Bern

Fahrende in Witzwil: Während 1. Weltkrieg in der Strafanstalt interniert

Ab 1913 verrichteten die internierten männlichen Fahrenden schweisstreibende Feldarbeit.
Ab 1913 verrichteten die internierten männlichen Fahrenden schweisstreibende Feldarbeit.Bild: Thomas Huonker, Zürich

Internierung und Zwangsarbeit – Witzwil war einst Schauplatz eines «Zigeuner»-Dramas

Derzeit sorgen die Fahrenden auf dem Gelände der Strafanstalt Witzwil für Unmut. Was viele nicht wissen: Früher wurden genau dort Sinti, Roma und Jenische interniert.
01.06.2016, 05:0901.06.2016, 06:31
Rebecca Wyss
Rebecca Wyss
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Seit letzter Woche campieren auf dem Gelände der Strafanstalt Witzwil rund 350 Fahrende, die die Behörden auf Trab halten. Eine private Sicherheitsfirma ist vor Ort, und auch die Polizei steht im Einsatz. Nicht zuletzt ärgern sich die Anwohner über den Aufmarsch.

Internierung von «Zigeunern»

Was viele nicht wissen: Wo sich derzeit Wohnwagen an Wohnwagen reiht, verrichteten vor einem Jahrhundert die gleichen Leute Zwangsarbeit. Das Gelände der Strafanstalt Witzwil war Schauplatz für den tragischen Umgang der Schweiz mit Fahrenden, wie ein vor Jahren erschienener Forschungsbericht des Schweizerischen Nationalfonds zeigte.

Einen Grosseinsatz wie hier, als vor einem Jahr Fahrende die kleine Allmend in Bern besetzten, will der Kanton verhindern. 
Einen Grosseinsatz wie hier, als vor einem Jahr Fahrende die kleine Allmend in Bern besetzten, will der Kanton verhindern. 
Bild: KEYSTONE

Alles begann 1894 mit der Umwandlung des Guts Witzwil in ein Gefängnis. Die Häftlinge mussten in der Landwirtschaft arbeiten und in den umliegenden Mooren Entwässerungsgräben ausheben. Es war Zwangsarbeit, die ab 1913 schliesslich vor allem Roma, Sinti und Jenische verrichteten. Ab da wurden «Zigeuner» (wie es damals hiess) verhaftet, wenn sie die Grenze zur Schweiz überquerten. Mit dramatischen Folgen: Die Familien wurden auseinander gerissen. Männer und Buben ab 16 Jahren internierte man in Witzwil. Die Frauen und Kinder sperrte man in Heime ein, die die Heilsarmee führte.

Die Behörden führten währenddessen einen sogenannten Identifikationsprozess durch, in dessen Rahmen auch Rassenprofile herausgearbeitet und in einer «Zigeunerkartei» registriert wurden. Danach wurden die Familien wieder zusammengeführt und aus dem Land abgeschoben.

Heute sollen sie abziehen

So wie früher verfährt man mittlerweile längst nicht mehr. Der Kanton Bern versucht derzeit die Witzwiler zu beschwichtigen und ruft zur Toleranz gegenüber den Fahrenden und deren Lebensstil auf. Er verspricht auch, dass die Wohnwagen bis heute Abend abziehen. 

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3 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pamayer
01.06.2016 06:54registriert Januar 2016
Die schweiz stand damals sehr nahe an der völkischen ideologie der nazis. Kinder der landstrasse war eine weiterer ausdruck dieser haltung und in neuster zeit muss man leider feststellen, dass diese völkische, xenophobe einstellung wieder salonfähig wird.
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pun
01.06.2016 06:38registriert Februar 2014
Danke für den Hintergrundartikel. Mich würde die Sicht der in Witzwil campierenden Fahrenden interessieren.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass die aufgeklärtesten Menschen hierzulande in grauslige Vorurteilsmuster verfallen, wenn es um Fahrende geht. Man kennt sich halt trotz jahrhundertelangem Zusammenleben irgendwie zu wenig oder gar nicht.
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