Schweiz
International

Schweizer Spion: Brisanter Verdacht nach Festnahme

Die Gründe für die Verhaftung des angeblichen Schweizer Spions Daniel M. sind nach wie vor unklar. (Symbolbild)
Die Gründe für die Verhaftung des angeblichen Schweizer Spions Daniel M. sind nach wie vor unklar. (Symbolbild)bild: shutterstock

«Hinter diesem Fall steckt mehr» – brisanter Verdacht nach Festnahme des Schweizer Spions

FDP-Banker Hans-Peter Portmann vermutet hinter dem Fall um den festgenommenen Schweizer Daniel M. eine deutsche Korruptionsaffäre. Sorgten prominente Steuersünder dafür, dass ihre Namen von der Liste gestrichen wurden?
04.05.2017, 06:0104.05.2017, 15:08
Henry Habegger / Nordwestschweiz
Mehr «Schweiz»

Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann kennt die Banken- und Steuersünderszene. Er arbeitet seit Jahren als Direktor bei der LGT Bank in Zürich, die dem Liechtensteiner Fürstenhaus gehört. Die LGT Gruppe war 2008 selbst in einen grossen Steuerskandal um betuchte deutsche Kunden verwickelt.

In Bezug auf den angeblichen Schweizer Spion Daniel M., der am Freitag in Deutschland verhaftet wurde, sagt Portmann jetzt: «Hinter diesem ganzen Fall steckt mehr.» Zum Umstand, dass das Berliner Aussenministerium die Schweizer Botschafterin einbestellt hat, sagt Portmann: «Es könnte sein, dass Deutschland jetzt so heftig reagiert, weil es wissen will, über welche Informationen die Schweiz genau verfügt.»

Jetzt auf

Schmierten Steuersünder Beamte?

Der Bankier sagt: «Es kursieren anscheinend schon länger Dokumente, welche nachweisen wollen, dass auf Bankkundenlisten Namen von hochgestellten deutschen Persönlichkeiten waren, die aber dann, aus welchen Gründen auch immer, wieder von den Listen verschwanden, und dass deutsche Behördenmitglieder in diesem Zusammenhang sich zu korrupten Handlungen verleiten liessen.»

Das würde heissen: Prominente Steuersünder, unter ihnen Politiker, liessen sich gegen Schmiergeld aus dem Sünderregister streichen. Ein ungeheuerlicher Verdacht.

Es sieht jedenfalls so aus, dass solche Dokumente auch bei der Schweizer Bundesanwaltschaft gelandet sind.

Portmann erhebt auch sonst schwere Vorwürfe an Deutschland: «Der deutsche BND hat jahrzehntelang unseren Finanzplatz ausspioniert. Macht es vermutlich noch heute. Die BND-Spione machten in Zürich hemmungslos alles, was verboten ist: Abhören von Besprechungszimmern, Anzapfen von Telefonen, Fotografieren von Bankkunden, verdeckte Ermittlungen. Er schickte auch immer wieder Agenten, die sich als deutsche Kunden ausgaben.»

Hans-Peter Portmann, FDP-ZH, spricht an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 1. Maerz 2016 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Hans-Peter Portmann, FDP-Nationalrat und Bankier, Zürich.Bild: KEYSTONE

Bestätigt: Spion arbeitete für NDB

Daniel M. sitzt in Deutschland «wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit» in Haft. Am Mittwoch bestätigte Corina Eichenberger, Vizepräsidentin der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel), gegenüber dem «Blick», dass der Mann für den Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gearbeitet hat. Im Kampf gegen deutsche Steuerfahnder, die geklaute Bankdaten kauften. «Der NDB wollte im Rahmen der Spionageabwehr herausfinden, wer das Mandat dazu gegeben hatte – da wurde Daniel M. eingesetzt», so Eichenberger. Gestützt darauf erliess Bundesanwalt Michael Lauber Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerfahnder. Die GPDel will sich am Donnerstag im Detail über die Affäre informieren lassen.

Pikanterweise hat Daniel auch ein Verfahren bei diesem Lauber am Hals. Seit Anfang 2015, wegen wirtschaftlichem Nachrichtendienst. Der ehemalige Polizist und UBS-Sicherheitschef soll gestohlene oder gefälschte Bankdaten an deutsche Ex-Geheimdienstler verkauft haben.

Guldimann kritisiert Seiler

Am Dienstag hatte bereits der Schweizer Geheimdienstchef Markus Seiler vor den Medien von «Gegenspionage» gesprochen. Und damit angedeutet, dass Daniel M. einen Auftrag des NDB hatte.

Das Klima zwischen Deutschland und der Schweiz heizt sich auf. Bedenklich findet das Tim Guldimann, SP-Nationalrat und Ex-Botschafter in Berlin: «Das von NDB-Chef Seiler vorgebrachte Argument der Gegenspionage finde ich nicht gut. Man sollte jetzt beruhigen, statt sich zu rechtfertigen.» Aus Sicht der Deutschen habe die Schweiz ihnen mit dem Bankgeheimnis jahrzehntelang Steuersubstrat entzogen und damit die Steuerkriminalität unterstützt.

«Dass der Ankauf von Steuer-CDs durch Deutschland auch fragwürdig war, ist klar», sagt Guldimann. «Aber das ist vorbei, wir haben uns mit dem Automatischen Informationsaustausch vom Bankgeheimnis verabschiedet. Mit Gerede von Gegenspionage wärmt man das alles jetzt aber wieder auf und rechtfertigt damit indirekt das Bankgeheimnis. So bricht man ohne Not den alten Streit wieder vom Zaun.»

Tim Guldimann (SP/ZH) waehrend den Beratungen ueber den Voranschlag 2016 am Donnerstag, 3. Dezember 2015 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)
Tim Guldimann, SP-Nationalrat und Ex-Botschafter in Berlin ist mit dem Vorgehen von NDB-Chef Markus Seiler nicht zufrieden.Bild: KEYSTONE

Das Schweizer Aussendepartement versucht derweil, die Wogen zu glätten. «Der deutsche Staatssekretär und Botschafterin Schraner tauschten Informationen aus», sagt Informationschef Jean-Marc Crevoisier lapidar auf die Frage, was die Einbestellung der Botschafterin ergeben habe. Solche Vorgänge seien nicht aussergewöhnlich. In der Regel gehe es darum, durch direkten Austausch Eskalationen in zwischenstaatlichen Beziehungen zu verhindern, und das sei auch vorliegend der Fall.

«Von einer Krise zwischen den beiden Ländern kann nicht die Rede sein», beteuert Crevoisier. «Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben sich beträchtlich verbessert, seit die Schweiz den Automatischen Informationsaustausch in Steuersachen übernommen hat. Dies zeigt auch die Einladung von Deutschland an die Schweiz, im Financial Track des G-20-Gipfels dabei zu sein.»

Ganz so harmlos ist die Sache laut Ex-Botschafter Guldimann nicht: «Das Einbestellen einer Botschafterin an sich ist nicht ungewöhnlich. Wenn man das aber gleichzeitig offiziell den Medien mitteilt, dann will man ein politisches Zeichen setzen.» (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
bernd
04.05.2017 07:46registriert Februar 2014
"Angeblich..."
"Es könnte sein, dass..."
"Anscheinend..."

Hui, brisant! Einer hat also etwas behauptet.
312
Melden
Zum Kommentar
avatar
reaper54
04.05.2017 07:56registriert März 2015
Haben denn die Deutschen auch in den USA oder in den Asiatischen Steuerparadiesen Agenten? Wohl er nicht, in den USA hätten sie es sehr schwehr und in Asien sind die Gesetze ein wenig anders. Nur weil die Schweiz vergleichsweise klein ist denken sie, sie können sich alles erlauben. Da ist gegenspionage das einzig richtige...
2512
Melden
Zum Kommentar
avatar
Turbi
04.05.2017 10:04registriert Juli 2015
Die Nachrichtendienste liefern die nächste Lachnummer.
Das ganze ist eigentlich eines Rechtsstaates unwürdig. Aber was ist eigentlich ein Geheimdienst?
Stark vereinfacht gesagt eine Ansammlung profilneurotischer, paranoider Dilettanten mit Dunkelkammermentalität. Es war immer so und wird auch immer so bleiben.
Lesenswert zum Thema: Die Schweiz im kalten Krieg von Thomas Buomberger. Der Verfasser ist Historiker und logischer Weise sind auch alle Quellen offengelegt.
2114
Melden
Zum Kommentar
24
Was du über den Trump-Aktien-Hype wissen musst
Die Aktien der Trump Media & Technology Group sind ein Meme-Stock. Ist das ein Euphemismus für Betrug?

Ende 2021 erlebten die Aktien von GameStop, einem Verkäufer von Computer-Spielen, einen Höhenflug. Er war rational nicht zu erklären. Das Geschäft dieses Unternehmens ist dem Untergang geweiht. So wie Streaming das Ende von Blockbuster, einem DVD-Verleiher einläutete, wandert das Business von GameStop ebenfalls online.

Zur Story