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Wer sich bereits zu alt fühlte für die Pokémon-Manie in den 90ern, muss sich derzeit vorkommen wie im falschen Film. Ein Smartphone-Game, mit dem man die Animé-Figuren jagen und einfangen kann, bringt die halbe Menschheit um den Verstand. Seit Mittwoch ist Pokémon Go auch in Deutschland offiziell erhältlich, doch bereits zuvor hatte der Hype Europa fest im Griff.
Wie fast immer in solchen Fällen gibt es nicht nur positive Begleiterscheinungen. Einige Gamer sollen auf der Jagd nach den kleinen Monstern Unfälle verursacht haben, auch von einem angeblichen Leichenfund ist die Rede. Ein weiterer fragwürdiger Aspekt ist in den letzten Tagen aufgetaucht: Pokémon Go wird an Orten gespielt, die für solche Vergnügungen eher ein No-Go sind.
Today in "what the hell is wrong with people" - Playing Pokémon Go at Auschwitz? https://t.co/ZfM4gEhhRQ pic.twitter.com/ET3oH4ejSD
— Andrew Stroehlein (@astroehlein) 13. Juli 2016
Die Pokémons tauchen überall auf. Auch auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau in Polen wurden die virtuellen Wesen gefangen, berichtet das «New York Magazine» und belegt dies mit einem Screenshot. Das wirft heikle ethische Fragen auf: Darf man das an einem Ort, der für das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte steht?
Die Betreiber der Gedenkstätte sagen Nein. Es habe bislang auf dem Gelände keine Probleme mit Spielern gegeben, räumte ein Sprecher gegenüber der Website «Daily Beast» ein. Dennoch seien solche Aktivitäten «respektlos» gegenüber den Opfern der Konzentrations- und Vernichtungslager und deshalb «absolut unangemessen». Man habe den Herstellern geschrieben und sie gebeten, «die Auschwitz-Gedenkstätte und ähnliche Einrichtungen aus dem Spiel zu entfernen».
Die gleiche Forderung erhebt das Holocaust-Mahnmal in Berlin, das sich aufgrund seiner Anlage besonders gut für die Monsterjagd eignet. Man könne den Besuchern derzeit nicht verbieten, die Spiele-App zu verwenden, sagte Sprecherin Sarah Friedrich dem «Tagesspiegel». Aber man bitte darum, den Ort zu respektieren: «Unsere Besucher halten wir zu einem angemessenen und würdevollen Umgang mit diesem Gedenkort an. Pokémon Go ist hier unangemessen.»
In den USA, wo der Hype begonnen hatte, klagen Gedenkstätten über das gleiche Problem. Ein Sprecher des Holocaust-Museums in Washington erklärte gegenüber der «New York Times», dass Technologie ein wichtiges Lerninstrument sein könne, «aber dieses Spiel entspricht überhaupt nicht unserem Aufklärungs- und Gedenkauftrag». Der Nationalfriedhof in Arlington bei Washington forderte die Besucher auf Twitter auf, «von solchen Aktivitäten Abstand zu nehmen».
We do not consider playing "Pokemon Go" to be appropriate decorum on the grounds of ANC. We ask all visitors to refrain from such activity.
— Arlington Cemetery (@ArlingtonNatl) 12. Juli 2016
Fragt sich nur, wie sich eine solche Anweisung durchsetzen lässt. Wie unterscheidet man einen Pokémon-Jäger von einem normalen Smartphone-Nutzer? Am Ende kann man nur an die Selbstverantwortung der Gamer appellieren. Oder sie an den Online-Pranger stellen, so unsympathisch das wirken mag. Doch Auschwitz und ähnliche Orte sollten uns in Erinnerung rufen, dass man nicht alles tun darf, was man tun kann.
Entkommen kann man der Entwicklung ohnehin nicht. Für das «Wall Street Journal» stellt Pokémon Go einen «prägenden Moment der Technologie-Geschichte» dar. Das Augmented-Reality-Game sei mehr als ein Spiel, so die Wirtschaftszeitung: «Es ist die Zukunft unserer Interaktion mit Computern.» Das Bemerkenswerte an den kleinen Monstern sei nicht der Hype, der bald abklingen werde, «sondern die Art, wie die Welt auf dem Smartphone mit jener verschmilzt, die wir sehen».
Vielleicht sollte
man sich doch einmal mit Pikachu und Co. beschäftigen.