaltung im Kennedy Center teilnehmen. Stattdessen beschloss er, an seinem Schreibtisch zu sitzen und sich von dort aus an das amerikanische Volk zu wenden, um seine Anti-Terror-Strategie zu erläutern.
Dass Obama sich kurzfristig zu diesem Schritt entschied und zuvor erst zweimal aus dem Oval Office eine Ansprache an die Nation gehalten hat, zeigt, wie gross der Druck ist.
Schon vor dem anscheinend von radikalisierten Muslimen angerichteten Blutbad in San Bernardino hatten ihm seine republikanischen Kritiker immer wieder massive Schwäche im Anti-Terror-Kampf vorgeworfen, ihm angelastet, die Bedrohung zu unterschätzen.
Das zwang ihn bereits zu Kurskorrekturen wie der Entscheidung, doch Soldaten auf dem Boden in Syrien einzusetzen – wenn auch nur eine kleine Zahl von Elitekräften für Spezialeinsätze. Doch die Attacke am Mittwoch in San Bernardino hat der Terrorismus-Debatte eine neue Richtung gegeben.
Noch Ende November, während der Nachwehen der Anschläge in Paris, hatte Obama den Amerikanern versichert: «Es gibt keine spezifischen und glaubwürdigen Hinweise auf ein Komplott in unserem Heimatland.» Eine Woche später erlebten die USA die schlimmste Terrorattacke auf heimischem Boden seit den Anschlägen vom 11. September 2001.
Das Schreckgespenst von schweren Bluttaten radikalisierter einsamer Wölfe wie dem Ehepaar in San Bernardino, das in seiner Wohnung ein Arsenal von Kriegswaffen anhäufte – dies auch noch mit einem Baby an der Seite – ist plötzlich wahr geworden.
Die Republikaner haben die Gelegenheit genutzt, noch lauter gegen Obama zu trommeln, den Amerikanern mit aller Macht ihre Botschaft einzubläuen, die lautet, dass dieser Präsident ein Schwächling sei, der die Sicherheit des Landes aufs Spiel setzt. Dabei spielte ihnen in die Hände, dass Obama und sein Sicherheitsteam auffallend lange zögerten, den Angriff in San Bernardino als Terrorakt zu bezeichnen - vielleicht wegen der absehbaren Implikationen.
Während Obama sich als Konsequenz aus dem Blutbad auf sein innenpolitisches Hauptanliegen konzentrierte, einer Verschärfung der Waffengesetze, zogen die Republikaner die Anti-Terror-Debatte an sich. Sie klotzten, sprachen prompt von einem neuen «Krieg», dem sich die USA zu stellen hätten.
«Diese Nation braucht einen Kriegspräsidenten», forderte etwa Senator Ted Cruz. «Sie (die Terroristen) haben uns den Krieg erklärt. Und wir müssen ihnen den Krieg erklären», sagte Ex-Gouverneur Jeb Bush.
Carly Fiorina fand, dass es «jetzt nicht die Zeit ist, schärfere Waffengesetze zu fordern». Gouverneur Chris Christie sieht «unsere Nation belagert. Wir sind mit dem nächsten Weltkrieg konfrontiert».
Und Donald Trump? Der derzeitige Spitzenreiter im republikanischen Bewerberfeld hat hinreichend klargemacht, dass er als Commander-in-Chief die Terrormiliz «Islamischer Staat» zusammenbomben, Moscheen in den USA bewachen, Einreisekontrollen massiv verschärfen und Foltermethoden bei Verhören Terrorverdächtiger zulassen würde.
Obama lastet er eine Art Schmusekurs gegenüber Muslimen an, was schlicht zeige, «dass mit ihm etwas nicht stimmt».
Dass Trump seinen Vorsprung vor seinen innerparteilichen Rivalen seit den Pariser Anschlägen noch ausbauen konnte, zeigt, dass solche Töne in weiten Teilen des republikanischen Lagers gut ankommen.
Aber Obama ist Obama, und so erwarteten Experten von seiner Rede eine Art Mittelweg. Auf der einen Seite die Zusicherung an die Bevölkerung, dass die Regierung alles tun werde, sie zu schützen. Aber zugleich auch die Mahnung, Werte nicht der Angst zu opfern – sprich, Muslime und gewalttätige Islamisten differenziert zu behandeln.
Ähnlich hatte sich der Demokrat bereits in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache geäussert. «Wir sind Amerikaner. Wir werden unsere Werte beibehalten – eine freie und offene Gesellschaft.»
Aber ganz ohne die Ankündigung konkreter Massnahmen, so kommentierten viele Experten am Sonntag im US-Fernsehen, werde Obama das Heft in der Terrorismus-Debatte nicht wieder in die Hand bekommen. Dazu setzen ihm seine Kritiker zu viele starke – wenn auch überzogene – Ansätze entgegen.
So oder so ist sicher, dass die Terrorismus-Bekämpfung jetzt zum wohl beherrschenden Wahlkampfthema wird, was den Republikanern zugutekommen dürfte: Sie mussten bisher anders als Obama nichts beweisen. (sda/dpa)