Bericht über eine frühere Razzia gegen Darknet-Drogenhändler. Nun hat es «Lucky» erwischt.screenshot: twitter
Polizei legt grösstes deutschsprachiges Darknet-Forum still
Die Tor-Adresse germanyhusicaysx.onion stand für den unkontrollierten Austausch von Meinungen und (illegalen) Gütern. Das vorläufig letzte Wort hat «Uwe».
Fragt ein User im Darknet-Forum: «Was ist zusätzlich an Vorkehrungen/Vorsichtsmassnahmen notwendig, wenn
man sich mit Tor (installiert auf einem USB-Stick) ins Darknet
verbindet?»
Die Antworten:
Sturmhaube
Lesebrille
Kondom
Flaschenbier
Handtuch
Badeschlappen
VPN
Eichhörnchen
Aluhut
Kalaschnikow
Hirn und Duden
Gasmaske
Nokia 3210
Ne Taschenlampe, ist dunkel hier ;-)
brain.exe
Gleitcreme
Shrooms, ohne die geht es einfach nicht
Zwangsjacke
Humor
Die Antworten stammen aus dem (vermutlich) grössten und (sicher) bekanntesten deutschen Darknet-Forum. Zutritt hatten alle Internetnutzer, man musste nur den kostenlos verfügbaren Tor-Browser starten und germanyhusicaysx.onion aufrufen.
So sah «Deutschland im DeepWeb» bis vor kurzem aus ...
Und heute?
screenshot: germanyhusicaysx.onion
Der Schock sitzt tief bei den laut Schätzungen mehr als 30'000 registrierten Mitgliedern und noch viel mehr unregelmässigen Besuchern. Was ist passiert? Die Antwort lautet: Uwe.
Uwe? Oh weh!
«Ob in Bayern oder Bremen. Ob in Russland und im Jemen. In jedem noch so fernen Land, ist unser Uwe wohl bekannt. Suchst du nach Pilzen, Pillen, Haze? Treff (sic!) dich mit Uwe Face to face. Hast du Sorgen oder Kummer? Frag nach seiner Handynummer. Und ist der Treffpunkt noch so weit, er kommt vorbei zu jeder Zeit. Doch statt ihm kommen die Cops und nehmen dich ganz schnell mal hops. Bist dann für lange Zeit verschwunden, denn Uwe der war nur erfunden. Und die Moral von der Geschicht? ... ein Real-Life-Treffen? Lieber nicht!»
Bei germanyhusicaysx.onion veröffentlichtes «Gedicht».
«Wer geistert hier durch jeden Thread und ist zu jedem Neuling nett? Wer hat die Taschen voller Geld und reist tagtäglich um die Welt ? Wer ist stets munter und heiter und gibt schnell seine Nummer weiter? Wo werden Kifferträume wahr? Naja beim Uwe, ist doch klar.»
Noch ein poetischer Erguss ...
Uwe war ein im Forum verwendetes Codewort für die Polizei, respektive die deutschen Strafermittler. Und wie es aussieht, hat Uwe einen folgenschweren Treffer gelandet.
Oder müsste man Andreas sagen?
Er sieht aus wie Woody Harrelson – und ist der gefährlichste Darknet-Jäger Deutschlands. In diesem sehenswerten Video spricht Andreas May über schützende Technik und unvorsichtige Dealer.
Nach den jüngsten Ereignissen erhält ein Auftritt von May zusätzliche Brisanz. Der Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main äusserte sich kürzlich an der «re:publica» in Berlin zu den schwierigen Ermittlungen im deutschen Darknet. Womöglich stapelte der Jurist auch tief, als er sagte, seine Ermittler kämen kaum an die Darknet-Dealer heran.
«Wir fangen nur die Doofen.»
Andreas May, Oberstaatsanwalt
Mays Behörde hat am Montag die Verhaftung des mutmasslichen Betreibers von «Deutschland im DeepWeb» verkündet. Ein 30-Jähriger Deutscher sei verhaftet worden. Was dem als vorsichtig geltenden Mann mit dem Pseudonym Lucky zum Verhängnis wurde, ist nicht bekannt. Waren es Real-Life-Kontakte?
«Die als Forum aufgebaute Plattform, auf der zuletzt über 20'000 Mitglieder registriert waren, verfügte unter anderem über eine Marktplatz-Sektion, über die zahlreiche illegale Handelsgeschäfte, insbesondere Drogen- und Waffenverkäufe, angebahnt wurden. Darüber hinaus konnten über die Plattform auch Falschgeld, gefälschte Personalausweise, ausgespähte Kreditkartendaten und Kundenkonten auf Internethandelsplattformen sowie gefälschte Bankkonten erlangt werden. Auch die Anbahnung des Erwerbs der bei dem Amoklauf in München am 22. Juli 2016 eingesetzten Waffe erfolgte über diese Plattform.»
Bleibt festzuhalten, dass Luckys Plattform kein Marktplatz wie Silk Road war, sondern ein Diskussionsforum ohne Shops, das primär für den Meinungsaustausch gedacht war. Zwar boten viele Händler Waren an. Verkauft wurde aber nicht über die Plattform selber, sondern im direkten Kontakt mit Interessenten.
«Ich habe dort mehrere Jahre mitgelesen, diskutiert und viel dazugelernt. Es ist ja nicht so dass da nur kriminelle Sachen abliefen. Ich habe dort immens über Verschlüsselungen, Anonymisierung und über IT-Sachen generell dazugelernt. Im Clearnet habe ich nicht halb so viele hilfsbereite Leute kennengelernt, die mir mit viel Geduld weiterhalfen. Hoffentlich gibt es bald wieder einen vollwertigen Ersatz. ‹RIP Deutschland im Deepweb.›»
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
Karl Müller
13.06.2017 20:00registriert März 2015
Wie passt dieser Artikel zu den anderen Artikeln des selben Autors? Im Falle Facebooks wird grösstmögliche Zensur und Kontrolle der Inhalte gefordert, aber hier betrauert man den Untergang eines Anti-Informationskontrolle-Forums, über das Amokläufer illegal zu Waffen gelangen können.
Warum?
Weil es im einen Fall um einen Grosskonzern geht, wo der "dumme Pöbel" mit seiner "falschen Meinung" sichtbar wird, aber im anderen Fall ist man als Techie unter sich und niemand soll einem was verbieten dürfen? So sieht das nach elitärer Doppelmoral aus!
Klein, kantig, günstig – und in Osteuropa allgegenwärtig. Jetzt soll der Yugo zurückkehren: vorerst mit Benzinmotor, scharfem Preis und einem klaren Ziel.
Er war ein Exportschlager aus dem Osten – und ein Spottobjekt im Westen. Der Yugo basierte technisch auf dem Fiat 127, war aber kantiger und billiger. Und weniger zuverlässig. Mitte der 1980er-Jahre schaffte er es aus Jugoslawien sogar bis in die USA. Für unter 4000 Dollar. Kritiker nannten ihn bald «den schlechtesten Neuwagen der Welt».