Für US-Präsident Donald Trump läuft es nach einem halben Jahr im Amt eigentlich prima. Die Republikaner im Kongress haben sich ihm unterworfen. Einzelne «Abweichler» sind nicht der Rede wert. Vom Obersten Gerichtshof als höchster Rechtsinstanz hat er kaum etwas zu befürchten. Und die Folgen seiner Wirtschafts- und Zollpolitik sind erst ansatzweise spürbar.
Die immer mieseren Umfragewerte selbst beim Thema Migration brauchen Trump (noch) nicht zu kümmern. Nun aber ist ein Thema aufgetaucht, das ihn in Konflikt mit der eigenen Basis bringt. Es geht darum, wie weit er in den Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein und dessen schier unersättlichen Appetit auf sehr junge Frauen verwickelt ist.
Zu Epsteins Bekanntenkreis gehörten Prominente aus dem linksliberalen Milieu wie Bill Clinton oder Bill Gates, aber auch Prinz Andrew, was die Fantasien der MAGA-Meute und ihrer «Lautsprecher» wie Steve Bannon und Charlie Kirk beflügelte. Donald Trump heizte diese Spekulationen an, indem er versprach, die Epstein-Akten veröffentlichen zu wollen.
Bis Justizministerin Pam Bondi Anfang Juli auf einmal verkündete, man habe in den Akten «keine belastende Kundenliste» gefunden. Ebenso wenig Hinweise darauf, dass Jeffrey Epstein seine Promi-Freunde heimlich beim Sex mit Minderjährigen gefilmt und erpresst habe. Und Epsteins Ableben 2019 im Gefängnis sei kein Mord, sondern eindeutig Suizid gewesen.
Seither ist bei Donald Trumps Fangemeinde Feuer im Dach. Denn es gibt eindeutige Hinweise, dass sein Name in den Akten vorkommt. Pam Bondi soll ihn schon im Frühjahr darüber unterrichtet haben, berichteten drei US-Medien am Mittwoch. Trump war lange mit Epstein befreundet, ehe sie sich 2004 im Streit um eine Liegenschaft in Florida verkrachten.
Der Präsident selbst bestreitet die Vorwürfe kategorisch. Mit wilden Attacken etwa gegen Barack Obama versucht er, von der Affäre abzulenken. Er verklagt das «Wall Street Journal», weil es über einen anzüglichen Brief berichtet hatte, mit dem Trump 2003 Epstein zum Geburtstag gratuliert haben soll. Doch so schnell kommt Trump nicht davon los.
Denn im Epstein-Sumpf finden sich alle Zutaten für ein vom Celebrity-Kult besessenes Land wie die USA: Sex, Crime, Money und Verschwörungs-Fantasien:
Jeffrey Epsteins Tod werde «die Mutter aller Verschwörungstheorien», schrieb Philipp Löpfe fast schon prophetisch, nachdem die Leiche des schwerreichen New Yorkers vor rund sechs Jahren in seiner Gefängniszelle aufgefunden worden war. Von Anfang an gab es Zweifel, ob er sich selbst getötet hatte, und manch anderes blieb mysteriös.
So weiss niemand so genau, wie Jeffrey Epstein zu seinem Vermögen gekommen war, das bei seinem Tod auf mehr als 500 Millionen Dollar beziffert wurde. Es ermöglichte ihm ein Luxusleben mit einem der teuersten Stadthäuser Manhattans (es wurde für mehr als 50 Millionen verkauft), Privatjet (Übername «Lolita Express») und einer Insel in der Karibik.
Dort soll es zu zahlreichen sexuellen Ausschweifungen gekommen sein, auch mit Epsteins illustren Bekannten. Keiner geriet dabei stärker ins Visier als Prinz Andrew, der Bruder des britischen Königs Charles. Nach Jeffrey Epsteins Tod wollte er sich in einem denkwürdigen BBC-Interview rechtfertigen und schwafelte sich stattdessen um Kopf und Kragen.
Zu den Mysterien gehört auch, warum Epstein 2008 in einem ersten Verfahren in Florida zu einer relativ milden Strafe verurteilt worden war. Und welche Rolle Ghislaine Maxwell spielte, die Tochter des britischen Medienmoguls Robert Maxwell. Sie wurde 2021 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Epstein Mädchen zugeführt hatte, die oft minderjährig waren.
Nun wird spekuliert, Maxwell könnte für eine Verkürzung ihrer Haft «auspacken». Auch zur Rolle von Donald Trump? Laut der «New York Times» informierte ein Whistleblower den demokratischen US-Senator Dick Durbin, dass rund 1000 FBI-Agenten teilweise rund um die Uhr damit beschäftigt waren, die Epstein-Files nach Trumps Namen abzugrasen.
Sie seien vom Justizministerium von Ermittlungen zu Drogendelikten und Gewaltverbrechen abgezogen worden, sagte Durbin der Zeitung. Was auf Unruhe oder gar Panik hindeutet, ob nicht doch belastendes Material gegen Trump vorliegt. Für die gebeutelten Demokraten ist dies ein Steilpass. Sie verlangen die Offenlegung der Epstein-Akten.
Um eine Abstimmung im Repräsentantenhaus zu verhindern, hat der republikanische Speaker Mike Johnson die Abgeordneten deshalb in eine vorgezogene Sommerpause geschickt. Er scheint sich seiner eigenen Leute nicht sicher zu sein, und das wohl zu Recht. Pikant ist, dass Johnson noch vor Kurzem selbst die Publikation gefordert hatte.
Unmittelbar hat Donald Trump wohl nichts zu befürchten. Sollte er aber tiefer als bislang vermutet im «pädophilen» Epstein-Sumpf stecken, könnte sich zumindest ein Teil seines Anhangs von ihm und den Republikanern abwenden. Was angesichts der oft knappen Mehrheiten fatal wäre. Kein Wunder also, spielen Trump und die Partei auf Zeit.
Ewig wird das nicht gehen. John Thune, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, meinte im Interview mit «Politico», Speaker Mike Johnson werde sich der Sache annehmen müssen: «Es sieht so aus, als ob es ein September-Thema werden wird.» Also wenn die Abgeordneten aus den Sommerferien nach Washington zurückkehren.
Amerika ist keine Demokratie mehr.