Geht es nach der NHL-Erfahrung, würde Kanada wohl auch in diesem Jahr überlegen Olympia-Gold holen. Obwohl aktive Spieler aus der besten Liga der Welt am Turnier in Pyeongchang nicht dabei sind, bringen die Ahornblätter über 5500 Spiele NHL-Erfahrung mit.
Die Schweiz steht mit 671 Spielen gar nicht so schlecht da. 404 davon hat Jonas Hiller absolviert. Auch Raphael Diaz (201), Cody Almond (25), Tobias Stephan (11), Simon Moser (6) und der verletzte Joel Vermin (24) standen schon in Übersee im Einsatz. Doch mit NHL-Erfahrung allein kann man sich nichts kaufen.
Deshalb sind in diesem Jahr auch nicht die Kanadier die grossen Favoriten, sondern die Russen. Ausgerechnet die Russen, die nach den Sanktionen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nicht für Russland an den Start gehen dürfen, sondern als «unabhängige» Olympic Athletes from Russia (OAR).
Die Offensive ist das Prunkstück dieser russischen Mannschaft. Pavel Datsyuk, Mikhail Grigorenko, Ilya Kovalchuk, Sergei Mozyakin und Vadim Shipachyov sind nur einige der grossen Namen. Zudem haben die Russen den Vorteil, dass sie sich gut kennen: 15 Athleten stellt SKA St.Petersbug, acht kommen von ZSKA Moskau und zwei von Metallurg Magnitogorsk. Dass das Team nicht offiziell als «Sbornaja» antreten darf, dürfte für die Spieler eher noch mehr Motivation sein, um es dem Rest der Welt so richtig zu zeigen.
Die Verteidigung ist mit Marchenko, Nesterov und Voinov ebenfalls gut besetzt. Allerdings fehlt es ihr etwas an der Tiefe. Wenn die Russen verwundbar sind, dann in der Defensive.
Ilya Sorokin, Pavel Datsyuk, Ilya Kovalchuk.
Gold.
Neben den drei ausgeglichen starken Torhütern verfügt Schweden wie Russland über eine namhafte Offensive. Die «Tre Kronor» verfügt über eine Mischung aus Künstlern (Omark, Axelsson), kreativen Spielmachern (Lindholm, Lundqvist) und Snipern (Pettersson, Stalberg). Tempo und Grösse sind auch vorhanden.
Die Abwehr ist mit guten Allroundern und einigen Defensiv-Spezialisten besetzt. Was man etwas vermisst, ist ein genialer Offensivverteidiger. Gespannt darf man sein, wie sich der designierte Nummer-1-Draft Rasmus Dahlin mit 17 Jahren auf diesem Niveau schlägt.
Rasmus Dahlin, Joel Lundqvist, Linus Omark.
Silber.
Finnland stellt an diesem Turnier wohl die besten Torhüter. Mikko Koskinen trat für SKA St.Petersburg in dieser Saison bislang bestechend auf (28 Spiele, 94,0 % Fangquote). Karri Rämö, der wohl die Nummer 2 sein wird, ist nicht viel schlechter.
Es ist zwingend, dass die Finnen wenige Tore kassieren, denn selbst werden sie nicht am Laufmeter skoren. Der «Lejonat» fehlen wirkliche Scharfschützen und Skorer. Sie müssen unter anderem hoffen, dass Mika Pyörälä, der beim SCB bislang noch nicht heissgelaufen ist, seine letztjährige Form wieder findet. Gespannt darf man zudem auf Eli Tolvanen sein. Der 18-Jährige überzeugte diese Saison in der KHL mit 17 Toren und 17 Assists aus 47 Spielen.
Mikko Koskinen, Karri Rämö, Eli Tolvanen.
Bronze.
Kanada kann an diesem Turnier eigentlich nur verlieren, denn ob es die Ahornblätter wollen oder nicht: Die Spieler werden am Erfolg der vergangenen Jahre mit den NHL-Superstars gemessen. Dabei ist das Kader deutlich dünner besetzt. Gefährlich sind die Kanadier insbesondere auch von der blauen Linie. Mit Maxim Noreau, Marc-André Gragnani, Chris Lee oder Chay Genoway verfügt das Mutterland des Eishockeys über pass- und schussstarke Verteidiger.
Gefährlich sind die kanadischen Verteidiger, aber im Defensivspiel sind sie auch etwas limitiert. Kanada stellt zudem das älteste Team des gesamten Turniers. Sie müssen aufpassen, dass sie von den anderen Mannschaften nicht schwindlig gespielt werden. Auch die Torhüterposition ist eher mittelmässig bestückt.
Marc-André Gragnani, Andrew Ebbett, Linden Vey.
4. Rang.
Eingespieltheit. Die Mehrheit des Schweizer Kaders spielte an der letzten WM oder am Spengler Cup bereits unter Patrick Fischer und Tommy Albelin. Sie kennen das System und wissen, was von ihnen erwartet wird. Spielt Leonardo Genoni auf dem gleichen Level wie an der WM im Mai 2017, dann kann er einer der besten Torhüter des Turniers werden.
Ein altbekanntes Problem: Wer soll für die Schweiz die Tore schiessen? Die Linie mit Haas, Praplan und Hollenstein funktioniert diesbezüglich ziemlich gut. Doch was folgt dahinter? Ambühl, Bodenmann, Rüfenacht oder Schäppi sind keine Sniper. Enzo Corvi und Gregory Hofmann müssen ihre internationale Tauglichkeit erst noch beweisen.
Leonardo Genoni, Raphael Diaz, Vincent Praplan.
5. Rang.
Tschechien verfügt ebenfalls über ein sehr starkes Torhüter-Duo. Dominik Furch und Pavel Francouz überzeugten bislang in der KHL mit guten Werten. Angeführt vom «Freiburger» Roman Cervenka können die Tschechen zudem auf einige talentierte Stürmer zählen.
Die Verteidigung ist da schon dünner besetzt. Grundsätzlich ist bei den Tschechen sicherlich weniger Talent vorhanden als bei den Topteams wie Russland, Schweden oder Finnland. Man darf gespannt sein, wie sich das auf die Taktik auswirkt.
Dominik Furch, Michal Jordan, Roman Cervenka.
6. Rang
Die Stürmer sind beim amerikanischen Team am talentiertesten. Die in der National League spielenden Broc Little, Garrett Roe und Mark Arcobello dürften die offensiven Leader sein. Auch von Chris Bourque darf man einiges erwarten. Unbeschriebene Blätter sind die vier College-Spieler, die nach Südkorea reisen. Erst einer von ihnen hat international auf diesem Niveau Erfahrung gesammelt (Jordan Greenway, 8 Spiele an der WM im Mai 2017).
Mit Brian Gionta haben die Vereinigten Staaten einen 39-jährigen Spieler nominiert, der in dieser Saison genau einen Ernstkampf bestritten hat, und machten diesen gleich noch zum Captain. Der Flügel soll wohl vor allem mit seiner Erfahrung helfen. Auch hinter die Goalieposition muss ein grosses Fragezeichen gesetzt werden.
Ryan Gunderson, Mark Arcobello, Garrett Roe.
7. Rang.
8. Slowakei, 9. Norwegen, 10. Deutschland, 11. Slowenien, 12. Südkorea.