Im Hintergrund die typischen Geräusche von Eishockey-Training in einer leeren Arena. Pucks, die an die Bande klatschen. Tatsächlich sitzt Kevin Schläpfer in einer leeren Arena auf der Tribüne, als er das Hosentelefon abnimmt. Er beobachtet das Training der Blackhawks in Chicago. Er ist auf Besuch bei seinem ehemaligen Spieler und NHL-Superstar Patrick Kane.
Ja, er habe von den Ereignissen in Kloten gehört. «Ich komme am Freitag zurück in die Schweiz und werde am Samstag oder am Sonntag in Kloten vorsprechen.» Er habe zwar keinen Agenten, aber André Rufener habe den Kontakt vermittelt.
Kevin Schläpfer als Nachfolger von Pekka Tirkkonen neuer Cheftrainer in Kloten? Gehen wir einmal davon aus, Präsident Hans-Ulrich Lehmann möchte lieber Kevin Schläpfer als Reto von Arx oder gar Michel Zeiter – würde Kevin Schläpfer dann den Job annehmen? Eine schicksalsschwere Frage.
Kevin Schläpfer wird von Biel noch bis Ende dieser Saison bezahlt. Er ist also als frischgebackener Besitzer eines schönen Eigenheims in Sissach noch nicht im finanziellen Zugszwang. «Aber ich kann es mir nicht leisten, in einem Jahr immer noch arbeitslos zu sein.»
Welche Optionen hat er überhaupt? Die Reputation, ein «Hockey-Gott» zu sein, hat ihn letztlich in Biel nach mehr als zehn Jahren auch nicht vor der Entlassung bewahrt. Seit dem 14. November 2016 ist er ohne Job. In Genf, Fribourg und Ambri sind im letzten Frühjahr neue Trainer eingestellt worden. Kevin Schläpfer war nie ein Thema.
Wenn der Baselbieter wieder auf die grosse Bühne zurückkehren will, dann kann er nicht mehr wählerisch sein. Dann müsste er eigentlich den Job in Kloten – wenn er ihn denn angeboten bekommt – annehmen. So schwierig diese Aufgabe auch sein mag. Er sagt zurecht. «Wenn ich eine Mannschaft auf dem letzten Platz übernehme, dann kann ich ja eigentlich nur gewinnen. Schlimmer kann es nicht kommen…»
Er hat gute Chancen. Für einmal ist der Schweizer Pass bei der Jobsuche ein Vorteil. Klotens Präsident Hans-Ulrich («Spar-Ueli») Lehmann hätte gerne einen Schweizer Trainer. Nicht weil er ein Patriot ist. Sondern weil er rechnen kann. Ein Schweizer Trainer kostet halb so viel wie ein Ausländer. Weil er die Steuern selber bezahlt und bereits eine Wohnung und ein Auto hat.
Kevin Schläpfer wäre richtiggehend eine Billiglösung: da Biel noch bis im nächsten Frühjahr seinen Lohn zahlt, muss Hans-Ueli Lehmann, wenn er gut verhandelt, vielleicht bis Saisonende nur den halben Lohn übernehmen. Billiger wäre nicht mehr möglich. Noch billiger wäre gratis.
So günstig wie Kevin Schläpfer wären wahrscheinlich nicht einmal Reto von Arx oder Michel Zeiter (Trainer und Sportchef bei Klotens Partnerteam Winterthur). Und zudem könnte Kevin Schläpfer gleich auch noch das Amt eines Sportchefs übernehmen. Die Doppelbelastung Trainer/Sportchef hat er in Biel immerhin drei Jahre lang (2010 bis 2013) gemeistert.
Oder gibt es für den «billigen Kevin» vielleicht doch noch eine andere Option? Die Titanen der Liga – Bern, Lugano, die ZSC Lions, Davos, Zug – sind für ihn kein Thema. Es bleibt eigentlich neben Kloten nur noch der Klub seiner Bestimmung. Die SCL Tigers.
Wäre Eishockey wirklich ein grosses Schauspiel – dann müsste Kevin Schläpfer in Langnau arbeiten. Dort hat er als Leitwolf des Aufstiegsteams von 1998 sowieso schon Kultstatus.
Die Situation ist delikat. Heinz Ehlers hat in Langnau noch einen Vertrag bis zum Ende dieser Saison. Schafft er die Playoffs, dann kommt es zu einer automatischen Verlängerung um ein weiteres Jahr. Bis 2019.
Die SCL Tigers können die Playoffs schaffen. Aber würde Heinz Ehlers über das Saisonende hinaus bleiben? Die Langnauer wissen, dass sich Biel stark für ihren Trainer interessiert. Das wird zwar vom Management offiziell bestritten (logisch). Aber direkte Kontakte unter den Verwaltungsräten der beiden Unternehmen haben diese Frage geklärt: Ja, Biel ist konkret an der Rückkehr seines Aufstiegstrainers von 2008 interessiert.
Damit ergibt sich für Kevin Schläpfer die delikate Situation, die wir mit der Volksweisheit «Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach» umschreiben.
Bekommt er von Kloten eine Offerte – soll er dann diesen Spatz in der Hand wählen und die Chance nützen, um ins Geschäft zurückzukehren? Oder soll er auf die Taube auf dem Dach, den Job in Langnau, warten? Er räumt ein: «Ja, so kann man meine Situation umschreiben.» Aber er weiss auch: «Langnau kann unmöglich hinter dem Rücken von Heinz Ehlers jetzt schon mit mir für nächste Saison verhandeln. Das wäre gegen alle Anstandsregeln und ich würde solche Verhandlungen ablehnen.» Aber die Gespräche könnten ja geheim geführt werden. «So naiv zu glauben, so etwas liesse sich geheim halten, sind nicht einmal Sie…»
Das Risiko ist in Kloten wesentlich grösser als in Langnau. Doch so oder so wäre ein Scheitern beim zweiten NLA-Trainerjob für Kevin Schläpfer fatal. Die Kritiker, die sagen, er funktioniere ausserhalb von Biel nicht, würden recht bekommen.
Sportlich mag es gehupft wie gesprungen sein, ob er in Langnau oder Kloten arbeitet. Aber in Kloten kann er sich nicht auf die Loyalität des Präsidenten verlassen. Hans-Ulrich Lehmann ist hockeytechnisch etwas so verlässlich und berechenbar wie US-Präsident Donald Trump in der Politik. In Langnau wäre der Rückhalt durch Management, Präsident und Verwaltungsrat ungleich grösser. Und dieses Vertrauen des Arbeitgebers (auch in schwierigen Zeiten) hat in Biel ja erst Kevin Schläpfers fast elfjährige Karriere möglich gemacht.
Wenigstens ist Kevin Schläpfer jetzt wieder im Gespräch und zurück im medialen Rampenlicht. Das ist ja auch schon mal was.